„Brexit“-Szenario: UK-Aktienmärkte mit Kursverlusten, schwächeres Wachstum
Die Wahrscheinlichkeit eines „Brexit“ wird aktuell von Investmentbanken weltweit mit durchschnittlich 35 Prozent deutlich geringer eingeschätzt als ein Verbleib Großbritanniens in der EU (65 Prozent). Derzeitige Meinungsumfragen zeigen ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“, Wettbüros in Großbritannien sind optimistisch, dass ein „Brexit“ nicht eintritt. Sollte es tatsächlich zu einem „Brexit“ kommen, erwartet die Allianz Invest langwierige und zähe Verhandlungen auf politischer Ebene. Innerhalb Großbritanniens wäre in diesem Szenario – neben zahlreichen anzunehmenden politischen Veränderungen (beispielsweise Rücktritt Camerons) – seitens der Bank of England eine vergleichsweise expansivere Geldpolitik möglich, was zu niedrigeren Zinsen und fallenden Anleiherenditen führen würde. Geringere Investitionen und Konsumausgaben wären ein Dämpfer für das Wachstum in Großbritannien, langfristig würden Inflationsrisiken steigen. Am britischen Aktienmarkt käme es kurzfristig wohl zu fallenden Kursen, mittelfristig sollten Aktien auf die Schwäche des britischen Pfund positiv reagieren, da die Großkonzerne stärker an der globalen Wirtschaft hängen und deren Gewinne zuletzt unter der Pfund-Stärke gelitten haben.
„Brexit“-Szenario: Potenzielle Ansteckungsgefahr für EU
Im Hinblick auf die Ansteckungsgefahr innerhalb der EU ist durch einen „Brexit“ auch in anderen europäischen Staaten mit einem Erstarken von regionalen politischen Bewegungen zu rechnen. Ein „Brexit“ würde die EU-Gegner stärken, was zu einer Spread-Ausweitung in der Peripherie führen könnte. In diesem Fall könnte sich die EZB dazu verleitet fühlen, weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen anzugehen. Auf der Währungsseite würde der Euro gegenüber dem britischen Pfund zulegen, gegenüber dem US-Dollar fallen. Auf der Aktienseite könnten Euroland-Aktien unter der Verunsicherung leiden, speziell, wenn die Allokation globaler Investoren reduziert wird. „Ob Großbritannien in der EU bleibt, entscheidet der Wähler“, erklärt Mag. Christian Ramberger, Geschäftsführer der Allianz Invest KAG. „Die derzeitigen Indikatoren und Geldflüsse lassen keine klaren Rückschlüsse zu, wie das Risiko aktuell an den Märkten eingepreist ist: Aktien-Fondsmanager sind schon lange in Aktien des Vereinigten Königreichs untergewichtet.“ Das „Brexit“-Risiko manifestiere sich bisher vor allem in der Währung: Nach der längerfristigen Aufwertung des britischen Pfunds in Relation zum Euro zeigt sich seit Jahresende eine starke Trendwende.
Volkswirtschaftlicher Ausblick für das zweite Quartal
Wirft man einen Blick auf die volkswirtschaftlichen Prognosen für das zweite Quartal, so zeigen sich global unterschiedliche Entwicklungen: Die US-Wirtschaft hat sich bis zuletzt recht robust entwickelt. Auch das Wachstum in der Eurozone verläuft solide – die chinesischen Konjunkturdaten allerdings haben bis zuletzt enttäuscht. „Der Inflationsdruck in den USA nimmt merklich zu, besonders in der Kerninflation zeigt der Trend – vor allem durch den engen Arbeitsmarkt – nach oben. In der Eurozone hingegen ist man weiter weit von den Inflationszielen entfernt“, erklärt Ramberger. Ende 2015 ist in den USA die Zinswende erfolgt, aufgrund der revidierten Wachstumsaussichten und Turbulenzen an den Finanzmärkten zeigt sich die Fed vorerst bezüglich weiterer Zinserhöhungen zurückhaltend. Ebenso bleibt die Geldpolitik auf globaler Ebene – auch ohne weitere Maßnahmen von EZB und Bank of Japan – noch sehr expansiv.
Chancen für Anleger: Vorsichtige, neutrale Gewichtung
„Generell ist die Risikoaversion und damit einhergehend die Volatilität an den Märkten deutlich gestiegen. Im derzeitigen Umfeld raten wir den Anlegern daher dazu, Aktien und Anleihen neutral zu halten“, erklärte Bruckner die Anlagestrategie der Allianz für das kommende Quartal. Auf der Aktienseite empfiehlt die Allianz, USA und Europa sowie Japan und die Emerging Markets neutral zu gewichten. US-Aktien sind derzeit relativ teuer, der schwächere US-Dollar unterstützt die Gewinnaussichten von global ausgerichteten Unternehmen. Für Europa sprechen Wirtschaftserholung und expansive Geldpolitik der EZB. Der Gewinntrend hat sich aber weiter eingetrübt. Die Bewertungen erscheinen speziell im Vergleich zu Anleihen nach wie vor attraktiv. Die Gewinnaussichten der exportorientierten japanischen Unternehmen sind deutlich geringer als bisher erwartet, das Bewertungsniveau erscheint günstig. Im Emerging Markets-Bereich haben Investoren damit begonnen, ihre Untergewichte abzubauen. Auf der Anleihenseite empfiehlt die Allianz, Unternehmensanleihen überzugewichten, Staatsanleihen aus Europa und den Emerging Markets neutral zu halten und jene aus den USA unterzugewichten. Durch den Spread-Anstieg der letzten Monate sind Unternehmensanleihen wieder attraktiver geworden. Durch das weiterhin niedrige Wirtschaftswachstum, die niedrigen Inflationsraten und das Kaufprogramm der EZB bleiben Staatsanleihen aus Europa gut unterstützt. Bei den Emerging Markets-Anleihen konnte seit Jahresbeginn eine starke Entwicklung verzeichnet werden.