- Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank die Zinssätze auf ihrer Oktober-Sitzung unverändert lassen wird. Damit soll Zeit gewonnen werden, um die Auswirkungen der Verschärfung der monetären Bedingungen zu bewerten
- Unserer Ansicht nach ist die Pause kein Zeichen für die Zukunft, da die EZB noch nicht den endgültigen Stand ihres Zinserhöhungszyklus erreicht hat.
- Die Märkte haben das Risiko weiterer Zinserhöhungen noch nicht eingepreist und jede Anpassung der Erwartungen dürfte die Volatilität an den Anleihemärkten erhöhen.
Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) seit Juli 2022 bei jeder ihrer Sitzung die Zinssätze erhöht hat, erwarten wir, dass sie jetzt pausiert und die Zinssätze auf ihrer Sitzung am 26. Oktober unverändert lässt. Die jüngsten makroökonomischen Daten und die verstärkten geopolitischen Spannungen sprechen für diese Pause. Denn die Inflation ist im Jahresvergleich von 5,2% im August auf 4,3% im September gesunken und das Wachstum in der Eurozone verlangsamt sich.
Aber die Pause ist kein Zeichen für die Zukunft. Die EZB kann die Inflation noch nicht für überwunden erklären, wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Marrakesch betonte. Die Kerninflationsrate ist im Jahresvergleich mit 4,5% im September immer noch hoch, was insbesondere auf eine noch nicht unter Kontrolle gebrachte Lohn-Preis-Spirale zurückzuführen ist. Darüber hinaus birgt die Krise im Nahen Osten das Risiko eines Angebotsschocks im Zusammenhang mit einem Anstieg der Ölpreise. Die letzte Inflationsprognose der EZB, die auf ihrer Sitzung am 14. September mitgeteilt wurde, ging von einem Ölpreis von 82,7 USD im Jahr 2024 und 77,9 USD im Jahr 2025 aus. Diese Annahmen erscheinen nun sehr bescheiden.
Wir gehen davon aus, dass die Zentralbank der Eurozone am Donnerstag eine neutrale geldpolitische Haltung einnehmen und betonen wird, dass sie sich mehr denn je von makroökonomischen Daten und den damit verbundenen Risiken leiten lässt.
Unserer Ansicht nach haben die Leitzinsen im Euroraum ihren Gipfel noch nicht erreicht. Da der einzige Auftrag der EZB die Wahrung der Preisstabilität ist, sollten die gestiegenen Rezessionsrisiken weitere Zinserhöhungen nicht verhindern. Aus diesem Grund dürften auch die langfristigen Zinsen in der Eurozone ihren Höhepunkt noch nicht erreicht haben.
Die Märkte unterschätzen nach wie vor das Potenzial für weitere Zinserhöhungen. Jede Anpassung der Erwartungen dürfte die Spannungen an den Anleihemärkten verstärken.
Von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investors