Silicon Valley Bank: Wie groß ist das Risiko eines 'Domino'-Effektes?

Allianz Global Investors | 13.03.2023 14:51 Uhr
Greg Hirt, Global CIO Multi Asset, Allianz Global Investors / © e-fundresearch / Allianz Global Investors
Greg Hirt, Global CIO Multi Asset, Allianz Global Investors / © e-fundresearch / Allianz Global Investors
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  • Isolierter Vorfall – oder ein Zeichen für systemische Schwäche? Die US-Notenbank hat nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank, eines auf Technologieunternehmen und Start-ups spezialisierten Kreditgebers, umgehend reagiert.
  • Mit der Schaffung einer neuen Fazilität zur Bereitstellung von Liquidität für Banken dürfte die Maßnahme der Federal Reserve Bank (Fed) die Nerven kurzfristig beruhigen, doch die Bedenken bleiben bestehen.
  • Der Bankensektor hat mit Gegenwind zu kämpfen, und höhere Zinssätze könnten die Wirtschaft weiter schwächen und die Anleger in Unruhe versetzen.

In der vergangenen Woche geriet die Silicon Valley Bank (SVB), eine auf die Finanzierung von Technologie-Start-ups spezialisierte Bank, aufgrund massiver Marktwertverluste bei ihren Portfolios langlaufender Anleihen in große Schwierigkeiten und löste eine Welle von Einlagenabflüssen aus. Es folgte eine hohe Marktvolatilität – vor allem im US-Bankensektor –, wobei die S&P 500-Banken im Laufe der Woche mehr als 15 % einbüßten.

Dieses Ereignis hatte das Potenzial, einen Teil des US-Finanzmarktes zu destabilisieren und weitere Ausverkäufe auszulösen. Dies erklärt, warum die US-Notenbank am vergangenen Wochenende im Rahmen der Ausnahmeregelung für systemische Risiken umgehend handelte und alle Einlagen der Bank garantierte. Außerdem richtete die Fed eine neue Fazilität ein – das „Bank Term Funding Program“ – um eine zusätzliche Liquiditätsquelle durch Verpfändung hochwertiger Wertpapiere zu schaffen, so dass ein Institut diese Wertpapiere in Stresssituationen nicht mehr schnell verkaufen muss.

Dies dürfte das Risiko eines 'Domino'-Effektes und eines Ausverkaufszyklus erheblich verringern, da es die Banken in die Lage versetzt, ihre Vermögenswerte in der Bilanz zu halten, anstatt sie auf dem Markt verkaufen und Verluste realisieren zu müssen. Dies ist vor allem in einem Umfeld steigender Zinssätze von entscheidender Bedeutung, da der Marktwert dieser Vermögenswerte unter Druck bleiben wird, wenn sie zu Marktpreisen bewertet werden.

Kanarienvogel im Kohlebergwerk?

Auch wenn die jüngsten Maßnahmen der Fed das systemische Risiko verringern und vor weiteren Bank-Runs schützen dürften, ist es nicht überraschend, dass der Sektor in einem Umfeld rasch steigender Zinsen und insbesondere einer inversen Renditekurve unter Druck bleibt.

Die 'traditionellen' Geschäftsmodelle der Banken beruhen darauf, dass sie Kredite zu niedrigeren Zinsen aufnehmen und zu höheren Zinsen vergeben – was so ziemlich das Gegenteil von dem ist, was der Markt derzeit bietet.

In diesem Umfeld werden die US-Geschäftsbanken besonders unter Druck geraten, da sie stark im Immobiliensektor engagiert sind. In diesem Bereich hat sich die Marktaktivität deutlich verlangsamt und die Preisanpassungen haben zugenommen – ein Trend, der sich in den kommenden Quartalen beschleunigen dürfte.

Gleichzeitig beginnen Teile der US-Wirtschaft unter den höheren Zinsen zu leiden, was zu mehr Ausfällen führt, die sich im Laufe der Zeit zunehmend auf die Bilanzen der Banken auswirken und eine Anpassung ihrer Risikoübernahmeaktivitäten erforderlich machen könnten. Auch die Kreditausfälle drohen sich mit der zunehmenden Verschuldung der Verbraucher beschleunigen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Vorfall bei der SVB die Schwäche des gesamten Bankensektors vor dem Hintergrund einer inversen Renditekurve verdeutlicht hat, auch wenn man bedenken sollte, dass sich die Krise bisher auf die „Rückabwicklung des billigen Geldes“ im Technologie- und Start-up-Sektor konzentriert.

Nichtsdestotrotz zeigt die Nachricht, dass HSBC den britischen Zweig der SVB (für einen symbolischen Betrag von 1 GBP) übernommen hat, den Appetit anderer Banken, Vermögenswerte zu günstigen Preisen zu erwerben.

Vorsicht an der Bahnsteigkante

Die Finanzmärkte dürften positiv auf das rasche Handeln der Fed reagieren, da sie eine Schicht des systemischen Risikos im Bankensektor beseitigt hat, die an die Lehman Brothers-Krise von 2008 in Verbindung erinnert. Aber es wäre zu früh, sich selbstzufrieden zurückzulehnen. Das neue Bank Term Funding Program dürfte es der Fed ermöglichen, sich weiterhin auf ihr Kernziel zu konzentrieren, nämlich die Kerninflation durch Anhebung der Leitzinsen unter Kontrolle zu bringen. Das ist das eigentliche Ziel der Fed, insbesondere angesichts der jüngsten – starken – Arbeitsmarktdaten, und könnte zu einer weiteren Abschwächung der Konjunktur führen.

Dies bestätigt unsere Meinung, dass eine schwächere Phase bei US-Aktien bevorsteht, zumal die Bewertungen weiterhin eher hoch sind und sich die Margen verschlechtern. Diese Aussichten stützen unsere jüngste Reduzierung von US-Aktien in Multi-Asset-Portfolios. Angesichts des steigenden Risikos eines „Finanzunfalls“ – wie der Zusammenbruch der SVB gezeigt hat – waren wir nicht die einzigen, die diese Positionierung eingenommen haben.

Nach dem jüngsten raschen Anstieg der US-Zinsen haben wir unsere Position in US-Treasuries in eine positivere Haltung umgewandelt – zumindest taktisch. Dies dürfte durch weitere Maßnahmen der Fed zur Abschwächung der Wirtschaft und zur Straffung der finanziellen Bedingungen unterstützt werden. Die Anleger sollten jedoch bedenken, dass diese Maßnahmen eine weitere Runde des moralischen Risikos und der Fehlallokation von Ressourcen auslösen könnten – in nächster Zeit ist also Vorsicht geboten.

Von Greg Hirt, Global CIO Multi Asset, Allianz Global Investors

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