- Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank auf ihrer Sitzung am 12. September die Zinsen um weitere 25 Basispunkte senken und ihre Wachstums- und Inflationsprognosen für 2024 und 2025 nach unten korrigieren wird.
- Die Auswirkungen auf den Markt werden voraussichtlich begrenzt sein. Allerdings hätte ein derartiger Schritt zur Folge, dass sich die Zinsdifferenzen gegenüber Japan weiter verringern würden, was zu einer anhaltend höheren Devisenvolatilität führen könnte
- Bis vor kurzem gingen die Märkte davon aus, dass im Dezember eine weitere Zinssenkung erfolgen würde. Angesichts der Abschwächung auf dem US-Arbeitsmarkt und zunehmender Marktspekulationen über eine mögliche Zinssenkung um 50 Basispunkte durch die Federal Reserve kann ein zusätzlicher Schritt im Oktober nicht ausgeschlossen werden.
Die weltweit schwächeren Inflationswerte haben die Europäische Zentralbank (EZB), die als erste große Zentralbank in diesem Zyklus eine Zinssenkung vorgenommen hat, bislang bestätigt. Wir erwarten daher die nächste Zinssenkung um 25 Basispunkte am 12. September. Sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Inflationsdaten sind insgesamt geringer ausgefallen als von der EZB im Sommer erwartet. Wir gehen daher davon aus, dass die EZB ihre Wachstums- und Inflationsprognosen für 2024 und 2025 leicht nach unten korrigieren wird.
Interessanterweise ist nicht nur die tatsächliche Inflation gesunken, sondern auch die Löhne haben die EZB auf der unteren Seite überrascht und die Inflationserwartungen sind auf das Inflationsziel der EZB zurückgegangen. Dies steht in starkem Gegensatz zu der Stimmung zu Beginn des Jahres, als viele Beobachter von einer „länger anhaltenden höheren Inflation“ sprachen. Am Markt ist mittlerweile eine Absicherung gegen ein solches Szenario ohne großen Risikoaufschlag möglich. Daher wird Inflationsschutz langsam wieder interessanter.
Auf der anderen Seite des Atlantiks, in den USA, wird nach zwei schwächer als erwartet ausgefallenen Arbeitsmarktberichten und historischen Abwärtskorrekturen eine Zinssenkung um 50 Basispunkte allmählich wahrscheinlicher als eine um 25 Basispunkte. Sollte es dort tatsächlich zu einer Senkung um 50 Basispunkte kommen, würde auch der internationale Kontext Druck auf die EZB ausüben, mit dem nächsten Schritt nicht drei Monate nach September zu warten. Ein Zinsschritt im Oktober ist zwar noch immer nicht unser Hauptszenario, kann jedoch nicht mehr ausgeschlossen werden. Ein Argument dafür ist, dass die derzeitigen Zinssätze nahe 4% zweifellos sehr restriktiv sind und der aktuelle Datenkranz eher früher als später neutralere Zinssätze um 2% erforderlich macht.
Mit Blick auf die Positionierung setzen wir vorerst weiter auf eine Versteilerung der Renditekurve und sind mit Blick auf die Duration konstruktiv, würden diese jedoch im Falle eines 50-Bp-Schrittes der US-Notenbank etwas reduzieren.
Von Michael Krautzberger, Global CIO Fixed Income bei AllianzGI