Im Einklang mit der im Juni eingeleiteten Beschleunigung der geldpolitischen Straffung erwarten wir für die nächste Sitzung der US-Notenbank Fed die vierte Zinserhöhung in Folge um 75 Basispunkte. Das Leitzinsband läge dann in den Bereich von 3,75 bis 4,00 Prozent. Denn die Fed muss weiterhin schnell und entschlossen handeln.
Bislang deuten makroökonomische Daten wie Inflation und Lohndruck sowie die Widerstandsfähigkeit von Arbeitsmarkt und US-Wirtschaft darauf hin, dass die Fed nicht zufrieden sein kann:
- die Kernrate des Verbraucherpreisindex stieg im September auf 5,1 Prozent gegenüber Vorjahr
- der Arbeitskostenindex lag Ende September ebenfalls um 5 Prozent über dem Vorjahresniveau
- die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze blieb im September mit 263.000 deutlich über der Zahl von 50.000, die erforderlich ist, um die Neuzugänge in den Arbeitsmarkt zu absorbieren
- die US-Wirtschaft bleibt robust: Im dritten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 2,6 Prozent; und die privaten Konsumausgaben, die mehr als zwei Drittel der US-Wirtschaftstätigkeit ausmachen, stiegen im September um 0,6 Prozent gegenüber Vormonat.
Wir gehen jedoch davon aus, dass die November-Sitzung die Serie von drastischen, quasi auf Autopilot laufenden Zinserhöhungen von je 75 Basispunkten beenden und eine neue Phase einleiten wird. Die US-Leitzinsen dürften zwar weiter steigen. Da sie sich jedoch dem von der Fed avisierten Höhepunkt nähern, dürfte sich die Bank bei künftigen Schritten stärker an den makroökonomischen Daten orientieren.
Derweil werden die Märkte das die Zinsentscheidung begleitende Statement der Fed genauestens studieren. Die Aufgabe der Fed wird immer schwieriger: Als „dovish“ wahrgenommene Äußerungen könnten zu einer verfrühten Markterholung führen, während zu „hawkish“ ausfallende Statements die Lunte einer Korrektur neu entfachen würde. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass den Zentralbanken auch an der Finanzmarktstabilität gelegen ist; dies haben wir erst kürzlich in Großbritannien wieder beobachten können. Fed-Chef Jerome Powell dürfte daher eine sehr pragmatische Haltung einnehmen und sich alle Optionen offenhalten.
Grundsätzlich sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass die Gefahr, dass die Fed zu viel tut, geringer ist als die, dass sie nicht genug tut. Die derzeitigen Markterwartungen eines Leitzinsgipfels nahe 5 Prozent im zweiten Quartal 2023 und die Erwartungen einer ersten Zinssenkung in der zweiten Jahreshälfte 2023 unterschätzen unseres Erachtens das Potenzial für künftige Zinserhöhungen. Wir sind davon überzeugt, dass die Leitzinsen über einen längeren Zeitraum auf einem hohen Niveau bleiben dürften.
Daher scheint die jüngste Aufwärtsbewegung bei US-Treasuries verfrüht und fragil – das Potenzial für eine Korrektur ist nach wie vor vorhanden. Dies heizt die Volatilität an, die auf einem hohen Niveau bleiben dürfte.
Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investors