In der Eurozone ist die Lage weniger eindeutig als in den USA. Während sich die Gesamtinflation in der Eurozone weiter verlangsamt (im Juni von zuvor 6,1 Prozent auf nunmehr 5,5 Prozent), verharrt die Kerninflation auf hohem Niveau (Anstieg von 5,3 auf 5,5 Prozent). In einem Umfeld, in dem Unternehmen nach wie vor ihre Preissetzungsmacht nutzen und eine niedrige Arbeitslosigkeit nicht nur die robuste Nachfrage stützt, sondern auch Lohnforderungen ankurbelt, birgt die anhaltend hohe Kerninflation Risiken. Hinzu kommt, dass der Mix aus Finanz- und Geldpolitik nicht hinreichend restriktiv ist. Staatliche Anreize und die während der Covid-Periode angehäuften Ersparnisüberschüsse stützen weiter die Nachfrage.
Vor diesem Hintergrund darf die EZB keine Kompromisse eingehen und muss die finanziellen Bedingungen weiter straffen. Ihre Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel, wenngleich die Inflationserwartungen weiter gut verankert sind. Ohnehin verfügt die Zentralbank insofern über einen gewissen Handlungsspielraum, als dass die Anhebung der Leitzinsen um insgesamt 400 Basispunkte seit Juli 2022 bisher weder die Finanzstabilität noch die Refinanzierungsfähigkeit der Staaten gefährdet hätte.
Wir erwarten daher, dass die EZB auf ihrer Juli-Sitzung die Zinsen um weitere 25 Basispunkte anheben wird, gefolgt von einem gleich großen Schritt im September. Nachfolgende Zinsschritte dürften dann von der Entwicklung der Kerninflationsrate abhängen, von der es derzeit keine beruhigenden Nachrichten gibt. EZB-Präsidentin Christine Lagarde dürfte somit in der Pressekonferenz am Donnerstag erneut bekräftigen, dass künftige Maßnahmen der EZB mehr denn je von den Wirtschaftsdaten abhängig sind.
Die Märkte erwarten ebenfalls eine Zinsanhebung im Juli, gefolgt von einer weiteren Anhebung bis Ende 2023, auf ein Hoch beim Einlagensatz von 4 Prozent. Unserer Ansicht wird das Risiko einer monetären Straffung über 4 Prozent hinaus nicht hinreichend gewürdigt. Diese fehlende „Sicherheitsmarge“ hat zur Folge, dass wir derzeit am Euro-Rentenmarkt vorsichtig sind.
Von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investors