Seit der letzten Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) im September hat sich in Bezug auf die Inflation wenig geändert. Auch wenn die Teuerungsrate im Vergleich zum Vorjahr mit 9,9 Prozent leicht unter den Markterwartungen von 10 Prozent lag, geht der Preisauftrieb weiter: Der Anstieg im Vergleich zum Vormonat lag bei 1,2 Prozent. Die Inflation pendelt sich somit auf einem hohen Niveau ein und breitet sich in der Wirtschaft aus. Dies zeigt auch eine Kerninflationsrate von 4,8 Prozent gegenüber Vorjahr. Und dabei haben die Lohnverhandlungen in einem angespannten sozialen Klima in der gesamten Eurozone gerade erst begonnen.
Andererseits wird die Situation für die EZB zunehmend unangenehm, da konjunktureller Gegenwind ihre Aufgabe immer schwieriger macht. Gemäß ihres Mandats muss sie die Leitzinsen so weit wie nötig anheben, um die Inflation auf einen Pfad zu bringen, der mit ihrem Ziel der Preisstabilität vereinbar ist. Der Policy-Mix in der Eurozone ist jedoch kaum hilfreich: Die staatlichen Pläne zur Stützung von Kaufkraft und Nachfrage begünstigen den Preisanstieg. Darüber hinaus schwächt sich das Wirtschaftswachstum Woche für Woche ab, was auf eine bevorstehende Rezession hindeutet – auch wenn es derzeit schwierig ist, das Ausmaß der Verlangsamung zu beurteilen. Die jüngsten Konjunkturindikatoren in der Eurozone bestätigen jedoch eindeutig eine Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit: Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe fiel im September von 49,6 auf 48,4 und signalisierte damit eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen. Dies war der stärkste monatliche Rückgang seit Juni 2020. Der PMI für das Dienstleistungs-gewerbe fiel im September ebenfalls, um einen vollen Punkt auf 48,8.
Die Einschätzung der EZB dürfte dies jedoch nicht ändern: Da sie im Straffungszyklus hinterherhinkt, muss sie weiter schnell und hart handeln. Daher wird sie voraussichtlich erneut eine Zinserhöhung um 75 Basispunkte beschließen. Ein derartiger Schritt wird von den Märkten weitgehend erwartet und würde somit keine Überraschung darstellen.
Interessant wird sein, von EZB-Präsidentin Christine Lagarde etwas über die Reduzierung der Bilanz der Zentralbank zu hören. Die Oktober-Sitzung dürfte der Zentralbank die Gelegenheit bieten, mit der Diskussion über eine quantitative Straffung zu beginnen. Vermutlich wird Christine Lagarde bekräftigen, dass eine quantitative Straffung erst nach dem Ende des Zinserhöhungszyklus beginnen wird, ohne jedoch Einzelheiten zum Zeitplan zu nennen. Dieser Ansatz stellt jedoch keine Konsensmeinung im geldpolitischen Entscheidungsgremium der EZB dar. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hat bereits seine Ansicht kundgetan, dass die Notenbankbilanz so schnell wie möglich zu reduzieren sei. Die Märkte werden dieses Thema daher mit Interesse verfolgen.
Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investors