- Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank auf ihrer November-Sitzung die Zinsen um 25 Basispunkte senken und damit das Zielband für den Leitzins auf 4,50-4,75% senken wird.
- Die US-Wirtschaftsdaten haben seit der Fed-Sitzung im September im Allgemeinen positiv überrascht. Darüber hinaus hat eine zuletzt wieder gestiegene Wahrscheinlichkeit eines Sieges von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen zum jüngsten Ausverkauf bei Anleihen beigetragen.
- Angesichts der Anpassungen bei den kurz- und langfristigen Zinsen sowie der Dollar-Aufwertung haben sich die monetären Bedingungen in den letzten Wochen erheblich gelockert.
- Unserer Einschätzung nach strebt die Fed weiterhin eine neutralere geldpolitische Ausrichtung an, da ihr Vertrauen in die Inflationsaussichten wächst. Die Zinsmärkte rechnen fast vollständig mit einer Zinssenkung um 25 Basispunkte auf der November-Sitzung und schätzen die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Senkung um 25 Basispunkte im Dezember auf etwa 60%. Wir stimmen mit dieser Einschätzung weitgehend überein.
- Der Ausgang der US-Wahl könnte der größte Störfaktor für die Markteinschätzung des Lockerungszyklus der Fed im Jahr 2025 sein. Wir erwarten kurzfristig eine weitere Volatilität an den Anleihemärkten, während die Anleger die politischen Implikationen des Wahlergebnisses verarbeiten.
- Unserer Einschätzung nach lässt sich das aktuelle makroökonomische und politische Umfeld in unseren Portfolios am besten durch eine Versteilerung der US-Renditekurve (und der Euro-Renditekurve) ausdrücken, auch wenn wir das Kurvenrisiko im September taktisch reduziert haben. Wir halten darüber hinaus nach Gelegenheiten Ausschau, um das Durationsrisiko opportunistisch zu erhöhen, wenn die Renditen der US-Staatsanleihen weiter steigen, oder um die Duration in anderen G10-Anleihenmärkten zu erhöhen, die nach Markteinschätzung die flachsten Zinssenkungszyklen aufweisen.
Die US-Notenbank Fed überraschte im September die Markterwartungen mit einer stärker als erwarteten Zinssenkung um 50 Basispunkte zum Auftakt ihres Zinssenkungszyklus. Sie signalisierte damit eine wichtige Verlagerung ihrer geldpolitischen Reaktionsfunktion in Richtung einer erneut stärkeren Konzentration auf den Beschäftigungsteil ihres Doppelmandats. Obwohl der Trend am Arbeitsmarkt weiterhin einen recht positiven Hintergrund für die US-Wirtschaftsaussichten darstellt, deutet der Politikwechsel der Fed – hin zu präventiven „Versicherungs-“Zinssenkungen – darauf hin, dass sich die Entscheidungsträger der Gefahr bewusst sind, dass eine zu lange Beibehaltung ihrer restriktiven Politik die Rezessionsrisiken im Jahr 2025 unnötig erhöht.
Die Leitzins-Projektionen der Fed-Mitglieder (sogenannte Dot Plots) von der September-Sitzung deuten im Mittel auf eine weitere Zinssenkung um 50 Basispunkte bis Jahresende 2024 und um 100 Basispunkte im Jahr 2025 hin. Die Zinstermingeschäfte haben dieses Ergebnis weitgehend eingepreist, mit einem Leitzinssatz von etwa 3,5% am Ende dieses Zyklus.
Die Maßnahmen der Fed haben zumindest vorläufig die Wahrscheinlichkeit einer weichen wirtschaftlichen Landung der USA im Jahr 2025 erhöht – auch wenn die Geschichte lehrt, dass dies ein eher seltenes Ergebnis ist. Die Renditen von US-Staatsanleihen haben auf die somit günstigeren Wachstumsaussichten im Jahr 2025 reagiert: Seit der Zinssenkung im September sind die Renditen 10-jähriger US-Treasuries um etwa 55 Basispunkte gestiegen.
Sollte sich die US-Wirtschaft im Jahr 2025 jedoch stärker als erwartet abschwächen, würde dies dem Markt Spielraum eröffnen, aggressivere Zinssenkungen und einen niedrigeren Zinssatz zum Ende des Lockerungszyklus einzupreisen. Unserer Einschätzung nach könnte die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung in der Tat steigen – dies hängt jedoch vom Ausmaß der bevorstehenden Verschlechterung am Arbeitsmarkt ab.
Mit Blick auf die Anlagestrategie ziehen wir es kurzfristig vor, uns auf steilere Renditekurven in den USA einzustellen. Der Grund: Der Lockerungszyklus ist nun im Gange und Anleihen sind am langen Ende immer noch mit den Herausforderungen enormer Haushaltsdefizite und den potenziellen Unsicherheiten in Bezug auf die Inflation nach den Wahlen konfrontiert. Bei einem weiteren Anstieg der Anleiherenditen könnten wir opportunistisch weiteres Durationsrisiko aufbauen, obwohl wir davon ausgehen, dass die Volatilität an den Rentenmärkten auf kurze Sicht erhöht bleiben wird.
Von Michael Krautzberger, Global Cio Fixed Income bei Allianz Global Investors