Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone werden immer häufiger nach unten revidiert. Sogar für Deutschland wurden aufgrund der Covid-19-Pandemie mittlerweile die Erwartungen für 2021 um einen Prozentpunkt nach unten korrigiert, von zuvor 4,7 auf nun 3,7 Prozent.
Der Internationale Währungsfonds IWF hat die Veröffentlichung seines Berichts über Europa zum Anlass genommen, eine schonungslose Einschätzung vorzunehmen. Besorgt über die Nachwirkungen der Krise auf die europäische Wirtschaft schlägt die Organisation vor, die Erholungsbemühungen auf 3 Prozent des europäischen BIP in den Jahren 2021 und 2022 zu erhöhen. Das Ziel ist nicht nur das Erreichen des Vorkrisen-Niveaus der Wirtschaftsleistung, sondern auch die Schließung der Lücke, die sich im Vergleich zum früherem Wachstumspfad in Europa vergrößert hat.
Die europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel haben diese Botschaft jedoch kühl aufgenommen. Ein zusätzliches Konjunkturpaket ist nicht in Sicht, und die Bereitstellung der Mittel aus dem European Recovery Plan verzögert sich. Damit steht die EZB einmal mehr wieder in der ersten Reihe.
Aus dem Protokoll der EZB-Sitzung vom 11. März geht hervor, dass die Zentralbank nicht beabsichtigt, den Gesamtumfang des Pandemie-Notkaufprogramms (PEPP) in Höhe von 1.850 Mrd. Euro auszuweiten. Dies bedeutet, dass die Erhöhung der Assetkäufe Ende März zu einem späteren Zeitpunkt wieder ausgeglichen werden muss. Darüber hinaus wird die Kalibrierung der Käufe der EZB vierteljährlich überprüft werden.
Bei ihrer anstehenden Sitzung wird die EZB dennoch ihre Bereitschaft bekräftigen, die günstigsten finanziellen Bedingungen für den Euroraum aufrechtzuerhalten - zumal ihre Botschaft bislang Wirkung gezeigt hat:
- die langfristigen Zinsen haben sich stabilisiert: die Rendite 10-jähriger deutscher Bundesanleihen ist von einem Tiefstand von -0,64 Prozent im Dezember 2020 auf -0,27 Prozent Mitte April gestiegen; diesem Anstieg um 37 Basispunkte steht ein Anstieg um 70 Basispunkte bei den 10-jährigen US-Staatsanleihen im gleichen Zeitraum gegenüber
- die Zinsdifferenzen zwischen den Staatsanleihen verschiedener Länder der Eurozone bleiben stabil
- der geldpolitische Transmissionskanal funktioniert weiterhin.
In der EZB gibt es eine latente Kluft zwischen denjenigen, die eine aggressive Geldpolitik für eine lange Zeit propagieren, und denjenigen, die einen schrittweisen Rückzug befürworten. Diese Kluft wurde anhand des Protokolls zur Sitzung am 11. März deutlich, wurde aber noch nicht in den Vordergrund gerückt. Früher oder später wird eine derartige Debatte jedoch kommen. In der Zwischenzeit erlaubt es das aktuelle wirtschaftliche Umfeld der EZB, ihre akkommodierende Politik weiterhin zu rechtfertigen und die Diskussionen über den Ausstieg aus ihren Instrumenten zu verschieben. In diesem Umfeld sollten Anleger ruhig bleiben.
Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income bei Allianz Global Investors