- Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank auf ihren Sitzungen am 29. und 30. Januar die Zinsen unverändert lassen und ihren Zielkorridor bei 4,25% bis 4,50% beibehalten wird, während die Europäische Zentralbank den Einlagensatz um 25 Basispunkte auf 2,75% senken dürfte.
- Die US-Wirtschaftsdaten sind seit Beginn des Zinssenkungszyklus der Fed im September 2024 verhältnismäßig positiv geblieben, während die enttäuschenden europäischen Wachstumsdaten weiterhin den zyklischen und strukturellen Gegenwind in der Region verdeutlichen.
- Handelspolitische Auswirkungen der Trump-Präsidentschaft verstärken die Erwartungen hinsichtlich der relativen Wachstumsdivergenz zwischen den USA und Europa.
- Wir gehen davon aus, dass die Fed in den ersten Monaten des Jahres 2025 in ihrer Geldpolitik zurückhaltender agieren wird als die EZB.
- Die Marktpreise spiegeln bereits einen weniger „dovishen“ Ausblick für die Fed-Politik wider – für das erste Halbjahr 2025 ist kaum noch eine Zinssenkung der Fed eingepreist. Für die EZB werden im gleichen Zeitraum mindestens drei Zinssenkungen erwartet. Angesichts der relativen Wachstums- und Inflationserwartungen für beide Volkswirtschaften halten wir diese Marktpreise zum gegenwärtigen Zeitpunkt für angemessen.
- Sollte es jedoch zu einem weiteren Anstieg der Realzinsen und der Laufzeitprämien für Anleihen in den USA kommen, könnte dies die finanziellen Bedingungen in den USA verschärfen und einige der überzogenen Wachstumserwartungen für die US-Wirtschaft in diesem Jahr abschwächen - was die Fed wieder ins Spiel bringen würde. Auch im Euroraum könnte eine Eskalation der Handelsspannungen zu schnelleren und stärkeren Zinssenkungen durch die EZB führen, als derzeit angenommen wird.
- Wir glauben, dass das derzeitige Marktumfeld sowohl für die USA als auch für Deutschland eine Versteilerung der Zinsstrukturkurve begünstigt. Durationsrisiken bevorzugen wir in Ländern, die ein besseres Risiko-Ertrags-Verhältnis bieten, vor allem in Europa. Im Gegensatz dazu bevorzugen wir eine taktische Short-Duration in den USA sowie einen US-Inflationsschutz angesichts der dortigen potenziellen Inflationsrisiken im Jahr 2025.
Zum Zeitpunkt des Amtsantritts der neuen US-Regierung befindet sich die US-Wirtschaft in einer relativ guten Verfassung - die Arbeitslosenquote liegt bei niedrigen 4,1%, und es deutet wenig darauf hin, dass eine drastische Verschlechterung des Arbeitsmarktes bevorsteht. Unterdessen ist der Marktkonsens relativ optimistisch hinsichtlich der US-Aussichten für dieses Jahr, mit einer Wachstumsprognose von 2,2% gegenüber 2,8%1 im Jahr 2024, unterstützt durch eine wachstumsfreundliche politische Agenda von Trump. Das Inflationsumfeld ist jedoch uneinheitlicher: Obwohl der Inflationsdruck nachlässt, liegt die von der Fed bevorzugte PCE-Kerninflation mit 2,8% gegenüber Vorjahr noch immer über dem Zielwert. Wir gehen daher davon aus, dass die Fed ihre vorsichtige Geldpolitik fortsetzen und die Zinsen in nächster Zeit beibehalten wird, während sie die eingehenden Wachstums- und Inflationsdaten analysiert.
Anders sieht es im Euroraum aus, für den ein Wachstum von nur 1% im Jahr 2025 prognostiziert wird (nach 0,7% im Jahr 2024). Die Volkswirtschaften des Euro-Kerngebiets sind weiterhin sowohl mit konjunkturellem als auch mit strukturellem Gegenwind konfrontiert, wobei künftige Handelsunsicherheiten und Zollrisiken weitere Abwärtsrisiken für das Wachstum in der Region darstellen. Was die Inflation betrifft, so ist der Disinflationstrend weiter intakt: Die Gesamt- und Kerninflation des Euro liegt bei 2,4% bzw. 2,7% im Jahresvergleich.
Kurzfristig zeichnen die strukturellen Herausforderungen, die Handelsunsicherheiten und die politische Lähmung, mit denen die Region konfrontiert ist – in Erwartung des Ergebnisses der deutschen Bundestagswahlen Ende Februar – ein eher düsteres Bild für 2025. Positiv zu vermerken ist jedoch, dass sich die finanziellen Bedingungen in der Region entspannen, was durch die Erwartung einer raschen Abkehr einer restriktiven Geldpolitik der EZB und einen schwachen Euro begünstigt wird. Die Aussicht auf eine Reform der deutschen Schuldenbremse nach den deutschen Wahlen könnte ebenfalls dazu beitragen, die Abwärtsrisiken für die Region zu verringern. Für die EZB-Politik ist der Zinssenkungspfad in naher Zukunft eindeutig, wobei für die kommenden Monate einige Zinssenkungen an den Märkten eingepreist sind.
Von der Positionierung her bevorzugen wir Strategien, die von einer Versteilerung der Zinsstukturkurven sowohl in den USA als auch in Deutschland ausgehen. Unserer Meinung nach sind die Laufzeitenprämien in beiden Märkten weiterhin zu niedrig. Durationsrisiken bevorzugen wir in Ländern, die ein besseres Risiko-Ertrags-Verhältnis bieten sowie in Märkten, die derzeit einen flacheren Zinssenkungszyklus einpreisen und in denen die realen Renditen attraktiv aussehen. Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir eine taktische kurze US-Durationsposition. Interessant finden wir darüber hinaus inflationsgeschützte Anlagen in den USA, angesichts der dortigen geld- und fiskalpolitischen Ausrichtung sowie der potenziellen Aufwärtsrisiken für die Inflation, die sich aus der angekündigte Zoll- und Einwanderungspolitik ergeben.
Von Michael Krautzberger, Global Cio Fixed Income bei Allianz Global Investors
1 Alle Daten von Bloomberg, Stand 22. Januar 2025