Über die weltweiten Finanzmärkte fegt ein spätsommerliches Gewitter in Form von Kursverlusten und höherer Schwankungsintensität hinweg. Insbesondere der Dreiklang „Schwellenländer/Rohstoffe/Inflation“ scheint der kurzweiligen Urlaubsstimmung im Zuge der Einigung auf ein drittes Rettungspaket für Griechenland einen Dämpfer zu verpassen.
1. Ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit wird gegenwärtig der wirtschaftlichen Schwächephase in einer Reihe von Emerging Markets zuteil. Allen voran China, wo sich die Regierung mit wirtschaftspolitischen Interventionen den massiven Kapitalabflüssen und Verwerfungen am inländischen Aktienmarkt entgegenzustemmen versucht. Dabei präsentiert sich die Weltkonjunktur seit geraumer Zeit als geografisch unausgewogen. Denn obwohl sich der grundsätzliche Aufholprozess der Schwellenländer fortsetzt, hat sich ihr Wachstumsvorsprung gegenüber den Industrieländern eingeengt. Das eingebüßte Wachstumstempo ist dabei in vielen aufstrebenden Volkswirtschaften weniger auf zyklische, sondern vor allem auf „hausgemachte“ strukturelle Ursachen zurückzuführen, zum Beispiel eine steigende Verschuldung des Privatsektors und ein Wandel von export- hin zu konsumgetriebenem Wachstum. Länder wie Brasilien und Russland leiden darüber hinaus unter dem kräftigen Abwärtsdruck an den Rohstoffmärkten. Im Umkehrschluss gilt: Wie rasch die Emerging Markets auf einen höheren Wachstumspfad zurückkehren, hängt maßgeblich von deren Reformfreude ab. Kurzfristig befinden sich die Schwellenländer in einem Dilemma: Einerseits wären Zinssenkungen notwendig, um der schwächelnden Konjunktur einen Impuls zu geben. Allerdings würden diese vermutlich mit weiteren Kapitalabflüssen einhergehen.
2. Besonders deutlich werden die in den Mittelpunkt gerückten Bedenken rund um die Emerging Markets an den Rohstoffmärkten eingepreist. Nachdem der bereits im Sommer 2014 einsetzende Ölpreisverfall vornehmlich durch ein strukturelles globales Überangebot ausgelöst wurde, scheinen aus Sicht der Marktteilnehmer inzwischen auch gleichsam schwächere Nachfrageperspektiven eine Rolle zu spielen. Es ist schon paradox: Einerseits müsste der erneute Ölpreisrückgang für netto-ölimportierende Regionen, beispielsweise China, Indien, der Euroraum und die USA, wie ein Konjunkturprogramm wirken. Andererseits gehen von den mit ihm verbundenen Sorgen um die Weltwirtschaft Bremseffekte aus.
3. Fallende Rohstoffpreise, und damit verbunden fallende Inflationserwartungen, sprechen für eine fortgesetzt nur gedämpfte Inflationsentwicklung in den Industrieländern –und für eine weiterhin ultra-lockere Geldpolitik in den G4-Staaten. So scheint innerhalb der US-Notenbank Fed noch Uneinigkeit über eine erste Leitzinserhöhung am 16./17. September 2015 vorzuherrschen – bei der es sich wohlgemerkt lediglich um den Einstieg in eine graduelle geldpolitische Normalisierung handelt.
Fazit: Die aufkommenden Gegenwinde für risikoreichere Anlageklassen sind nun verstärkt in den Blickpunkt der Märkte gerückt. Mit temporären Rücksetzern bzw. einer erhöhten Schwankungsintensität ist daher nach wie vor zu rechnen. Solange sich aber die wirtschaftlichen Perspektiven nicht nachhaltig verschlechtern, dürfte es sich trotz Kurskorrektur nicht um den Anfang einer Baisse handeln. In einem möglicherweise gewittrigen Börsenherbst gilt es jedoch umso mehr, sich warm einzupacken und auf vielschichtige Lagen zu setzen, d. h. breit über alle Anlageklassen zu streuen.
Ann-Katrin Petersen, Assistant Vice President Global Capital Markets & Thematic Research, Allianz Global Investors