Bei aller Stabilität: Die Geschichte des DAX ist auch eine Geschichte von Übernahmen, Fusionen, Insolvenzen und Restrukturierungen. Neun der anfänglichen DAX-Mitglieder wurden in der Zwischenzeit übernommen. Darunter sind gleich drei Banken, nämlich die Bayerische Hypobank, die Bayerische Vereinsbank – die 1998 zur Bayrischen HypoVereinsbank fusionierten – und die Dresdner Bank. Aber auch das ehemalige Schwergewicht Höchst sowie Schering und Degussa wurden anderweitig einverleibt. Die wohl prominenteste Übernahme war Mannesmann. Die beiden Versorger VEBA und VIAG wurde im Jahre 2000 zur E.ON AG fusioniert, und MAN ist vom DAX in den MDAX abgestiegen, nachdem Volkswagen 2012 die Mehrheit erworben hatte. Kaufhof schließlich wurde nach der Fusion mit Metro Cash&Carry 1996 in Metro umbenannt und ist heute ebenfalls noch im MDAX notiert. Das erste Unternehmen, das vom Kurszettel verschwand, war die Feldmühle Nobel, die 1990 in Dynamit Nobel umfirmierte und kurz danach von der heutigen Stora Enso übernommen wurde.
Zwei Gründungsmitglieder mussten hingegen Insolvenz anmelden. Die Deutsche Babcock nimmt zum einen insofern einen eher unrühmlichen ersten Platz ein, als dass der Wert 1995 wegen einer zu geringen Marktkapitalisierung als Erstes aus dem DAX absteigen musste; die Firma wurde seinerzeit ersetzt durch SAP. Zum anderen musst die Firma dann 2002 unter dem neuen Namen Babcock Borsig – nach Übernahme des Industrie- und Werftengeschäftes von Preussag – Insolvenzantrag stellen. Ähnliches widerfuhr dem Gründungsmitglied Karstadt, das 2009 unter dem neuen Namen Arcandor Insolvenz anmeldete.
Fast schon einen Restrukturierungsmarathon durchlebte die Nixdorf Computer AG, einer der damals bedeutenden europäischen Computerhersteller. 1990 von Siemens übernommen sind die handels- und bankenspezifischen Aktivitäten heute unter Wincor Nixdorf an der Börse im MDAX notiert, während die Computersparte über das Joint-Venture Fujitsu Siemens letztendlich bei Fujitsu untergekommen ist. Ähnlich erging es der Traditionsmarke Höchst AG: Sie wurde 1999 mit Rhône Poulenc zur Aventis fusioniert, die heute ein Teil von Sanofi ist. Die nicht-pharmazeutischen Aktivitäten wurden als Celanese ausgegliedert bzw. die Pflanzenschutzsparte an Bayer verkauft.
Die spannendste Übernahme war sicherlich die von Mannesmann. Im Jahr 2000 wurde der Konzern nach einer monatelangen und publikumsträchtigen Übernahmeschlacht von Vodafone gekauft. Dramaturgisch interessant war auch die Übernahme von Schering durch Bayer im Jahr 2006. Hier startete zunächst die Merck KGaA einen Übernahmeversuch der Schering AG, was Bayer als „weißen Ritter“ mit einem deutlich höheren Angebot an die Aktionäre auf den Plan rief. Merck, die inzwischen 21 Prozent an Schering erworben hatte, lenkte schließlich ein und verkaufte die Aktien an Bayer. Von der Degussa, die 2004 von RAG übernommen wurde, haben es hingegen große Bereiche wieder an die Börse geschafft. Sie notieren heute als Evonik Industries. Die Bauchemie der Degussa wurde dagegen von BASF übernommen.
Illustre Geschichte der Auf- und Absteiger
Interessant ist auch eine nähere Betrachtung der DAX Auf- und Absteiger. Was die Newcomer anbelangt, so sind SAP und Deutsche Telekom die Schwergewichte. Die Historie ihrer jeweiligen DAX-Mitgliedschaft ist dabei sehr unterschiedlich. Bei SAP lag die Erstnotierung im DAX bei etwa 10 Euro – derzeit liegt der Kurs bei etwa 58 Euro. Bei der Deutschen Telekom hingegen lag der Emissionspreis bei 14,57 Euro, zwischenzeitlich ging der Kurs durch die Decke (über 100 Euro) und heute liegt er bei 9 Euro. Weitere neue Mitglieder in der „Oberklasse“ sind die Deutsche Börse, die Deutsche Post, Adidas, Fresenius, Fresenius Medical Care, HeidelbergCement, Merck, Infineon, Beiersdorf, K+S und Lanxess.
Die kürzeste DAX-Mitgliedschaft verzeichnete Hannover Rück im Jahr 2009: sechs Monate. Continental hingegen hält den Rekord hinsichtlich der häufigsten Auf- und Abstiege. 1988 zunächst Gründungsmitglied im DAX wanderte das Unternehmen 1996 in den MDAX. Im Jahre 2003 gelang der Wiederaufstieg, gefolgt 2008 von einer erneuten Redelegation und dem erneuten Wiederaufstieg im September 2012. Das älteste DAX-Unternehmen ist die Merck KGaA, deren Wurzeln bis ins Jahr 1668 zurückreichen. Damit ist Merck auch das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen weltweit. Zuvor hatte den Titel des ältesten deutschen DAX-Unternehmens MAN inne, deren Gründung immerhin auf das Jahr 1758 datiert.
