- Die Bank of Japan (BOJ) prüft weiterhin die Auswirkungen ihrer jüngsten geldpolitischen Anpassungen auf die Wirtschaft. Angesichts der allgemeinen Verlangsamung der Wirtschaftsdynamik und mehrerer Einmaleffekte in den jüngsten BIP-Daten erscheinen weitere Änderungen auf der Juni-Sitzung unwahrscheinlich.
- Die Inflationserwartungen und einige Komponenten des VPI bleiben stabil, was der BOJ eine Rechtfertigung für eine weitere Normalisierung der Geldpolitik in der zweiten Jahreshälfte liefern könnte.
- Nachdem sich der Yen-Abverkauf nach der letzten Pressekonferenz drastisch beschleunigt hat und Interventionen erforderlich waren, wird Gouverneur Ueda in seiner Rede wahrscheinlich einen aggressiveren Ton anschlagen, der im Einklang mit seinen jüngsten öffentlichen Äußerungen steht.
Die Bank of Japan sieht sich weiterhin mit einer schwierigen Datenlage konfrontiert. Der allgemeine Inflationstrend ist nach wie vor rückläufig. Auch das japanische BIP ist im ersten Quartal um 0,5% gegenüber dem Vorquartal geschrumpft. Obwohl Sonderfaktoren wie das Erdbeben auf der Noto-Halbinsel zu diesem Abschwung beigetragen haben und eine gewisse Stabilisierung erwartet wird, lässt die konjunkturelle Dynamik spürbar nach. Positiv zu vermerken ist, dass das nominale Lohnwachstum und die Inflationserwartungen robust bleiben und die starken Unternehmensgewinne ein Umfeld schaffen, das weitere Lohnerhöhungen begünstigt. Einige Mitglieder des BOJ-Direktoriums haben angedeutet, dass die Deflation zwar noch nicht endgültig überwunden sei, dass sie aber zunehmend zuversichtlich seien, dass sich Japan auf einem guten Weg dorthin befinde.
Aufgrund dieser Einschätzung gehen wir davon aus, dass die BOJ auf ihrer Sitzung im Juni ihre Haltung wahrscheinlich nicht ändern wird. Grundsätzlich gibt es zwei mögliche Bereiche für Anpassungen: Die Käufe von Staatsanleihen und die nächste Zinserhöhung. Eine Anpassung der Käufe japanischer Staatsanleihen (JGB) halten wir für am wahrscheinlichsten. Die aktuellen Volumina liegen bereits am unteren Ende des Kaufplans und die Reduzierung der Anleihekäufe steht im Einklang mit dem Ziel von Gouverneur Ueda, die Geldpolitik weiter zu normalisieren. Darüber hinaus deuten jüngste Medienberichte darauf hin, dass die BOJ eine Anpassung des Zeitplans im Juni in Erwägung zieht. Angesichts der Tatsache, dass die Anleiherenditen seit der letzten geldpolitischen Sitzung bereits deutlich angestiegen sind und in einigen Segmenten den höchsten Stand seit 2011 erreicht haben, dürfte der Wunsch nach einer weiteren Beschleunigung der Zinsanpassung zum jetzigen Zeitpunkt jedoch weniger ausgeprägt sein, um den Wirtschaftsakteuren Zeit zur Anpassung zu geben. Möglicherweise wird es dazu im Zuge der Sitzung einige verbale Hinweise geben.
Die Hürde für Zinserhöhungen ist indes hoch. Der nächste Schritt im Zielbild der BOJ ist das Erreichen einer konsumgetriebenen Nachfrageerholung, die weitere Preisanpassungen ermöglicht. Ein positives Wachstum der Realeinkommen ist für diesen Prozess unerlässlich. Obwohl die Shunto-Ergebnisse stark waren, spiegeln sie sich aufgrund der verzögerten Umsetzung nur teilweise in den aktuellen Einkommensdaten wider. Im Laufe des Sommers sollten diese Ergebnisse deutlicher werden. Wir glauben daher, dass die BOJ es vorziehen wird, abzuwarten und mehr Sicherheit zu gewinnen, bevor sie irgendwelche Schritte unternimmt. Der Joker ist die erneute Schwäche des Yen in den letzten zwei Monaten. Ein weiterer währungsbedingter Inflationsschub könnte sich negativ auf die Erreichung des Ziels des Realeinkommenswachstums auswirken. Einige Vorstandsmitglieder warnten jedoch vor verfrühten Zinserhöhungen. Und: Selbst eine weitere Zinserhöhung könnte den Yen-Abverkauf nicht stoppen, solange die Fed sich zurückhält. Wir gehen daher davon aus, dass die BOJ geduldig bleiben wird, und erwarten, dass sie eine Zinserhöhung erst im Juli oder später in diesem Jahr in Betracht ziehen wird, wenn mehr Daten im Laufe des Sommers vorliegen. Allerdings hat die Tatsache, dass Gouverneur Ueda nach der letzten Sitzung Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Wechselkurses auf Inflation und Wachstum zurückgewiesen hat, zu erheblichem Verkaufsdruck auf den Yen geführt und eine Intervention des Finanzministeriums ausgelöst. Wir gehen daher davon aus, dass er diesmal versuchen wird, einen „hawkishen“ Ton anzuschlagen, um Marktverwerfungen zu vermeiden.
Vor diesem Hintergrund nehmen wir die folgende Position ein: Der allmähliche Rückzug der BOJ aus dem JGB-Markt dürfte unseres Erachtens zu weiter steigenden Renditen führen, und die Märkte spiegeln dies zunehmend in den Kursen wider. Was japanische Aktien betrifft, so sind die strukturellen inländischen Triebkräfte nach wie vor intakt, und das sich verbessernde globale Wachstum dürfte für weitere Unterstützung sorgen. Wir halten daher an unserer seit langem vertretenen konstruktiven Haltung fest. Für den japanischen Yen nehmen wir vorerst eine neutrale Position ein. Zwar sind die Voraussetzungen für einen Aufschwung gegeben, wie z.B. eine günstige Bewertung, doch solange es keine eindeutigen Anzeichen für eine Verlangsamung in den USA gibt, dürfte es dem JPY schwer fallen, seine negative Dynamik und die Carry-bedingten Verkäufe zu überwinden.
Von Gregor Hirt, Global Chief Investment Officer Multi Asset, AllianzGI