„Zum einen sind die meisten börsennotierten Unternehmen in privatem Besitz, was uns als Minderheitsaktionär die Zusammenarbeit mit den Eigentümern erleichtert, da der regulatorische Aufwand im Vergleich zu Staatsunternehmen geringer ist. Zum anderen sind die meisten Sektoren wenig durchdrungen. Selbst die Marktführer in diesen Sektoren sind verhältnismäßig klein. Da die Marktdurchdringung zunimmt, dürften diese Marktführer Wachstumspotenzial aufweisen. Die Managementteams sind sich dabei der Notwendigkeit bewusst, dass sie aufgrund der hohen Kosten und der historischen Kapitalknappheit hohe Kapitalrenditen erzielen müssen. Sie sind lernwillig und bereit, sich mit den verschiedenen Stakeholdern auszutauschen, um ihr Geschäftsmodell und ihre Governance-Standards zu verbessern. Daher glauben wir, dass Indien ein viel größeres Universum an qualitativ hochwertigen, investierbaren Unternehmen bietet als andere regionale Märkte.
Fehleinschätzungen bezüglich des indischen Investitionsuniversums rühren daher, dass Indien aus einer Top-down-Perspektive stets im Chaos zu versinken scheint. Zwar gibt es verschiedene politische Interessensgruppen, die sich in einem dauerhaften Tauziehen befinden, sowie geopolitische und wirtschaftliche Probleme, doch aus der Bottom-up-Perspektive zeigen sich führende indische Unternehmen trotz dieser Herausforderungen erfolgreich. In den vergangenen zwei Jahrzehnten waren verschiedene Herausforderungen in Indien zu beobachten. Diese umfassen Dürren, die globale Finanzkrise, mehrere Korruptionsskandale, die zu einem Regierungswechsel führten, die Demonetisierung und die Einführung eines neuen Steuersystems und in jüngster Zeit die Corona-Pandemie. Führende Unternehmen gingen gestärkt aus diesen Krisen hervor, da sie Marktanteile von ihren schwächeren Konkurrenten gewinnen und ihre Gewinne kontinuierlich steigern konnten. Das wirtschaftliche Umfeld dürfte sich nach der Pandemie verbessern, sodass diese Unternehmen das Potenzial für ein starkes Gewinnwachstum in den kommenden Jahren bieten.
Zunehmende Einführung von ESG-Standards
Da die indische Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen ist, ist die soziale Verantwortung der Unternehmen in allen Sektoren immer wichtiger geworden. Diese umfasst eine Reihe von Aspekten: von den Umweltauswirkungen ihrer Unternehmen bis hin zu ihren Beziehungen zu den Arbeitskräften und ihrer Rolle in den Gemeinden. Unternehmen in Indien erkennen zunehmend, dass sie ohne die Social License (SLO) langfristig nicht nachhaltig sein können. Die Verbesserung der ESG-Standards wird von mehreren Interessengruppen vorangetrieben:
- Generationswechsel in den Unternehmerfamilien: In vielen Familienunternehmen hat eine neue Generation von Eigentümern mit globalem Engagement eine Führungsrolle übernommen. Diese Generation hat im Ausland studiert oder in internationalen Firmen gearbeitet. Sie haben in ihren Unternehmen bewährte Verfahren eingeführt und dabei auf ihre Erfahrungen aus den entwickelten Märkten zurückgegriffen.
- Regulatorische Entwicklungen: Die Schutzmechanismen für die Interessen von Minderheitsaktionären wurden konsequent gestärkt. Minderheitsaktionäre haben das Recht, bestimmte Transaktionen mit verbundenen Parteien abzulehnen. Für die Privatisierung eines börsennotierten Unternehmens ist ein obligatorisches Reverse-Bidding-Verfahren vorgeschrieben. Auch die Governance-Standards haben sich deutlich verbessert, nachdem Vorschriften eingeführt wurden, die einen Mindestanteil von Frauen im Vorstand eines Unternehmens, eine regelmäßige Rotation der Wirtschaftsprüfer sowie ein höheres Maß an Offenlegung vorschreiben.
- Eigentümer haben festgestellt, dass Unternehmen mit einer schlechten Reputation hinsichtlich ihrer Unternehmensführung nicht überleben konnten. Sie sind sich bewusst, dass sie ihre Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards konsequent verbessern müssen, um die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens langfristig zu sichern.
Die meisten indischen Unternehmen wollen ihre Stakeholder fair behandeln. Hierfür fehlt ihnen jedoch die Expertise, insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen, die möglicherweise wenig internationale Erfahrung haben.
Die Managementteams sind bestrebt, sich zu engagieren und zu erfahren, wie sie die Nachhaltigkeit ihres Unternehmens verbessern können. So befassen sich beispielsweise mehrere indische Konsumgüterunternehmen mit dem Problem der umweltschädlichen Kunststoffverpackungen. Wir haben diesbezüglich einen weltweit tätigen Anbieter von biologisch abbaubaren Kunststoffverpackungen mit einem führenden indischen Unternehmen für Grundnahrungsmittel zusammengebracht. Das Unternehmen hat ein Pilotprojekt gestartet und holt derzeit die behördlichen Genehmigungen ein, bevor es diese Lösungen in größerem Umfang einführt.
Unser Engagement wurde auch bei anderen Themen positiv von den Managementteams aufgenommen, beispielsweise wenn es um die Reduzierung des Wasserverbrauchs und die Verwendung nachhaltigerer Rohstoffe geht.
Qualitätsmerkmale eines Unternehmens
Die Pandemie hat den Investoren die Gelegenheit geboten, qualitativ hochwertige Unternehmen zu identifizieren. Indem wir prüfen, ob das Management alle Stakeholder gleichbehandelt, können wir die guten Unternehmen ausfindig machen. Zu den Stakeholdern gehören nicht nur die Mehrheits-, sondern auch die Minderheitsaktionäre, die Mitarbeiter, die Steuerbehörden, die lokalen Gemeinden und die Umwelt. Unternehmen, die gezeigt haben, dass sie sich in schwierigen Zeiten proaktiv um ihre Stakeholder kümmern, haben ein gutes Zeichen gesetzt.
Wir bevorzugen Unternehmen, die Marktführer in Sektoren sind, die wenig durchdrungen sind, und großes Wachstumspotenzial aufweisen, hohe Renditen auf das eingesetzte Kapital erwirtschaften und eine starke Erfolgsbilanz bei der Gewinnung von Marktanteilen vorweisen können.“
Vinay Agarwal, Director und Portfolio Manager bei FSSA Investment Managers