Die Sektoren – Schwergewichte verlieren an Gewicht
Bei einer sektoralen Betrachtung des DAX zeigt sich, dass die 1988 größten Sektoren zulasten anderer und neuer Branchen an Gewicht verloren haben. Dabei führen aber auch größere Umwälzungen in den Unternehmen selbst zu einer Umgruppierung. So führte etwa die Neuausrichtung von Bayer, die sich von Chemiegeschäften trennte und im Pharmabereich zukaufte, zu einer Neueinordnung in den Pharmasektor. Henkel hingegen wanderte vom Chemie- in den Konsumgütersektor.
1988 waren Banken und Versicherungen sowie Chemie die größten Sektoren mit einem Anteil von jeweils etwa 25 Prozent am DAX. Der Finanzsektor verlor im Verlauf der Zeit zwar durch Übernahmeaktivitäten und unterdurchschnittliche Performance an Gewicht. Dennoch stellt er mit fast 18 Prozent nach wie vor die größte Position dar. Der Sektor Chemie verlor ebenfalls, von 25 auf 14 Prozent. Dies lag einerseits daran, dass Henkel und Bayer nun anderen Sektoren angehören, anderseits ist dies auch auf die vielen Übernahmen zurückzuführen: Man denke etwa an Degussa-Hüls, Höchst und Schering. Der Automobilsektor (inkl. Zulieferer) büßte vor allem aufgrund der schwachen Kursentwicklung von Daimler an Gewicht ein und verlor vier Prozentpunkte auf 15 Prozent.
Auf der Gewinnerseite stehen dagegen Pharma und Technologie. Der Pharmasektor gewann vor allem durch die Umgruppierung von Bayer, aber auch durch die neuen Mitglieder Fresenius, Fresenius Medical Care und Merck. Und das Gewicht des Technologiesektors wurde durch die Aufnahme des Weltmarktführers SAP und deren starker Kursperformance gesteigert.
Anstieg der Umsätze außerhalb Europas
Während Mitte der 1990er Jahre noch 78 Prozent der Umsätze der DAX Gründungsunternehmen aus Europa kamen, waren es 2012 nur noch 52 Prozent. Diese Entwicklung ist insbesondere auf einen Anstieg des Absatzes in Asien zurückzuführen, der sich in den vergangenen 20 Jahren von 3 auf 14 Prozent mauserte. Gleichzeitig erhöhten sich auch die Umsätze in Amerika, von 16 auf 22 Prozent.
1994 waren Bayer, Schering und Höchst die Unternehmen mit dem am stärksten globalisierten Geschäft. 40 Prozent ihrer Umsätze kamen aus Regionen außerhalb Europas, vor allem aus den USA. Auch bei BASF, MAN, Daimler und BMW waren es damals schon rund 30 Prozent. Heutzutage ist die Gruppe an Unternehmen mit hohen Umsätzen außerhalb Europas deutlich größer. Hierzu zählen Adidas, Bayer, Daimler, Fresenius Medical Care, Fresenius, Infineon, K+S, Linde, VW und Lanxess. Dabei spielt der Absatzmarkt USA vor allem bei Fresenius Medical Care, Linde und den Autobauern eine große Rolle. Asien dagegen hat einen hohen Anteil bei Adidas, Linde, VW und Lanxess und trägt bei diesen Unternehmen stark zum Wachstum bei.
Trotz geringerer Absatzanteile sind die Schwellenländer aber auch bei vielen anderen DAX-Unternehmen eine wichtige Triebfeder des Wachstums. So wuchs etwa SAP über die letzten drei Jahren in China jährlich um knapp 30 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei Henkel zu beobachten: Während der Umsatz im 1. Quartal 2013 in den entwickelten Märkten gegenüber Vorjahr um 1,5 Prozent fiel, wuchs er in den Schwellenländern um 8,2 Prozent.
Fazit: Veränderungen im DAX auf die Globalisierung zurückzuführen
Die Umsatzzahlen machen deutlich: Die größten Veränderungen innerhalb des DAX sind wohl auf die Globalisierung zurückzuführen. Die damit zusammenhängenden Anpassungen formten nicht nur die Einzeltitel, sondern auch die Sektoren. Die 16 Dauer-Mitglieder, die 1988 einen Anteil von 75 Prozent am DAX hatten, machen heute zwar immer noch 70 Prozent des Index aus – was sicherlich den Erfolg der deutschen Flaggschiff-Unternehmen über die letzten 25 Jahre widerspiegelt. Gleichzeitig hat sich aber ihre relative Positionierung im DAX durchaus geändert. Für Anleger unterstreicht dies die Bedeutung des Stockpicking: Es kommt darauf an, die richtigen Unternehmen im Portfolio zu haben.
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