Während die US-Notenbank den Zinsgipfel fast erreicht hat, ist die Europäische Zentralbank (EZB) noch längst nicht am Ende ihres geldpolitischen Straffungszyklus angelangt.
EZB-Chefvolkswirt Philip Lane betonte Mitte April, dass die Zinsentscheidung am 4. Mai die künftige Inflationsentwicklung (Gesamt- und Kernrate) sowie die ordnungsgemäße Transmission der Geldpolitik berücksichtigen muss.
Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass die letzte Woche veröffentlichten nationalen Preisdaten sowie die diese Woche veröffentlichten Zahlen zur Gesamt- und Kerninflation im Euroraum weiterhin nicht mit dem Preisstabilitätsziel der EZB vereinbar sind. Denn die gesamte Teuerungsrate stieg im April leicht von 6,9 auf 7,0 Prozent (nach einem Hoch von 10,6 Prozent im Oktober 2022). Gleichzeitig blieb die Kerninflation mit 5,6 Prozent auf einem hohen Niveau (März: 5,7 Prozent). Kurzfristig ist nicht mit einer signifikanten Verlangsamung des Preisauftriebs zu rechnen, auch angesichts des nach wie vor starken Lohnwachstums in der Eurozone (wie etwa im Falle der kürzlich ausgehandelten Tarifverträge im deutschen öffentlichen Dienst).
Der am 2. Mai veröffentlichte Bank Lending Survey zeigt zwar eine weitere Verlangsamung bei der Kreditvergabe in der Eurozone an. Der Druck auf den hiesigen Bankensektor hat jedoch deutlich nachgelassen. Daher sollte dies keine wesentliche Rolle spielen bei der Entscheidungsfindung der EZB, die sich mehr auf die Inflationsaussichten konzentrieren sollte.
Nach den jüngsten Äußerungen von EZB-Ratsmitgliedern besteht am Markt ein klarer Konsens dahingehend, dass die EZB die Zinsen am 4. Mai weiter anheben wird. Der Umfang des Zinsschrittes dürfte jedoch debattiert werden.
Wir erwarten, dass die EZB die Leitzinsen um 25 Basispunkte anheben und die Absicht zu weiteren Zinsschritten bekunden wird. Die weitere Straffung der Geldpolitik, die durch die obligatorische Rückzahlung der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte im Juni ausgelöst wird (TLTROs in Höhe von 480 Mrd. EUR), dürfte die EZB nach vorne schauend zwar zu einem schrittweisen Vorgehen veranlassen. Ihre Entschlossenheit dürfte jedoch ungebrochen sein.
Da Anleger mit einer Zinserhöhung rechnen, dürfte sie die Entscheidung der EZB am 4. Mai nicht überraschen.
von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investors