Letzte Woche haben die Spannungen im US-Bankensystem innerhalb von zwei Tagen zu einer erheblichen Verschiebung der US-Zinsstrukturkurve geführt und mit Blick auf die Federal Reserve (Fed) eine drastische Korrektur der Zinserhöhungserwartungen ausgelöst. Im Februar schienen die Anleger kapituliert zu haben, als die Leitzinserwartungen zwischen Anfang und Ende des Monats um mehr als 100 Basispunkte stiegen. Der Stress im Bankensystem hat diese Erwartungen wieder auf fast null gesenkt, und die Anleger rechnen nun mit Zinssenkungen gegen Jahresende. Dieses außergewöhnliche Ereignis hat die Rede von Fed-Chef Jerome Powell vor dem Kongress Anfang März, als er von der Notwendigkeit sprach, die Zinserhöhungen stärker als bisher erwartet voranzutreiben, völlig überflüssig gemacht.
Wir sind allerdings der Meinung, dass die Fed ihre Geldpolitik weiter straffen sollte. Vor dem Hintergrund einer robusten US-Wirtschaft und einer nach wie vor hohen Nachfrage kann sie sich mit einer Kerninflationsrate von 5,5 Prozent (Februar) nicht zufriedengeben. Wir rechnen daher während der dieswöchigen Sitzung mit einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte.
Das Dilemma für die Fed – wenn es denn eines gibt – besteht letztlich in der Entscheidung zwischen dem Ziel der Preisstabilität und dem der Finanzstabilität. Die Europäische Zentralbank hat am 16. März gezeigt, dass sie in dieser Hinsicht keine Bedenken hat, und wir sind der Meinung, dass die Fed diesem Beispiel folgen sollte. Die US-Notenbank und die Behörden verfügen über spezielle Instrumente zur Bewältigung einer möglichen Liquiditätskrise, zumal sich die Probleme derzeit auf regionale Banken beschränken.
Die Situation verstärkt jedoch die Unsicherheiten über das Ausmaß künftiger Zinserhöhungsschritte. Deren Ausmaß wird von der Schwere der Krise der regionalen Banken und der Fähigkeit der Behörden abhängen, eine Ansteckung einzudämmen. Die oft irrationale Natur von Bankenkrisen – Stichworte: Psychologie von Märkten und Sparern – legt nahe, dass es noch zu früh ist, Entwarnung zu geben. Eine anhaltende Krise könnte zu einer Verschärfung der finanziellen Bedingungen führen und die Fed zu einer Zinspause veranlassen. Eine schnelle Lösung hingegen würde die Fed veranlassen, ihren Zinserhöhungskurs fortzusetzen. Unabhängig vom letztendlichen Leitzinshöhepunkt wird die Fed unserer Meinung nach jedoch zunächst ein erhöhtes Zinsniveau beibehalten.
Die Markterwartungen in Bezug auf Zinssenkungen (-90 Basispunkte zwischen Juni und Dezember 2023) bergen damit gewisse Risiken für die amerikanischen Rentenmärkte: Sie sind eine potenzielle Quelle für Volatilität und können den mittleren Teil der Zinsstrukturkurve unter Druck setzen.
von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investors