„Die Sparer erleben weiterhin extrem herausfordernde Zeiten. Niedrige Zinsen begrenzen in vielen Ländern die Vermögenserträge und erschweren den langfristigen Vermögensaufbau“, kommentiert Dr. Wolfram Littich, Vorstandsvorsitzender der Allianz Gruppe in Österreich, die Ergebnisse des aktuellen Allianz Global Wealth Report.
Weltweit: Aktienboom beflügelt Vermögenswachstum
In der vierten Ausgabe des Vermögensreports haben Allianz Experten die Vermögens- und Schuldenlage der privaten Haushalte in über 50 Ländern analysiert. Demnach erzielte das globale Brutto-Geldvermögen der privaten Haushalte 2012 eine Zuwachsrate von 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies ist das stärkste Wachstum seit sechs Jahren und liegt auch deutlich über dem langfristigen, wechselkursbereinigten Durchschnitt (2001 bis 2012) von 4,6 Prozent pro Jahr. Wachstumstreiber war im letzten Jahr die gute Entwicklung an den Aktienmärkten: Das in Form von Wertpapieren gehaltene Vermögen erzielte ein Plus von 10,4 Prozent. Rund um den Globus summierte sich das Finanzvermögen damit auf ein neues Rekordniveau von 111 Billionen Euro.
Nettogeldvermögen: Österreich auf Platz 16, knapp vor Deutschland
Im globalen Vergleich büßte Österreich mit einem durchschnittlichen Netto-Geldvermögen pro Kopf von 41.980 Euro im Vergleich zum Vorjahr einen Platz ein – aktuell liegt es auf Platz 16 der Rangliste der reichsten Länder, einen Platz vor Deutschland (41.950 Euro pro Kopf). Diese Liste wird seit Jahren mit großem Abstand von der Schweiz mit 141.895 Euro angeführt; auf den Plätzen zwei bis fünf folgen die USA, Japan, Belgien und die Niederlande. In Österreich wies der Vermögensbestand im vergangenen Jahr ein vergleichsweise moderates Wachstum auf. Das Brutto-Geldvermögen legte um 3,6 Prozent zu, das Netto-Geldvermögen um 5,1 Prozent. Verglichen mit den anderen westeuropäischen Ländern befindet sich Österreich damit im unteren Drittel. Auf längere Sicht hingegen stellt sich die österreichische Entwicklung in einem besseren Licht dar: Das Netto-Geldvermögen stieg von 2001 bis 2012 um durchschnittlich 4,7 Prozent pro Jahr an, innerhalb Westeuropas erzielten lediglich zwei Länder, Dänemark (+6,6 Prozent) und Schweden (+5,4 Prozent) noch höhere durchschnittliche Zuwachsraten.
Österreichs private Haushalte mit geringster Schuldenstandsquote Westeuropas
Die Sparer zeigen seit der Finanzkrise 2007/08 eine größere Schuldendisziplin. Die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) ging um einen weiteren Prozentpunkt auf 65,9 Prozent zurück; 2009 hatte sie noch bei 71,6 Prozent gelegen, gleichzeitig blieb 2012 auch im vierten Jahr nach Lehman das Schuldenwachstum mit 2,9 Prozent verhalten.
Wenn es um einen niedrigen Verschuldungsgrad geht, sind Herr und Frau Österreicher Vorbild in Westeuropa: In keinem anderen Land der Region war die Schuldenstandsquote so niedrig wie hierzulande, wo die Verbindlichkeiten, gemessen in Prozent der Wirtschaftsleistung, im Laufe des vergangenen Jahres um 1,3 Prozentpunkte auf 54,5 Prozent gesunken sind. Mit durchschnittlich 19.920 Euro befand sich auch die Pro-Kopf-Verschuldung 20 Prozent unter dem regionalen Mittelwert von 24.910 Euro. Platz zwei nehmen private Haushalte aus Belgien (56,5 Prozent) ein, auf den Plätzen drei und vier folgen die Deutschen (59,2 Prozent) und die Italiener (59,4 Prozent). „So manche Regierung könnte sich an Herrn und Frau Österreicher ein Beispiel nehmen“, erklärt Littich. Den höchsten privaten Schuldenstand haben die Dänen (148,5 Prozent).
