"Von der Sitzung am 16. Juli 2020 erwarten wir keine neuen geldpolitischen Maßnahmen. Insgesamt dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) mit den Ergebnissen ihres seit März umgesetzten Maßnahmenpakets zufrieden sein. Die finanziellen Bedingungen in der Eurozone haben sich deutlich verbessert und die Konjunkturerholung ist kräftiger als erwartet: Die Einkaufsmanagerindizes für die Industrie und den Dienstleistungssektor in der Eurozone lagen im Juni mit 47,4 bzw. 48,3 jeweils wieder nahe des wichtigen Wertes von 50, der die Schwelle von Kontraktion zu Expansion darstellt (Mai: 39,4 bzw. 30,5). Darüber hinaus betrug die Wachstumsrate des weit gefassten Geldmengenaggregats M3 im Mai 8,9 Prozent gegenüber Vorjahr, nach 8,2 Prozent im April. Zusammen mit der Einengung der Risikoaufschläge an den Anleihemärkten bestätigt dies die Wirksamkeit und reibungslose Transmission der Geldpolitik.
Damit stellt sich die allgemeine Lage ruhiger dar als bei der letzten Tagung im Juni. Die EZB dürfte jedoch erneut ihre Wachsamkeit und Bereitschaft bekräftigen, notfalls erneut zu agieren. Das wirtschaftliche Umfeld ist nach wie vor von großen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie geprägt, was Zweifel am Wachstumspfad in der Eurozone und weltweit aufkommen lässt. Darüber hinaus bleiben die Inflationsentwicklung und die Inflationsaussichten extrem niedrig: Die Teuerungsrate in der Eurozone liegt derzeit lediglich bei 0,3 Prozent gegenüber Vorjahr, die Kernrate bei 0,8 Prozent und die Inflationserwartungen bleiben auf historisch niedrigen Niveaus (5-Jahresswap auf Sicht von fünf Jahren: 1,10 Prozent im Juni).
Im Herbst rechnen wir mit einer weiteren Verlängerung des Pandemie-Notkaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) bis 2022, um den erheblichen Finanzierungsbedarf der Regierungen im Jahr 2021 zu decken. In der Eurozone dürfte sich dieser Bedarf auf 1,1 Billionen Euro bemessen. Auf die Anleihemärkte sollte all dies beruhigend wirken. Die kurzfristigen Zinssätze sind auf sehr niedrigen Niveaus gut verankert und die Zinsstrukturkurve bleibt noch lange unter dem Einfluss der EZB."
Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income bei Allianz Global Investors