- Die Europäische Zentralbank dürfte den Einlagensatz auf ihrer Sitzung am 6. März um weitere 25 Basispunkte auf 2,50% senken
- Das Wachstum im Euroraum ist weiterhin schwach, obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Region, wieder Fahrt aufnimmt.
- Zunehmende Spannungen in den Beziehungen zwischen den USA und Europa in Bezug auf Handels- und Sicherheitspolitik sowie strukturelle Wachstumsprobleme sind die Hauptfaktoren, die die Hoffnung auf eine dauerhaftere wirtschaftliche Erholung im Euroraum dämpfen
- Die Wahrscheinlichkeit einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD nach den deutschen Wahlen, wobei Parteien an den äußeren Rändern des politischen Spektrums jedoch mit Blick auf Verfassungsänderungen eine Sperrminorität im Parlament haben, erschwert die Aussichten auf eine künftig expansivere deutsche Finanzpolitik. Gleichwohl steigen die Chancen, dass mehr Mittel für Verteidigungsausgaben auf nationaler und EU-Ebene bereitgestellt werden. Kurzfristig – für dieses Jahr – ist dieser politische Ausblick ein kleiner Lichtblick für das Wachstum im Euroraum, wenngleich dies dazu beiträgt, die aktuellen Erwartungen an eine Zinssenkung der EZB zu schmälern.
- Die Märkte für kurzfristige Zinsen preisen bis Juni mehrere Zinssenkungen der EZB auf mindestens 2%, vielleicht sogar darunter ein. Kurzfristig schließen wir uns dieser Einschätzung weitgehend an, da die regionale Wirtschaft nach wie vor Risiken ausgesetzt ist.
- Im Euroraum bevorzugen wir Positionen, die auf eine Versteilerung der deutsche Zinsstrukturkurve setzen.
Zu Beginn des Jahres 2025 ging der Marktkonsens von einem weiteren schwachen Jahr für die Wirtschaft des Euroraums aus, in dem das Wirtschaftswachstum nur geringfügig über dem 2024 erreichten, unterdurchschnittlichen Wachstum von 0,7% liegen dürfte. Die jüngste Verschärfung der Spannungen zwischen den USA und Europa hat das Wachstumsbild für 2025 weiter eingetrübt. Zusätzlich zu den Zolldrohungen der USA wurde Europa bei den Verhandlungen zwischen den USA und Russland über die Ukraine außen vorgelassen und sieht sich zunehmendem Druck der Trump-Regierung gegenüber, den Anteil der europäischen Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben darauf reagiert, indem sie nach Möglichkeiten suchen, die haushaltspolitischen Vorgaben zu ändern, um die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Die geschieht aber zu einer Zeit, in der die Volkswirtschaften der Kernländer des Euroraums durch angebots- und nachfrageseitige wirtschaftliche Einschränkungen behindert werden.
Das Ergebnis der deutschen Bundestagswahl weckt die Hoffnung auf eine künftig aktivere deutsche Finanzpolitik. Ein Sondervermögen für Verteidigungsausgaben außerhalb des Haushalts, eine Reform der Schuldenbremse oder eine gemeinsame EU-Verschuldung zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben stehen zur Debatte. Allerdings wird im nächsten Bundestag eine Zweidrittelmehrheit benötigt, um diese Reformen durchzusetzen, was angesichts einer Sperrminorität von den äußersten Linken zusammen mit den äußersten Rechten des politischen Spektrums schwer zu erreichen sein wird. Dennoch ist der neu gewählte deutsche Bundeskanzler gewillt, eine Erhöhung der Mittel für Verteidigungsausgaben auszuhandeln, was die Wahrscheinlichkeit einer expansiveren Finanzpolitik erhöht.
Trotz des schwierigen politischen und wirtschaftspolitischen Hintergrunds haben sich die Makrodaten des Euroraums und die Anlegerstimmung seit Jahresbeginn jedoch bemerkenswert gut gehalten. Die Konjunkturdaten haben im Allgemeinen positiv überrascht, wenn auch von einem niedrigen Niveau aus, was durch eine Lockerung der finanziellen Rahmenbedingungen begünstigt wurde. Aktuelle Umfragedaten deuten darauf hin, dass sich die Wirtschaft in der Region stabilisiert hat. Der zusammengesetzte Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Euroraum bewegte sich im Februar seitwärts, wobei eine stärker als erwartete Verbesserung in der Industrie durch eine Abschwächung im Dienstleistungssektor ausgeglichen wurde. Der Index für letztgenannten befindet sich aber immer noch im expansiven Bereich. In der Zwischenzeit haben EUR-Investment-Grade-Anleihen und europäische Aktien besser als ihre US-Pendants abgeschnitten. Dies ist zum Teil auf die Lockerung der finanziellen Bedingungen zurückzuführen, aber auch darauf, dass die Anleger nun beginnen, die hohen US-Wachstumserwartungen in Frage zu stellen, die den Bewertungen von US-Anleihen und -Aktien zugrundelagen.
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass es in den letzten Wochen einige „hawkische“ Kommentare von EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel gab, die einen Ansatz befürwortete, bei dem weitere geldpolitische Maßnahmen der EZB von Sitzung zu Sitzung entschieden werden. Allerdings scheint dies angesichts der Unsicherheiten, mit denen die Region konfrontiert ist, eine Minderheitenmeinung innerhalb des EZB-Vorstands zu sein. Unterdessen lässt die Verbesserung der Inflationsdynamik – eine nachlassende Dynamik am Arbeitsmarkt und langsameres Lohnwachstum (der Anstieg der Tariflöhne im Euroraum betrug im vierten Quartal nur noch 4,1% gegenüber Vorjahr, nach 5,4% im dritten Quartal) – der EZB weiterhin die Möglichkeit offen, den Einlagensatz in den kommenden Monaten weiter in Richtung 2% oder darunter zu bringen.
Aus anlagestrategischer Sicht begünstigt das aktuelle makroökonomische und politische Umfeld in Europa Positionen, die auf eine Versteilerung der deutschen Zinsstrukturkurve, was wir in unseren Portfolios reflektieren.
Von Michael Krautzberger, Global Cio Fixed Income bei Allianz Global Investors