Vermögensschere in der Eurozone geht auf
Die positive Entwicklung im vergangenen Jahr kann die tiefen Risse in den privaten Vermögensbilanzen im Euroraum jedoch nicht überdecken. Die Vermögensschere geht immer weiter auf. Das durchschnittliche Netto-Geldvermögen in Griechenland liegt inzwischen bei nur noch 28 Prozent des Euroraum-Durchschnitts, vor der Krise lag dieser Wert noch deutlich über 50 Prozent. In Spanien ist er von 61 Prozent auf 44 Prozent im vergangenen Jahr gefallen. „Die wachsenden Vermögensunterschiede im Euroraum sind beunruhigend“, erklärt Prof. Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz. „Die Fliehkräfte der Krise können auf Dauer den Zusammenhalt in Europa untergraben. Europa muss schnellstens einen Ausweg aus der jetzigen Situation finden und allen Europäern wieder eine Perspektive für Wachstum und Wohlstand geben.“
Ausblick: Globaler Mittelstand wächst rasant
Wie in den Vorjahren teilt der „Allianz Global Wealth Report“ die Vermögensbesitzer in drei globale Vermögensklassen auf. Die globale Vermögensmittelklasse („middle wealth“) umfasst dabei alle Personen mit einem Vermögen zwischen 4.900 und 29.200 Euro. Als „low wealth“ gelten alle Personen, deren Netto-Geldvermögen unter der Schwelle von 4.900 Euro liegt, während als „high wealth“ diejenigen mit einem Netto-Geldvermögen von über 29.200 Euro bezeichnet werden. Während in den etablierten Industrieländern als Folge der Krise die „low wealth“-Klasse wuchs, verlief die Entwicklung in den ärmeren Ländern erfreulicher: Hier stieg in erster Linie die Zahl der Mitglieder der globalen Vermögensmittelklasse. Allein im vergangenen Jahr wuchs sie um annähernd 140 Millionen Menschen, wobei der Löwenanteil dieses Zuwachses auf China zurückgeht. Damit lebten 2012 insgesamt rund 860 Millionen Menschen mit mittlerem Netto-Geldvermögen in den untersuchten Ländern. Die Dynamik, mit der sich die globale Mittelschicht entwickelt, war dabei nicht nur im letzten Jahr bemerkenswert. Seit dem Jahrtausendbeginn hat sich die Bevölkerung, die im globalen Maßstab über ein mittleres Vermögen verfügt, in Osteuropa und Lateinamerika verdoppelt, in Asien (ex Japan) sogar beinahe verzehnfacht. Das Gesicht der globalen Vermögensmittelklasse hat sich dadurch grundlegend gewandelt: Im Jahr 2000 kamen deren Mitglieder noch zu knapp 60 Prozent aus Nordamerika oder Westeuropa. Heute ist dagegen jeder Zweite Asiate, Tendenz weiter steigend. Der Anteil Nordamerikas und Westeuropas ist auf unter 30 Prozent gefallen.
Es gibt jedoch auch einen Wermutstropfen in dieser Wachstumsstory, der vor allem Osteuropa betrifft: Noch rasanter als die Vermögen sind die privaten Verbindlichkeiten gestiegen. Innerhalb der letzten zwölf Jahre erhöhten die osteuropäischen Haushalte ihre Verbindlichkeiten um durchschnittlich 25,4 Prozent pro Jahr. Neben dem Vermögenswachstum verlangsamte sich in der Region allerdings auch das Schuldenwachstum seit Ausbruch der Finanzkrise. In den anderen aufstrebenden Regionen, Lateinamerika und Asien (ohne Japan), ist dieses Phänomen nicht zu beobachten. Die Privathaushalte Lateinamerikas hielten das Durchschnittswachstum ihrer Schulden in den Jahren vor bzw. nach 2007 konstant bei rund 17 Prozent; in Asien (ohne Japan) erhöhte sich die durchschnittliche jährliche Zuwachsrate sogar von 12,3 Prozent im Zeitraum von 2003 bis 2007 auf 15,8 Prozent von 2008 bis 2012. „Auch wenn die privaten Verbindlichkeiten in den meisten dieser Länder noch auf einem niedrigen Niveau sind, muss diese Schuldendynamik genau beobachtet werden. Die Länder sollten nicht die Fehler der Europäer und Amerikaner wiederholen: Schuldengetriebenes Wachstum ist nie nachhaltig“, so Heise abschließend.