Während ihrer Sitzung am 15. und 16. März 2022 dürfte die US-Notenbank Fed eine Anhebung des Leitzinses um 25 Basispunkte beschließen – die erste Zinserhöhung seit 2018. Alles andere wäre eine herbe Überraschung. Denn um die ohnehin schon sehr volatilen Aktien- und Anleihemärkte nicht weiter zu verunsichern, hat Fed-Präsident Jerome Powell eine derartige Entscheidung quasi bereits angekündigt: Am 2. März sagte er vor dem Finanzausschuss des US-Repräsentantenhauses, er wolle eine Zinsanhebung um 25 Basispunkte vorschlagen.
Diese Entscheidung wird gestützt durch die Inflationsentwicklung. Die Teuerung steigt weiter an und hat ihren Höhepunkt möglicherweise noch nicht erreicht. In den zuletzt veröffentlichten Inflationszahlen sind die Folgen des Einmarsches der russischen Streitkräfte in der Ukraine noch nicht einmal enthalten:
- im Februar stiegen die Verbraucherpreise um 0,8 Prozent gg. Vm. (nach +0,6 Prozent im Januar)
- auf Jahressicht beschleunigte sich der Teuerungsanstieg damit auf 7,9 Prozent (Januar: 7,5 Prozent gg. Vj.) – der stärkste Anstieg seit 1982
- der Anstieg der Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) lag im Februar bei 0,5 Prozent gg. Vm. und 6,4 Prozent gg. Vj.
Auch die Zweitrundeneffekte auf Löhne und Güterpreise, die die Fed mit Aufmerksamkeit verfolgt, sprechen für eine geldpolitische Straffung. Wie im jüngsten Beige Book hervorgehoben wurde, haben die Unternehmen erheblich an Preissetzungsmacht gewonnen. Zudem gibt es Anspannungen auf den Arbeitsmärkten, die darauf hindeuten, dass das Ziel der Vollbeschäftigung erreicht wurde. Und schließlich muss die Fed auf die gestiegenen Inflationserwartungen reagieren. Die Break-Even-Inflationsraten für fünfjährige Staatsanleihen sind von 3 Prozent zu Jahresbeginn auf 3,5 Prozent gestiegen, während der 5-Jahres-Inflationsswap auf Sicht von 5 Jahren bei 2,65 Prozent liegt.
Nach vorne schauend ist davon auszugehen, dass Fed-Chef Powell die Bereitschaft signalisieren wird, flexibel zu agieren und die Zinsen bei Bedarf aggressiver anzuheben – d.h. notfalls auch um mehr als 0,25 Prozentpunkte im Falle einer stärkeren oder länger anhaltenden Inflation. Nachdem die Fed ein günstiges Zeitfenster zum Handeln im Jahr 2021 wegen Covid-19-bedingter Unsicherheiten verpasst hat, geht sie nun in den Notfallmodus über. Trotz großer Unsicherheiten über die Auswirkungen des Einmarsches in die Ukraine auf das Wachstum und die Inflation kehrt die Fed eindeutig zu ihrer Kernaufgabe zurück – der Förderung von Preisstabilität.
Eine Zinserhöhungsentscheidung diese Woche dürfte die Märkte nicht überraschen. Insgesamt sind für 2022 sechs bis sieben Zinserhöhungsschritte eingepreist. Dies dürfte jedoch nicht den Beginn eines langjährigen Zinserhöhungszyklus darstellen. Vielmehr handelt es sich um taktische Erhöhungen aufgrund einer steigenden Inflation. Für 2024 ist an den Märkten bereits eine erste Zinssenkung eingepreist. Der Grund dafür ist eine zunehmende Wahrscheinlichkeit, dass die US-Wirtschaft mittelfristig in eine Rezession gerät.
Nach der Stellungnahme der Europäischen Zentralbank am 10. März dürfte die Zinsentscheidung der Fed für die Zentralbanken eine Rückkehr zu den Fundamentaldaten bedeuten. Angesichts von Preisschocks, die die Schwächsten der Gesellschaft am stärksten treffen und damit ein destabilisierender Faktor für Demokratien sein können, betrachten die Notenbanken eine Bekämpfung der Inflation als wesentlich für die Förderung politischer Stabilität.
Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investor