Zentrale Aussagen
- Die Anleger müssen derzeit mit einem komplexen Umfeld umgehen; die künftige Inflations-, Zins- und Wachstumsentwicklung ist recht unsicher.
- Angesichts der zuletzt günstigen US-Arbeitsmarktdaten und der Entschlossenheit der Federal Reserve, die Inflation in den Griff zu bekommen, ist damit zu rechnen, dass die Zinsen noch einige Zeit lang relativ hoch bleiben werden. Diese Auffassung könnte sich nunmehr auch bei den Anlegern durchsetzen.
- Die Zentralbanken werden weiterhin im Mittelpunkt stehen; sie werden weithin als „Marketmaker an den Rentenmärkten“ oder „letztendliche Geldgeber für die Fiskalpolitik“ wahrgenommen und dürften diesen Ruf nicht so bald abschütteln können.
- Investitionen, die auf eine Verringerung der Volatilität abzielen, können dazu beitragen, sich gegen das Risiko neuerlicher Marktschwankungen infolge eines veränderten Inflations- und Wachstumsausblicks abzusichern.
Es ist durchaus verständlich, wenn den Anlegern derzeit nicht so ganz klar ist, wohin sich die Zinsen künftig bewegen werden. Sinkende Inflationsraten und Anzeichen dafür, dass die Konjunkturaussichten womöglich nicht so trübe sind wie befürchtet, hatten die Hoffnung aufkommen lassen, dass wichtige Zentralbanken – insbesondere die USNotenbank Federal Reserve (Fed) – den seit 2022 verfolgten Zinsanhebungspfad bald wieder verlassen könnten. Dementsprechend kam es in den ersten Wochen des Jahres 2023 zu einer Rally an den Märkten. Allerdings wurden laut den jüngsten US-Arbeitsmarktdaten im Januar mehr neue Stellen geschaffen als erwartet.1 Die Anleihekurse sanken wieder, weil die Anleger einen Kurswechsel vollzogen: Sie befürchteten, die neuesten Daten könnten auf eine Überhitzung der US-Konjunktur hindeuten, so dass die Fed die geldpolitischen Zügel weiter anziehen müsste.
Es sieht so aus, als setze sich unter den Anlegern jetzt unsere Auffassung durch, dass die Zentralbanken die Zinsen zur Bekämpfung der hartnäckigen Inflation weiterhin hoch halten müssen. Kurz gesagt: Das Zinsniveau dürfte noch längere Zeit vergleichsweise hoch bleiben. Diese Einschätzung wird durch die jüngsten Äußerungen der Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB) gestärkt. Sowohl der Fed-Vorsitzende Jay Powell als auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde haben bestätigt, dass die Zentralbanken die Zinsen auf einem hohen Niveau belassen wollen, damit die Inflation tatsächlich nachhaltig zurückgeht und wieder dem Zielwert für Preisstabilität entspricht.
Die Zentralbanken werden derzeit an den Märkten als „Marketmaker an den Rentenmärkten“ oder „letztendliche Geldgeber für die Fiskalpolitik“ wahrgenommen, und diesen Ruf werden sie wohl vorerst kaum ablegen können. Wenn die Anleger ihre Erwartungen in Bezug auf die Liquiditätsversorgung und den Vorrang der Fiskalpolitik korrigieren müssen, ist kurzfristig mit Kursschwankungen an den Märkten zu rechnen.
Und wenn sich die Konjunkturaussichten ändern, kann die Unsicherheit in einem komplexen Marktumfeld noch zunehmen. Unseren hauseigenen Frühindikatoren zufolge wird das Wachstum der Weltwirtschaft in den kommenden Monaten unter der Trendrate verharren. In den USA und Europa dürfte durch die restriktiveren finanziellen Bedingungen und den Druck auf die realen Einkommen der privaten Haushalte Gegenwind entstehen, weshalb wir mit Rezessionen rechnen – wenngleich diese eventuell schwächer ausfallen werden als zuvor angenommen.
Fokus auf Qualität, Absicherung gegen Volatilität
Die Kennzahlen für die implizierte und realisierte Volatilität am Rentenmarkt sind von den jüngsten Höchstständen im vergangenen Jahr aus gesunken. Wenn sich jedoch die Konjunkturaussichten verändern, könnte weitere Instabilität drohen. Daher könnte es sinnvoll sein, auf kurze Sicht allzu einseitig ausgerichtete Risiken in den Portfolios zu vermeiden. Einige Ideen für die nächste Zeit:
- In der derzeitigen Phase des Zins- und des Kreditzyklus ist die Makrounsicherheit hoch, so dass es wohl nicht an der Zeit ist, das Durations- oder Bonitätsrisiko deutlich zu erhöhen.
- Viele Renditestrukturkurven für Staatsanleihen verlaufen recht flach oder sogar invers. Das bedeutet mit kurz laufenden Anleihen können sich die Anleger Renditeerträge sichern, die genauso hoch oder sogar noch höher sind wie diejenigen von Anleihen mit langen Laufzeiten. Allerdings ist zu bedenken: Kurzfristige Anleihen verringern die Portfoliovolatilität kaum, da das kurze Ende der Renditestrukturkurven für Schocks anfällig ist, die sich aus einer Zinsanpassung der Kurzfristzinsen ergeben können.
- Im gegenwärtigen Umfeld ist es unter Umständen sinnvoll, Cash Bonds mit kurzer Laufzeit mit derivatebasierten Overlay-Strategien zu kombinieren, die zur Minimierung von Zins-, Spread- und Wechselkursvolatilität beitragen können. Allerdings kosten diese Absicherungsstrategien zunächst einmal Geld und können die Wertentwicklung schmälern.
Die Fundamentaldaten sind deutlich besser als im Vorfeld vergangener Rezessionen. Allerdings ist noch nicht klar, wie stark die Zinsen letztendlich angehoben werden und welche Konsequenzen dies für das Wachstum hat. Wir empfehlen weiterhin eine defensive Positionierung im Fixed Income-Segment. Dies verschafft Spielraum, um allmählich über qualitativ hochwertige Anleihen von bonitätsstarken Emittenten stärker ins Risiko zu gehen.