- Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank auf ihrer Sitzung am 18. September die Zinsen um 25 Basispunkte senken und damit das Zielband für den Leitzins auf 5,0 bis 5,25% verringern wird.
- Angesichts der jüngsten Abschwächung am Arbeitsmarkt und der Äußerungen einiger Fed-Politiker, Zinssenkungen früher vorzunehmen, ist eine Lockerung um 50 Basispunkte jedoch nicht auszuschließen.
- Selbst wenn die Fed die Zinssätze auf der September-Sitzung nur um 25 Basispunkte senkt, wird sie sich unserer Meinung nach die Option für weitere monetäre Lockerungen auf den folgenden Sitzungen offen halten, falls sich die Anzeichen für eine weitere Verschlechterung der Arbeitsmarktlage verdichten.
- In den letzten Wochen haben die Zinsmärkte bereits damit begonnen, den Beginn eines Zinssenkungszyklus der Fed im September einzupreisen, wobei nun Zinssenkungen von rund 100 Basispunkten bis Ende 2024 eingepreist sind.1 Zum jetzigen Zeitpunkt stimmen wir mit dieser Einschätzung überein.
- Für Anleiheinvestoren spricht der makroökonomische und politische Hintergrund unserer Meinung nach weiterhin für eine Portfolio-Positionierung in Richtung Versteilerung der US-Renditekurve.
Akute Warnsignale hinsichtlich einer unmittelbar drohenden Rezession in den USA gibt es derzeit nicht. Die Arbeitslosenquote ist mit 4,2%2 im historischen Vergleich nach wie vor niedrig, und ein Teil des Anstiegs der Arbeitslosenquote ist eher auf eine Zunahme des Arbeitsangebots als auf eine Abschwächung der Arbeitsnachfrage zurückzuführen. Die Erfüllung des dualen Mandats der Fed – hohe Beschäftigung und Preisstabilität – ist in greifbarer Nähe und wir gehen nach wie vor zwar von einer Abschwächung der Konjunktur, aber nicht von einer harten Landung aus.
Jüngste US-Umfragen deuten jedoch auf eine anhaltende Schwäche des verarbeitenden Gewerbes hin, und es gibt erste Anzeichen für eine Verlangsamung des so wichtigen Dienstleistungssektors. Darüber hinaus gibt es auch erste Hinweise darauf, dass die Konsumnachfrage nachlässt, wobei insbesondere die Ausgaben einkommensschwacher Haushalte vor dem Hintergrund eines langsameren Tempos bei Neueinstellungen und eines nachlassenden Anstiegs der Durchschnittseinkommen unter Druck geraten. Daher glauben wir, dass es für die US-Notenbank an der Zeit ist zu handeln, und wir erwarten für die Sitzung am 18. September eine Zinssenkung um 25 Basispunkte. Damit würde das Zielband für den Leitzins auf 5,0-5,25% sinken.
Da sich das von der Fed bevorzugte Inflationsmaß, die Kernrate der Verbraucherpreisausgaben (PCE-Kerninflationsrate), ebenfalls dem 2%-Ziel nähert (derzeit 2,6% gg. Vj.3), deuten die jüngsten Äußerungen der Fed-Politiker auf die Bereitschaft hin, bei einer weiteren Abschwächung der Arbeitsnachfrage energisch zu handeln.
Auch das globale Wirtschaftswachstum untermauert den Wunsch innerhalb der Fed und anderer G10- Zentralbanken nach einer Lockerung des restriktiven geldpolitischen Kurses. Das Wachstum in China enttäuscht nach wie vor und auch das Wachstum im Euroraum, insbesondere in Deutschland, ist nicht überzeugend. Infolgedessen geraten die Rohstoff- und Energiepreise unter Abwärtsdruck und tragen dazu bei, die Inflationserwartungen weltweit zu verankern.
Wie auch andere Zentralbanken konzentriert sich die US-Notenbank nun stärker auf das Wirtschaftswachstum als auf Inflationsrisiken und ist mehr und mehr besorgt darüber, dass sie mit ihrer Geldpolitik der Zeit hinterherhinkt und die Zinsen zu spät senkt, um eine Rezession oder einen stärkeren Wachstumsrückgang entgegenzuwirken. Daher gibt es unserer Ansicht nach erhöhte Risiken größerer Zinssenkungsschritte auf den in diesem Jahr kommenden Sitzungen, insbesondere wenn sich die Arbeitsmarktaktivität schneller verschlechtert als derzeit erwartet und die Inflation sich weiter auf das angestrebte Ziel zubewegt.
Für Anleiheinvestoren dürfte in den kommenden Monaten „der Weg des geringsten Widerstands“ in niedrigeren Staatsanleiherenditen bestehen; in der aktuellen Konjunkturphase bietet sich das Halten von Anleihen an. Wir bevorzugen eine lange Zinsduration in verschiedenen Staatsanleihenmärkten und bevorzugen eine Positionierung für steilere Zinsstrukturkurven, insbesondere in den USA und im Euroraum.
Von Michael Krautzberger, Global CIO Fixed Income bei AllianzGI
1 Bloomberg, 10. September 2024
2 Bureau of Labor Statistics, 6. September 2024
3 Bureau of Economic Analysis, 30. August 2024