- Angesichts der jüngsten Inflationsverlangsamung dürfte die EZB unserer Meinung nach die Leitzinsen auf ihrer nächsten geldpolitischen Sitzung unverändert lassen.
- Die EZB wird hinsichtlich ihrer Schritte weiter Vorsicht walten lassen, ihre Aufmerksamkeit auf Punkte wie das Lohnwachstum und Basiseffekte bei den Energiepreisen lenken
- Die Erwartung der Anleger, dass die Zinsen bereits im März gesenkt werden, erscheint noch verfrüht. Der daraus resultierende, jüngst deutliche Rückgang der langfristigen Zinssätze ist weiterhin instabil. Nach der jüngsten Rallye ist hier eine Pause oder sogar eine Korrektur wahrscheinlich.
Der Gouverneur der Banque de France, François Villeroy de Galhau, versprach kürzlich „langweilige" Sitzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und spielte damit auf eine längere Plateauphase der Zinssätze an. Wir sind jedoch der Meinung, dass die bevorstehende Sitzung von Anlegern besonders aufmerksam verfolgt werden sollte. Die zuletzt veröffentlichten Inflationszahlen in der Eurozone und die darauf folgenden Äußerungen der EZB-Mitglieder waren ein regelrechter Wendepunkt für die Märkte: Anleger scheinen seitdem die Aussicht auf künftige Zinserhöhungen aufgegeben zu haben und rechnen stattdessen mit aggressiven Zinssenkungen. Der Marktkonsens geht nun von Zinssenkungen von 150 Basispunkten bis Jahresende 2024 aus, wobei die erste Senkung bereits im März erfolgen soll.
Die Verlangsamung der Inflation hat die Anleger überrascht. Im November lag die Gesamtinflation bei 2,4%, was dem niedrigsten Wert seit Juli 2021 und einer erneuten Abschwächung gegenüber den 2,9% von Oktober entspricht. Die Kerninflation lag bei 3,6% gegenüber den 4,3% des Vormonats – ein Rückgang, der sich sowohl bei den Waren (2,9% gegenüber 3,5%) als auch bei den Dienstleistungen (4% gegenüber 4,6%) zeigte. Die allgemein rückläufigen Inflationszahlen werden zudem in der gesamten Eurozone zu verzeichnet, wodurch der tatsächlichen Rückgang des Inflationsdrucks belegt wird.
Vor diesem Hintergrund wird die aktualisierte EZB-Prognose, bei der die Wachstums- und Inflationsaussichten wahrscheinlich nach unten korrigiert werden, mit Spannung erwartet. Dennoch sind wir im Einklang mit den jüngsten Äußerungen der Ansicht, dass die EZB angesichts des „Markthypes“ eine vorsichtige Haltung einnehmen und ihre Wachsamkeit betonen sollte:
- Isabel Schnabel, Mitglied des EZB-Rats, betonte kürzlich, dass das Lohnwachstum trotz negativer Produktivitätssteigerungen weiter stark (4,69% im dritten Quartal) bleibe. Das dürfte die Kerninflation weiterhin anfeuern;
- Auch das Ende einiger Basiseffekte, die hauptsächlich mit den Energiepreisen zusammenhängen, begünstigen einen abermaligen Anstieg der Inflation in der ersten Jahreshälfte 2024.
Wir sind daher der Meinung, dass die EZB mehr denn je betonen sollte, dass ihr geldpolitischer Kurs in hohem Maße an künftige volkswirtschaftliche Daten gekoppelt sein wird und dass sie mehr Klarheit über den weiteren Inflationsverlauf braucht, bevor Zinssenkungen in Erwägung gezogen werden können. Die EZB sollte die Erwartungen der Anleger daher dämpfen.
Erwartungen, dass die Zinsen bereits im März gesenkt werden, erscheinen uns noch verfrüht. Der zuletzt daraus resultierende deutliche Rückgang der langfristigen Zinssätze ist weiterhin instabil. Nach der jüngsten Rallye ist hier eine Pause oder sogar eine Korrektur wahrscheinlich.
Von Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income, Allianz Global Investors