- Wir gehen davon aus, dass die US-Notenbank bei ihrer Sitzung am 16. und 17. September die Zinsen um 25 Basispunkte senken wird, wodurch der Zielkorridor für die Fed Funds Rate auf 4,00% bis 4,25% gesenkt wird.
- Die Märkte für kurzfristige Zinsen preisen derzeit eine Zinssenkung bei beinahe jeder der letzten drei Fed-Sitzungen in diesem Jahr ein, wohingegen zu Beginn des Sommers kaum eine Zinssenkung eingepreist war.
- Der Abschwung auf dem US-Arbeitsmarkt unterstützt die jüngste Veränderung der Zinssenkungserwartungen. Der einzige Faktor, der die aktuellen Erwartungen enttäuschen könnte, wären anhaltend überraschend hohe Inflationszahlen.
- Angesichts der konjunkturellen und strukturellen Faktoren, mit denen die dortige Wirtschaft konfrontiert ist, erwarten wir für die USA weiterhin eine Versteilerung der Zinsstrukturkurve. Wir haben jedoch im Sommer die Gelegenheit genutzt, um teilweise Gewinne aus dieser Position mitzunehmen. An den Devisenmärkten sehen wir weiterhin konjunkturell bedingte und strukturelle Gegenwinde für den US-Dollar, weshalb wir den US-Dollar gegenüber einem Währungskorb weiterhin shorten.
Fed-Chef Powell signalisierte auf dem jüngsten Treffen der Zentralbanker in Jackson Hole eine eher zurückhaltende Geldpolitik. Auch der jüngste US-Arbeitsmarktbericht 1 (sowie dessen jährliche Revisionen) bestätigten die Erwartungen hinsichtlich einer Veränderung der Reaktionsweise der Fed, die sich nun auf die Abwärtsrisiken für die Konjunktur konzentriert. Zudem deutete das jüngste Beige Book 2 der Fed darauf hin, dass die Wirtschaft in den letzten Monaten weitgehend stagnierte, wobei die meisten Fed-Bezirke kaum oder gar keine Veränderungen in der Wirtschaftstätigkeit und einen schleppenden Arbeitsmarkt im Sommer meldeten. Obwohl die Fed bereits in ihrer letzten Prognoserunde im Juni die Wachstumsprognosen nach unten und ihre Erwartungen für die Arbeitslosenquote und die Inflation für 2025 und 2026 nach oben revidiert hat, könnte sie dazu neigen, in ihren aktuellen Wirtschaftsprognosen weitere Abwärtsrisiken zu berücksichtigen. Dies könnte sich in einer Senkung der Fed-Funds-Rate-Prognosen für 2025 und 2026 widerspiegeln.
Wenngleich sich die Auswirkungen der US-Zollpolitik allmählich in den Inflationsdaten niederschlagen – wobei der von der Fed bevorzugte Kern-PCE-Inflationsindex (Personal Consumption Expenditures Price Index) mit 2,9% 3 im Jahresvergleich deutlich über dem Zielwert liegt –, hat sich das reale BIP-Wachstum im Vergleich zu 2024 halbiert, und die Verbraucher müssen in den kommenden Monaten mit einem weiteren Rückgang ihrer Realeinkommen rechnen. Dieses makroökonomische Umfeld eröffnet der Fed die Möglichkeit, ihren Zinssenkungszyklus in diesem Monat wieder aufzunehmen. Da die Inflation jedoch über dem Zielwert der Fed liegt, halten wir eine Senkung um 25 Basispunkte im September für wahrscheinlicher als eine Senkung um 50 Basispunkte. Das Tempo nachfolgender Zinssenkungen dürfte vom Umfang der weiteren Arbeitsmarktverschlechterung abhängen, wenngleich sich das Bild komplizieren würde, sollte die Inflation überraschend stark ansteigen.
Die größte Unbekannte hinsichtlich des künftigen Kurses der Fed-Politik dürfte jedoch der wachsende institutionelle Druck sein, dem die Fed seitens der Trump-Regierung ausgesetzt ist. Präsident Trump beginnt, sich nachdrücklicher für eine Veränderung der Zusammensetzung des Zinsentscheidungsgremiums einzusetzen. Gleichzeitig wird eine Liste mit „wachstumsfreundlicheren” Kandidaten für die Nachfolge von Fed-Chef Powell nach Ablauf seiner Amtszeit im Mai 2026 propagiert. Infolgedessen könnten die Märkte für kurzfristige Zinsen in den kommenden Monaten ein Leitzinstief der Fed einpreisen, das deutlich unter der aktuellen langfristigen Medianprognose von 3% liegt.
Unsere Ansichten zur US-Zinsstrukturkurve und zum US-Dollar sind in den letzten Monaten weitgehend unverändert geblieben. Unseres Erachtens begünstigt die makroökonomische und politische Lage in den USA weiterhin eine steilere US-Zinsstrukturkurve, wenngleich wir kürzlich die Gelegenheit genutzt haben, um einige Kurvenrisiken abzubauen. In einem Umfeld, in dem Aufwärtsrisiken für die Inflation nicht ausgeschlossen werden können und die Sorge um die Unabhängigkeit der Fed wächst, halten wir darüber hinaus US-amerikanische inflationsgeschützte Staatsanleihen für interessant. Im Devisenbereich behalten wir aufgrund der konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen für die US-Wirtschaft eine strukturell pessimistische Einschätzung des US-Dollars bei.
Von Michael Krautzberger, CIO Public Markets bei AllianzGI
Weitere beliebte Meldungen:
1 Bureau of Labor Statistics, 5. September 2025
2 Fed, 4 September 2025
3 Alle Daten von Bloomberg, 10. September 2025