Obwohl die Inflation im vergangenen Jahr immer wieder höher als erwartet ausgefallen ist, hat die US-Notenbank bisher keine Eile an den Tag gelegt. Die Ankäufe von Vermögenswerten wurden nicht vor März eingestellt, und erst während ihrer letzten Sitzung leitete die Fed mit einer Anhebung der Fed Funds Rate um bescheidene 25 Basispunkte die Zinswende ein.
Derweil markieren die jüngsten Inflationszahlen für März einen neuen Höchststand: Die Verbraucherpreise lagen im März um 8,5 Prozent über dem Vorjahresniveau, verglichen mit +2,6 Prozent im März 2021. Diese Daten verstärkten den Eindruck, dass die Fed mit der Normalisierung ihrer Geldpolitik in Verzug geraten ist.
Es ist daher an der Zeit, dass die Fed schnell und entschieden handelt, um die verlorene Zeit aufzuholen. Nach dem Eingeständnis von Fed-Chef Jerome Powell, die Notenbank hätte früher handeln müssen, kehren die Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) zum Primat der Preisniveaustabilität zurück. Ihre jüngsten, entschieden „hawkishen“ Äußerungen lassen keinen Zweifel daran, dass für die am 3. und 4. Mai anstehende Sitzung eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte zu erwarten ist. Darüber hinaus dürfte die Fed eine Verringerung ihrer Bilanz ab Juni ankündigen.
Die Herausforderung bei der Umsetzung ihrer geldpolitischen Normalisierung wird jedoch darin bestehen, eine weiche Landung der US-Wirtschaft zu gewährleisten. Sprich, den dynamischen Arbeitsmarkt nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten und vor allem eine Rezession zu vermeiden.
Der Rückgang des US-BIP um 1,4 Prozent gegenüber Vorjahr im ersten Quartal sollte daher sorgfältig analysiert werden. Er spiegelt einen Anstieg der Importe und einen Rückgang der Exporte wider, während der Konsum der privaten Haushalte mit +2,7 Prozent robust geblieben ist. Diese Zahlen verdeutlichen jedoch die Herausforderung, vor der die Fed steht: eine hohe Inflation bei gleichzeitig gestiegener Wahrscheinlichkeit, dass die US-Wirtschaft in den nächsten 12 bis 18 Monaten in eine Rezession gerät.
Bei einer Abwägung zwischen dem Erreichen des Inflationsziels und dem potenziellen Risiko eines starken Konjunkturrückgangs scheint unwahrscheinlich, dass die Fed das US-Wachstum opfern wird. Zumindest setzen die Märkte derzeit hierauf. So wurden zuletzt die Erwartungen an die kurzfristigen Zinssätze angepasst: Derzeit spiegeln sie sehr rasche Zinserhöhungen wider, für die nächsten drei Sitzungen werden Anhebungen um 50 Basispunkte eingepreist. Gleichzeitig ist aber festzuhalten, dass die mittel- und langfristigen Inflationserwartungen auf einem hohen Niveau geblieben sind, das deutlich über dem Ziel von 2 Prozent liegt. Die Märkte halten es nicht für realistisch, dass das Preisstabilitätsziel von 2 Prozent erreicht werden kann, ohne dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleitet.
Der pragmatische Ansatz, bei dem die Fed ihre Zinserhöhungen gegebenenfalls aussetzt, um die Konjunktur nicht zu sehr zu belasten, bleibt ein Drahtseilakt. Die große Unsicherheit über künftige Inflationsschocks infolge des Anstiegs der Rohstoff- und Energiepreise erschwert die Weitsicht und dürfte die Volatilität an den Zinsmärkten hoch halten.
Wir gehen davon aus, dass Fed-Chef Powell während der Pressekonferenz den Markterwartungen nicht widersprechen, gleichzeitig aber auf die Flexibilität verweisen wird, die zur Erreichung des Preisstabilitätsziels erforderlich ist. Nichtsdestoweniger ist jetzt die Zeit zum Handeln gekommen.
Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investors