Normalerweise wäre davon auszugehen, dass die Aktienmärkte zumindest „verschnupft“ auf eine Straffung der Zinszügel reagieren. Aber während die EZB, die Bank of England und (überraschenderweise) die chinesische Zentralbank die Zügel anzogen, erreichten einige Leitindizes neue Mehrjahreshochs. Die Agenda auf den Märkten wurde eben (noch?) nicht von der Geldpolitik, sondern von einer sich beschleunigenden Übernahmeaktivität und einer Berichtssaison geschrieben, die sich als durchaus erfreulich erwies. Die für das erste Quartal abgelieferten Unternehmensgewinne brachten überwiegend positive Überraschungen. Und der Trend bei den Analystenschätzungen weist weiter nach oben. Ausnahme: Japan.
Bei dieser von Übernahmen und Gewinnen getriebenen Dynamik gerieten die Konjunkturindikatoren in der Wahrnehmung der Marktteilnehmer ins Hintertreffen. Schade! Der sich hier abzeichnende Kontinentaldrift der Wirtschaftsdynamik dürfte uns noch länger beschäftigen. Während Asien, allen voran China, geradezu boomt, und Europa – namentlich die Bundesrepublik – sicher auf den beiden Beinen eines starken Konsums und einer guten Auftragslage steht, driften die USA und Japan ab. Im Land der aufgehenden Sonne hat das Exportmomentum trotz des schwachen Yen nachgelassen. In den USA geschieht das „Softlanding“ mit wackelnden Tragflächen.
Bei fehlenden Stimuli von Seiten der Quartalsberichte, dürfte die Liquidität – das Geld – an den Märkten auch in den kommenden Wochen der Haupttreiber bleiben, was sich u. a. in einer Fortsetzung der Firmenübernahmen niederschlagen sollte. Das aber lässt die Märkte anfällig für Rückschläge
werden: etwa weil die chinesischen Geldhüter den Liquiditätshahn weiter zudrehen könnten, um einer „Bubble“ vorzubeugen, oder weil die Fed mit einem straffer als erwarteten geldpolitischen Kurs aus der Deckung geht. Die immer noch hohe Kapazitätsauslastung und der von der Importseite kommende latente Preisdruck, der sich gemächlich in den Verbraucherpreisen niederschlagen dürfte, könnten ihr Schützenhilfe leisten.
Da die Bewertungen immer noch als fair und die Gewinnaussichten als gut eingestuft werden können, empfiehlt sich eine Übergewichtung von Aktien auch weiterhin. Risikobehaftetere Segmente des Marktes sollten dabei unverändert untergewicht bleiben.
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