- Wir erwarten, dass die Europäische Zentralbank auf ihrer Sitzung am 17. Oktober den Einlagensatz um weitere 25 Basispunkte auf dann 3,25% senken wird, wodurch sie die Frequenz der Zinssenkungen erhöhen würde.
- Äußerungen von EZB-Direktoriumsmitgliedern haben die Erwartung einer Zinssenkung im Oktober verstärkt, da sich das Wachstum im Euroraum seit der EZB-Sitzung im September weiter verlangsamt hat, während der Inflationsdruck moderat bleibt.
- Die EZB wird wahrscheinlich betonen, dass weitere Entscheidungen von den Daten abhängen, aber wir halten eine weitere Senkung im Dezember 2024 für sehr wahrscheinlich.
- Die Leitzinssenkungen dürften den Trend zur Versteilerung der Renditekurve, den wir an den Märkten für Staatsanleihen beobachten, noch verstärken.
Während die US-Wirtschaftsdaten eher gemischt ausfielen und der jüngste US-Arbeitsmarktbericht positiv überraschte, waren die Daten für die Eurozone weiterhin eher schwach. Die Umfrageindikatoren für den Euroraum haben sich im letzten Monat weiter abgeschwächt, und auch die Arbeitsmarktindikatoren deuten nun darauf hin, dass die Arbeitslosenquote im Euroraum von ihrem derzeitigen historischen Tiefstand von 6,4% nach oben driften wird. Vor allem Deutschland steht das zweite Jahr in Folge am Rande einer Rezession. Unterdessen verlangsamt sich das Lohnwachstum im Währungsgebiet, und die Inflation nähert sich mit zuletzt 2,2% gegenüber Vorjahr wieder dem EZB-Ziel. Auch die jüngsten Daten zur Kerninflation stützen die allgemeine Disinflationserwartung. Es überrascht daher nicht, dass die EZB in ihren jüngsten Äußerungen auf eine nachlassende Inflation verweist und die Möglichkeit einer Zinssenkung im Oktober angedeutet hat. Aufgrund dieser Hinweise preist der Markt eine Zinssenkung im Oktober bereits fast vollständig ein. Eine Fortsetzung des Zinssenkungszyklus im Dezember erscheint ebenfalls sehr wahrscheinlich, trotz der Datenabhängigkeit seitens der EZB.
Grundsätzlich halten wir diese Beschleunigung der Zinssenkungen für gerechtfertigt, da die Kombination aus einem unter dem Trend liegenden Euro-Wachstum und einer Inflation auf Zielkurs für eine weitaus weniger restriktive Geldpolitik spricht, als dies derzeit der Fall ist. Es besteht zwar die Hoffnung, dass die jüngsten Wirtschaftsstimuli der chinesischen Politik den außenhandelsabhängigen Märkten wie Deutschland helfen werden. Wir bezweifeln allerdings, dass dies ausreichen wird, um die schwache regionale Binnennachfrage auszugleichen. Zudem besteht das Risiko, dass nach den anstehenden US-Wahlen im November Handelskonflikte wieder auf die politische Tagesordnung kommen - nicht nur zwischen den USA und China, sondern auch mit der EU - was weitere Abwärtsrisiken für das Wachstum mit sich brächte.
Derzeit preisen die Finanzmärkte einen EZB-Einlagensatz in Höhe von etwa 2,50% im Frühjahr 2025 ein. Ein weiterer Anstieg der Ölpreise, die aufgrund der zunehmenden Spannungen im Nahen Osten in die Höhe geschossen sind, könnte die Inflationsentwicklung etwas komplizierter gestalten, aber wir halten weiterhin einen gewissen Inflationsschutz, um die Portfolios gegen diese Risiken abzusichern. Darüber hinaus setzen wir weiterhin auf eine Versteilerung der Zinsstrukturkurven und – infolge der jüngsten Renditeentwicklung – auf Duration und Anleihen im Allgemeinen.
Von Michael Krautzberger, Global Cio Fixed Income bei Allianz Global Investors