Damit steht China im Rahmen seiner Sozialsysteme vor ähnlichen Problemen wie westliche Industrieländer.
„Die weltweite Alterung ist ein struktureller Trend mit potenziell dramatischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Auswirkungen, sowohl für die Staatshaushalte als auch für jeden Einzelnen“, kommentiert Dr. Wolfram Littich, Vorstandsvorsitzender der Allianz Gruppe in Österreich, die aktuellen Ergebnisse des Allianz Demographic Pulse.
China altert schneller als der Westen
Die jüngste Volkszählung weist eine chinesische Bevölkerung von rund 1,34 Milliarden Menschen aus, die deutlich altert und deren durchschnittliches Wachstum sich im letzten Jahrzehnt im Vergleich zur vorangegangenen Dekade nahezu halbiert hat. Die 1978 eingeführte Ein-Kind-Politik hatte zur Folge, dass schätzungsweise 400 Millionen Kinder weniger geboren wurden. Dies wird sich noch in diesem Jahrzehnt auf den chinesischen Arbeitsmarkt auswirken, selbst eine Lockerung oder Aufhebung der Ein-Kind-Politik könnte einen Rückgang des chinesischen Arbeitskräftepotenzials nur abmildern, aber nicht mehr verhindern. Die aktuelle Studie des Allianz Demographic Pulse sagt den Wendepunkt auf dem chinesischen Arbeitsmarkt für das Jahr 2013 voraus. Weil die Löhne steigen, beginnen chinesische Unternehmen bereits damit, arbeitsintensive Produktionen ins Landesinnere oder nach Vietnam, Bangladesch und Kambodscha zu verlagern.
Chinas Sozialsystem vor ähnlichen Problemen wie in Industrieländern
Doch auch ein weiterer Indikator rückt ins Blickfeld: der Abhängigkeitsquotient. Dieser bezeichnet das Verhältnis der wirtschaftlich abhängigen Altersgruppen (Personen unter 15 bzw. über 65 Jahren) zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter. Je niedriger die Quote, desto besser sind die Aussichten für das Wirtschaftswachstum. Während die Industriestaaten seit einigen Jahren konstant steigende Werte aufweisen, zeigte der Trend in China bislang in die gegenläufige Richtung. Die sogenannte demographische Dividende läuft jedoch aus: Spätestens 2016 wird in China ebenfalls der Wendepunkt erreicht sein. Diese Entwicklung lässt sich auch im Vergleich zwischen Österreich und China zeigen: Aktuell liegt der Abhängigkeitsquotient in Österreich bei 47,9 Prozent, in China bei 37,8 Prozent. Bis 2050 wird sich dieser Trend beschleunigen, wobei der Indikator für Österreich bei 77,6 Prozent und jener für China bei 64 Prozent liegen wird. „Die Zahlen machen eines deutlich: China wird mit Blick auf die Sozialsysteme von ähnlichen Problem betroffen sein wie die westlichen Industrieländer, allerdings einige Jahre später“, erklärt Littich.
Ursache Ein-Kind-Politik?
Wie stark China zunehmend altert, zeigt der Allianz Demographic Pulse an folgenden Zahlen: Heute kommen auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter 19 Über-60-Jährige. Bis 2050 dürften es mehr als 64 sein. Angesichts dieser dramatischen Entwicklung wird eine weitere Lockerung oder die Abschaffung der Ein-Kind-Politik gefordert. Es ist aber nicht klar, ob nur sie für fallende Geburtenraten in China verantwortlich ist, oder ob diese nicht auch als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung zu werten sind, die auch sonst in der Welt zu geringeren Geburtszahlen führt.
Geburtenraten im Sinkflug
Ein Beispiel für diesen allgemeinen Trend sind die deutlich fallenden Geburtenraten in osteuropäischen Ländern ab den neunziger Jahren, nach Zusammenbruch der Sowjetunion und Wirtschaftsreformen. In Ländern wie Thailand, der Türkei oder Tunesien, dessen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf etwa dem Chinas entspricht, sind die Geburtenraten unter den Wert gefallen, der für die Aufrechterhaltung der Bevölkerungszahl notwendig wäre, nämlich 2,1 Kinder pro Frau. In Österreich fiel die Geburtenrate schon zu Beginn der 1970er Jahre unter den Wert von 2,1 Kindern pro Frau und ist seither nahezu stetig weiter zurückgegangen. Laut Angaben der UN schwankte sie in den letzten zehn Jahren zwischen durchschnittlich 1,37 und 1,39 Kindern pro Frau. Damit hat sich die Geburtenrate in den letzten 50 Jahren mehr als halbiert: Anfang der 1960er Jahre lag sie noch bei 2,78 Kindern pro Frau.
Ausweg: Demographiestabile Sozialsysteme
Wenn die verantwortlichen Stellen in China erwägen, die Ein-Kind-Politik zu lockern, um damit die gesellschaftliche Alterung zu dämpfen, sind ihre Herausforderungen ganz ähnlich wie die von Familienpolitikern in Deutschland, Österreich oder Italien. Die Geburtenraten verharren langfristig auf einem niedrigen Niveau, und der Trend ist durch finanzielle Anreize allein kaum umzukehren – seien es in China verringerte Bußgelder bei Missachtung der Ein-Kind-Politik oder in Österreich Kindergelderhöhungen. Deshalb sei es so wichtig, dass ein demographiestabiles Sozialsystem rasch auf- und ausgebaut wird, in dem der kapitalgedeckten, privaten Vorsorge eine maßgebliche Rolle zukommt. Dazu dürfte auch gehören, dass China das Rentenalter von 60 auf 65 Jahre erhöht. Dies verlagere die demographische Wende am Arbeitsmarkt um weitere drei Jahre in die Zukunft, und der Altersquotient könne langfristig deutlich gesenkt werden. „Wenn die Weichen rechtzeitig und richtig gestellt werden, kann der Staat seine gestaltende Rolle bewahren und die Aufmerksamkeit von den Herausforderungen auf die Chancen alternder Gesellschaften verlagern“, so Littich abschließend.
Sie finden das Dokument "Allianz Demographic Pulse" per Juli 2011 als PDF-Download in unserem Info-Center!