Die Zinsentscheide der Europäischen Zentralbank (EZB) und der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) in dieser Woche dürften die Märkte nicht überraschen. Diese rechnen mit Zinserhöhungen von 50 Basispunkten für die EZB und 25 Basispunkten für die US-Notenbank. Das Hauptaugenmerk der Märkte dürfte daher auf den Statements der Zentralbanken und deren Hinweise über den künftigen Zinspfad liegen.
EZB
Versprochen ist versprochen! Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, kündigte während der letzten Sitzung im Dezember eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte im Februar an. Die Märkte erwarten einen derartigen Schritt daher zu 100 Prozent, genauso wie wir.
Der kurzfristige Zinspfad erscheint weitgehend klar: Aus dem Protokoll der Dezember-Sitzung geht hervor, dass der EZB-Rat die Zinsen während beider Sitzungen im Februar und März um jeweils 50 Basispunkte anzuheben gedenkt. Dies ist quasi ein Gegenzug zum Zinsschritt um ebenfalls 50 Basispunkte im Dezember, der vermutlich insofern ein Kompromiss war, als dass einige Ratsmitglieder für 75 Basispunkte plädiert hatten.
Die Märkte haben diese Perspektiven eingepreist. Auf der Sitzung am 2. Februar wird das Augenmerk der Anleger daher weniger auf dem Umfang der angekündigten Zinserhöhung liegen als vielmehr auf Hinweisen über den künftigen Zinskurs.
An den Märkten wird von einem Zinsgipfel von 3,25 Prozent noch vor dem Sommer gerechnet. Dies erscheint uns zu moderat. Wir erwarten daher eine Klarstellung von Christine Lagarde, die ihrer seit Wochen verkündeten "hawkishen" Botschaft treu bleiben sollte. Lagarde dürfte bekräftigen, dass die Inflation – insbesondere die Kernrate – nach wie vor zu hoch ist und dass die EZB im Laufe der Zeit weiter handeln muss, um die Teuerung auf ein Niveau zu senken, das mit dem Ziel der Preisstabilität vereinbar ist.
Da jüngsten Frühindikatoren in der Eurozone auf eine gewisse Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft hindeuten, hat die EZB wieder einen gewissen Spielraum für die Umsetzung einer restriktiveren Geldpolitik gewonnen. Daher dürfte die EZB während der anstehenden Sitzung eher ‚hawkishe‘ Signale senden. Dies dürfte dazu beitragen, die Erwartungen hinsichtlich künftiger Zinsschritte nach oben zu korrigieren, und könnte die Anleihemärkte unter Druck setzen.
Fed
Nach vier Zinserhöhungen um jeweils 75 Basispunkte, gefolgt von einer Erhöhung um 50 Basispunkte im Dezember, dürfte die Fed ihr Zinserhöhungstempo etwas drosseln. Wir erwarten für die Sitzung am
1. Februar eine Anhebung um 25 Basispunkte. An den Märkten ist ein derartiger Schritt ebenfalls eingepreist, so dass auch hier der Fokus auf der Stellungnahme von Fed-Chef Jerome Powell liegen dürfte.
Die Inflation ist in den USA in letzten Monaten deutlich zurückgegangen. Nachdem sie im Juni 2022 einen Höchststand von 9 Prozent erreicht hatte, lag die Gesamtinflation im Dezember bei 6,5 Prozent gegenüber Vorjahr. Die Kerninflationrate der persönlichen Konsumausgaben – das von der Fed bevorzugte Inflationsmaß – erreichte im Dezember 4,4 Prozent, nach einem Höchststand von 5,2 Prozent im September 2022. Die jüngsten Trends bestätigen damit, dass der Inflationshöhepunkt in den USA überwunden ist. Gleichwohl bleibt die Kernrate hoch in einem Umfeld, in dem die Wirtschaftstätigkeit weiterhin eine gewisse Widerstandsfähigkeit zeigt.
Infolgedessen dürfte sich die Fed nicht zufrieden zurücklehnen können. Die Zentralbank wird voraussichtlich ihre Bereitschaft bekräftigen, die Zinsen noch lange Zeit auf einem hohen Niveau zu halten, um einen nachhaltigen Rückgang der Inflation in Richtung ihres Preisstabilitätsziels zu gewährleisten.
Die Märkte erwarten zwei weitere Zinsschritte um je 25 Basispunkte in den nächsten Sitzungen, auf einen Zinsgipfel von 5 Prozent im zweiten Quartal 2023, gefolgt von Zinssenkungen um fast 75 Basispunkte in der zweiten Hälfte dieses Jahres. Dies scheint uns die Bereitschaft der Fed zu unterschätzen, straffere monetäre Bedingungen längere Zeit aufrechtzuerhalten. Die anstehende Fed-Sitzung dürfte daher für Volatilität sorgen, einschließlich einer Aufwärtsrevision der kurzfristigen Zinserwartungen für 2023. Die Auswirkungen dürften bei langlaufenden Staatsanleihen weniger stark zu spüren sein als am kurzen Ende, das weniger geschützt ist.
Von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income bei Allianz Global Investors