Die Parlamentswahlen in Italien am 4. März sind wahrscheinlich das bedeutendste politische Ereignis im Euroraum im laufenden Jahr. Gleichzeitig werden die Wähler neue Regierungen in den Regionen Lombardei und Latium wählen – auf die zusammen 1/3 der italienischen Wirtschaftsleistung entfallen.
Neues Wahlrecht begünstigt Koalitionen aus etablierten Parteien
Dies ist die erste Wahl unter dem im Oktober 2017 verabschiedeten neuen italienischen Wahlrecht. Es begünstigt die etablierten politischen Kräften, die willens und in der Lage sind, stärkere Koalitionen zu bilden – etwa Mitte-Links- bzw. Mitte-Rechts-Allianzen. Dies geht zulasten der 5-Sterne-Bewegung (M5S) und anderer gegen das Establishment gerichtete Parteien, die nicht zur Zusammenarbeit mit anderen bereit sind. Nach den jüngsten Umfragen scheint jedoch keine der genannten Koalitionen den erforderlichen Anteil von 40 % der Stimmen zu erreichen, um die Mehrheit im Parlament zu erlangen und eine Regierung bilden zu können:
- Die derzeitige Mitte-Links-Koalition hat stetig an Zustimmung bei den Wählern verloren.
- Die M5S erhält wahrscheinlich die meisten Stimmen, dürfte aber nicht imstande sein, eine Regierung zu bilden.
- Den jüngsten Trends zufolge dürfte die Mitte-Links-Koalition stärker unter Stimmenthaltungen leiden als ein Mitte-Rechts-Bündnis. Wenn es dabei bleibt, könnte eine Mitte-Rechts-Koalition die Mehrheit im Parlament erhalten.
Vier Szenarien
Auch wenn Wahlumfragen keine sonderlich zuverlässigen Prognoseinstrumente darstellen, skizzieren wir nachfolgend vier mögliche Szenarien für den Wahlausgang in Italien.
- Am unwahrscheinlichsten: die von den Märkten bevorzugte Mitte-Links-Koalition
Es bestehen nur geringe Chancen, dass die derzeitige regierende Mitte-Links-Koalition unter der Führung von Premierminister Paolo Gentiloni die Wahlen unbeschadet übersteht. Die Märkte würden eine Fortsetzung dieser Koalition bevorzugen, da sie in fiskalpolitischer Hinsicht als relativ diszipliniert gilt. Mit einem besorgniserregenden Wert von über 130 % des BIP ist die Staatsverschuldung Italiens nach der Griechenlands die höchste im Euroraum. - Zunehmend möglich: Mitte-Rechts-Koalition als eindeutiger Gewinner
Sollte es bei den Wahlen einen eindeutigen Sieger geben, dann dürfte dies eine Mitte-Rechts-Koalition sein. Dies wäre aus Sicht der Märkte ein etwas weniger günstiges – wenngleich nicht allzu negatives – Ergebnis. In diesem Szenario wäre der neue Premierminister wahrscheinlich eine moderat ausgerichtete, der Europäischen Union wohlgesonnene Person – wahrscheinlich ähnlich wie Paolo Gentiloni. Einer der in Frage kommenden Kandidaten ist Antonio Tajani, der aktuelle Präsident des EU-Parlaments. - Am wahrscheinlichsten: Bildung einer Koalition aus Demokratischer Partei und Mitte-Rechts-Bündnis
Der wahrscheinlichste Wahlausgang ist, dass es keinen eindeutigen Sieger gibt. In diesem Fall rechnen wir mit der Bildung einer Regierungskoalition unter Beteiligung der Demokratischen Partei und Teilen des Mitte-Rechts-Bündnisses. Bis die Parteien sich einigen, würde Premierminister Gentiloni im Amt bleiben. Sollten sich die Koalitionsverhandlungen in die Länge ziehen, könnte sich dies an den Märkten negativ bemerkbar machen. Wir gehen aber nicht davon aus, dass es zu einem größeren Ausverkauf kommt, da sich die Konjunktur in Italien weiter verbessert. - Extremrisiko: Außenseiterparteien bilden eine Koalition
Nicht ganz auszuschließen ist, dass die nicht zu den etablierten Kräften zählenden Parteien – M5S, Lega Nord und die Extreme Linke – eine Koalition bilden. Allerdings scheinen die politischen Grundüberzeugungen dieser drei Parteien unvereinbar. Lediglich M5S und die Extreme Linke besitzen gemeinsame ideologische Vorstellungen und könnten sich verbünden. Ihre wirtschaftlichen und politischen Vorhaben würden aber von den Märkten eindeutig abgelehnt. Das Szenario ist zum Glück sehr unwahrscheinlich.
Konsequenzen für Anleger
Wenn rasch eine Mitte-Rechts-Koalition unter Beteiligung der Demokratischen Partei zustande kommt, könnten die Renditeaufschläge italienischer Staatsanleihen deutlich zurückgehen, da dann das Vertrauen der Anleger steigen wird . Die Märkte warten zunehmend darauf, dass sich in den Ländern der Euroland-Peripherie eine zyklische Erholung abzeichnet, die eine positive Neueinschätzung der Bonität erlaubt. In Portugal und in Spanien ist das bereits geschehen, nun könnte dies auch in Italien passieren.
Führen die Wahlen zu einer Mitte-Rechts-Koalition – was für uns nicht das wahrscheinlichste Szenario ist – könnte dies unterschiedliche Reaktionen an den Märkten bewirken. Zwar würden wir in diesem Fall zunächst keinen Anstieg des Renditeaufschlags italienischer Staatsanleihen gegenüber deutschen Bundesanleihen erwarten. Vielmehr müsste aus Sicht der Marktteilnehmer erst das wirtschaftliche Programm der neuen Regierung absehbar sein. Jedoch sind gravierende Reaktionen für den Fall möglich, dass das Mitte-Rechts-Bündnis seine bisherigen Vorschläge umsetzen würde: eine Senkung der Unternehmenssteuern, eine Anhebung der Mindestrente und eine Einkommensteuer mit einheitlichen Prozentsatz (Flat Tax). Alle diese Maßnahmen würden die Staatsverschuldung Italiens weiter steigen lassen.
Unterm Strich lässt sich festhalten, dass italienische Staatsanleihen derzeit relativ teuer sind. Anfang Februar betrug ihr Renditeaufschlag gegenüber deutschen Bundesanleihen lediglich 127 Basispunkte. Im Vorfeld der Wahlen könnten die Marktteilnehmer zunehmend nervös werden und die Risikoprämie wieder auf ein Niveau von 145 bis 150 Basispunkte oder sogar darüber steigen lassen. Geht aus den Wahlen kein eindeutiger Sieger hervor, könnte es zu einer Spread-Ausweitung kommen, wenn sich die Demokratische Partei und die Forza Italia verbünden. Unterdessen würde ein Auseinanderbrechen der Mitte-Rechts-Koalition die Lega Nord dazu veranlassen, ihre bislang gemäßigte Anti-Euro-Rhetorik wieder zu verschärfen. Doch selbst wenn die Risikoaufschläge im Umfeld der Wahlen steigen sollten, bietet der italienische Markt aus unserer Sicht nach wie vor attraktive Anlagemöglichkeiten, sofern die extremen Parteien nicht den Sieg davontragen.
Mauro Vittorangeli, CIO Conviction Fixed Income, AllianzGI