Die aktuelle Situation der Elektrizitätsversorger ist geprägt von einem schwierigen Umfeld. Da sind zuerst einmal die geförderten Renewables (Solar, Wind), welche durch quer-subventionierte Preise den Markt überschwemmen und traditionelle Angebot-Nachfrage-Mechanismen verzerren. Konjunkturell betrachtet bereitet die schwache Nachfrage wegen der Wirtschaftslage in Europa Sorgen, auch wenn sich hier eine gewisse Stabilisierung abzeichnet. Dazu kommt eine steigende fiskalische Belastung des Stroms (und der Stromfirmen) direkt und indirekt sowie vermehrte politisch motivierte Einflussnahme auf Preisbildung und Regulationen, welches gerade im vermeintlich sicheren Teil des Geschäfts (zum Beispiel Netzbetrieb, -versorgung) für wachsende Unsicherheiten sorgt. Und ganz allgemein sorgt der Trend zur Erhöhung der Energieeffizienz (wegen Förderprogrammen, technologischem Fortschritt) bei den Firmen für stagnierende Umsätze.
Vor diesem Hintergrund untersuchte I-CV in der vorliegenden Studie elf große europäische Stromversorger. "Dabei analysierten wir drei Kernpunkte. Erstens das operative Geschäft, zweitens das Marktumfeld und drittens die Finanzierungssituation. Beim ersten Punkt wird beispielsweise nach Erzeugungsart und nach dem geographisch diversifizierten Kraftwerksportfolio geurteilt. Auch spielen die Anteile an reguliertem und quasi-reguliertem Geschäft zum Beispiel aus dem Betrieb von Netzen und anderer Infrastruktur eine gewichtige Rolle. Beim zweiten Faktor wurde die Stabilität des makroökonomischen, politischen und regulatorischen Umfelds in den Hauptmärkten berücksichtigt. Und bei der Finanzierungssituation beurteilten wir unter anderem die angemessene Schuldenlast in Anbetracht dieser operativen und makroökonomischen Faktoren", so Kurt Hess, der verantwortliche Sektoranalyst von I-CV.
Meisterung der Krise dank Marktstärke und Flexibilität
Die Studie zeigt, dass sich die europäischen Elektrizitätsversorger in einer schwierigen Phase befinden, zumal eine Erholung der Strompreise nicht absehbar ist. Nichtsdestotrotz ist die Ertragssituation dieser Unternehmen nicht unmittelbar von dieser Entwicklung betroffen, weil Strom zum großen Teil unter langfristigen Verträgen geliefert wird und diese Konzerne in der Stromerzeugung als systemrelevante Player auch künftig eine starke Marktposition halten werden. Volumen und preisunabhängige Ertragsquellen sowie die Diversifikation außerhalb des Strombereichs (zum Beispiel Gasaktivitäten, Energy Services) und in geographischer Hinsicht sind ebenfalls stabilisierende Faktoren für das Kreditprofil der Unternehmen. "Mit ihrer Marktstärke sowie der operativen und finanziellen Flexibilität werden die Stromversorger diese Krise meistern. Wir sehen sie als Schuldner unverändert und langfristig im Bereich 'Investment Grade'. Generell sehen wir in Südeuropa Ratings im Bereich BBB, während im übrigen Europa knapp A und höher geratet wird. Best eingestufter Emittent ist die schwedische Vattenfall mit AA- vor GdF Suez mit A+. Für Investoren ergibt sich aus der umfassenden Analyse das Resümee: die großen europäischen Stromversorger bleiben solide Schuldner in einen anspruchsvollen Umfeld, solange sie strukturell nicht aufgebrochen werden. Das kann man hingegen nicht auf kleinere, weniger diversifizierte Unternehmen im Sektor übertragen, wo wir teilweise beunruhigende Entwicklungen feststellen", sagt Hess.
Vorsicht bei Hybridanleihen
Vorsicht ist allerdings bei Hybridanleihen angebracht. Europäische Stromkonzerne sind die aktivsten Emittenten bei der gegenwärtigen Flut von Hybridanleihen. Typischerweise haben diese nachrangigen Papiere keine Endfälligkeit. Durch einen Step-up der Kupons haben die Unternehmen aber einen großen Anreiz, die Anleihen zum Zeitpunkt dieses Step-ups (Call Date) vorzeitig zurückzuzahlen Auf der Jagd nach Rendite wird die Bonität dieser Hybridanleihen aus Sicht von I-CV aber überschätzt.
"Schon bei mäßig schweren zyklischen Problemen wären schnell Kuponausfälle und Verlängerungen der Laufzeit möglich; auch andere Hybride würden bei solchen Vorkommnissen extrem volatil reagieren (siehe Erfahrung Tier 1 während Bankenkrise). Es gibt keine Begrenzung zur Aufnahme von weiteren Schulden auf der Stufe 'Senior Unsecured', womit diese Hybridinstrumente in der Priorität weiter zurückfallen könnten. Wir stufen Hybride ohne Endfälligkeit in der Regel mit einem substanziellen Ratingabzug gegenüber dem Senior Rating ein, um diese Risiken adäquat widerzuspiegeln. Wir empfehlen daher, sich bei diesen Papieren an die etablierten Namen mit höheren Senior Ratings (zum Beispiel GdF Suez, EnBW) zu halten", so Hess.