China und das Sommerloch

Stefan Scheurer, Vice President, Global Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors, beschäftigt sich in seinem wöchentlichen Kommentar unter anderem mit den Hintergründen und Auswirkungen des neuen chinesischen „Währungsregimes“. Allianz Global Investors | 21.08.2015 10:25 Uhr
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Stefan Scheurer, Vice President, Global Capital Markets & Thematic Research, Allianz Global Investors
Stefan Scheurer, Vice President, Global Capital Markets & Thematic Research, Allianz Global Investors
Mitten im Sommerloch verhalf die chinesische Notenbank (PBoC) der heimischen Währung Renminbi (RMB) am 11. August 2015 zu ihrer höchsten Währungsabwertung gegenüber dem US-Dollar an einem Tag seit 1994. In der Zwischenzeit hat sich die Volatilität des RMB-Wechselkurses etwas gelegt und Marktteilnehmer konnten sich auf das neue chinesische „Währungsregime“ einstellen und entsprechend positionieren. Doch trotz der Postulierung, den Wechselkurs stärker an den Marktkräften orientieren zu wollen und höhere Währungsschwankungen zuzulassen, intervenierte die PBoC zuletzt erneut, um größere Kapitalabflüsse im Zuge der Währungs-abwertung zu vermeiden. Letztere konnten trotz dieser Maßnahme im großen Stil beobachtet werden, auch wenn die Notenbank versucht hat, über wöchentliche Auktionen die Liquidität im Markt zu erhöhen – 150 Mrd. RMB oder ca. 23 Mrd. USD wurden netto zur Verfügung gestellt, soviel wie seit Februar 2015 nicht mehr.


Die Auswirkung der RMB-Währungsabwertung gegenüber dem US-Dollar spürten zuletzt auch andere Währungen der asiatischen Schwellenländer. Neben der indonesischen Rupiah und dem koreanischen Won, vor allem der malaysische Ringgit (siehe Grafik der Woche). Vietnam beispielsweise wertete die lokale Währung zum dritten Mal in diesem Jahr ab (u.a. durch die Ausweitung der Handelsspanne). Und eine Erweiterung der Handelsspanne könnte auch in China der nächste logische Schritt in Richtung einer höheren Währungsflexibilität sein.

Die derzeitige Konjunkturschwäche in den Schwellenländern, insbesondere jene in China, drückt weiterhin auf die Rohstoffpreise. So fiel der Ölpreis der Sorte WTI im Monat August um fast 15% (nach mehr als 20% im Juli) und erreichte damit zwischenzeitlich ein neues 6 ½ Jahres-Tief, während die Preise für Aluminium und Kupfer seit Anfang des Jahres um 15% bzw. über 20% zurückgingen. Im Zusammenhang mit den gesunkenen Rohstoffpreisen und den dadurch reduzierten Inflationserwartungen sowie ein „dovish“ interpretiertes FOMC Meeting Protokoll preisen Optionskontrakte, wie z.B. die Fed Funds Futures, nur noch eine Wahrscheinlichkeit von 34% für einen US-Zinsanstieg im September 2015 ein.

Die US-Märkte – entgegen den europäischen Märkten – zeigten sich von der aktuellen Entwicklung in den Emerging Markets respektive in China recht unbeeindruckt. Unterstützt von soliden US-Immobilienmarktdaten – der NAHB-Index erreichte das höchste Niveau seit November 2005 bzw. die Zahl der begonnenen Neubauten stiegen auf den höchsten Stand seit Oktober 2007 – konnte selbst der Empire Manufacturing Index, der auf den tiefsten Stand seit 2009 fiel, die positive Grundstimmung nicht trüben.

Mit Blick auf die kommende Kalenderwoche dürften vor allem folgende Makrodaten von Interesse sein: In den USA könnten die Immobilienmarktdaten in der kommenden Woche (Di und Do) an die positive Entwicklung des US-Immobilienmarktes anknüpfen. Nicht nur diese, sondern auch der sich stetig verbessernde Arbeitsmarkt, dürfte sich positiv auf das Verbrauchervertrauen (Di) auswirken. Ein weiteres Augenmerk dürfte auf den Auftragseingängen langlebiger Wirtschaftsgüter (Mi) liegen.

Im Euroraum stechen vor allem die anstehenden Konjunkturdaten aus Deutschland hervor. Nicht nur der ifo-Konjunkturklimaindex (Di) dürfte erste Anzeichen der Wachstumsabschwächung in den Schwellenländern liefern – insbesondere mit Blick auf die Erwartungskomponente –, sondern auch die deutschen Handelsdaten (Di) könnten das nachlassende Konjunkturmomentum widerspiegeln. So scheint sich der Fokus verstärkt auf den deutschen Binnenmarkt als soliden Wachstumsanker zu richten, wobei die Einzelhandelsumsätze (Do) von einem robusten Arbeits-markt und den anhaltend niedrigen Verbraucherpreisen (Fr) gestützt werden sollten. In UK dürfte das vorläufige Q2-Brutto-inlandsprodukt (Fr) mit Argusaugen beobachtet werden, sollte es doch weitere Indizien – nach den überraschend positiven Inflationszahlen – über den geldpolitischen Kurs der Bank of England liefern.

In China dürften den „Gewinnen“ der Industrieunternehmen (Fr) besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, nachdem sich die Produzentenpreise seit über 40 Monaten rückläufig entwickeln und sich die Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen zuletzt deutlich verschlechtert hat.

Technisch zeigen sich die Märkte unausgewogen. Während die Relative-Stärke-Indizes kurzfristig weder ein überkauftes noch ein überverkauften Marktbild zeichnen, wurden die Put-Optionen leicht ausgebaut und der Anteil der Bullen im Markt fiel gemäß der American Association of Individual Investors auf den niedrigsten Stand seit März 2009. Jedoch kann bei anhaltend niedrigem Volumen die Volatilität schnell wieder ansteigen. Das viel zitierte „Sommerloch“ könnte somit schnell zu Ende kommen und einen womöglich heißen Herbst an den internationalen Kapitalmärkten einläuten.

Stefan Scheurer, Vice President, Global Capital Markets & Thematic Research, Allianz Global Investors

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