Nach Ansicht des Gerichts ist der Verkaufsprospekt des Creativ-Fonds vom November 1999 unvollständig. Das Kern-Investment war der Neue Markt Deutschland. Doch der Begriff "Neuer Markt" taucht in den Anlagezielen und -grundsätzen des Prospekts nicht auf – auch keine gleichwertige Bezeichnung.
Anlageziel eines Fonds muss deutlich angegeben werden
Zwar wurden dort Kriterien genannt, die auch auf Unternehmen des Neuen Marktes passten oder hinwiesen, aber auch auf andere Segmente. Und das ist der Knackpunkt: Anleger sollen sich das Anlageziel nicht selbst erschließen müssen, so die Richter. Das Anlageziel muss deutlich angegeben werden. Gerade weil der Neue Markt wegen seiner besonderen Chancen und Risiken nicht mit anderen Börsensegmenten vergleichbar ist.
Klagen gegen Julius Bär betrifft alle Creativ-Fonds-Anleger
Das Urteil betrifft auch alle anderen Creativ-Fonds-Anleger, die sich bei ihrer Kaufentscheidung auf den Fondsprospekt vom November 1999 gestützt haben. "Wer seine Verluste aus diesen Gründen einklagt, kann mit einem positiven Urteil rechnen, da es sich um dasselbe Gericht handelt", erklärt Rechtsanwalt Klaus Nieding von der Frankfurter Kanzlei Nieding und Barth.
Weitere Fonds mit unklarem Anlageziel
Und nicht nur das: Andere Gesellschaften haben ebenfalls Fonds mit Schwerpunkt Neuer Markt aufgelegt. Auch hier können die Prospekte unzureichend sein. Fonds, die den Neuen Markt bereits im Namen tragen – wie der Adig Neuer Markt P oder der Invesco Neue Märkte – haben in der Regel auch im Prospekt das Kind beim Namen genannt. Anders bei Fonds wie dem DAC Kontrast Universal oder dem KJW-Universal. Diese grenzten ihr Anlageziel oft pauschal auf Wachstumswerte ein, waren dann aber überwiegend nur am Neuen Markt investiert.
So spricht der Verkaufsprospekt des KJW-Universal von einer "breit gestreuten, internationalen Anlagepolitik, die sich für alle Anleger eignet, die ihr Vermögen international strukturiert und ausgewogen investiert anlegen wollen". Fakt ist aber, dass der hohe Anteil an Neuer-Markt-Werten das Depot seit Januar 2001 um knapp 80 Prozent hinunterriss. Ein anderes Beispiel ist der VMR Strategie Quadrat. Offiziell ein Mischfonds, orientierte er sich zeitweise stark am Julius Bär Special German B von Kurt Ochner. Und dieser war vor allem am Neuen Markt auf Kauftour.
Klage gegen andere Fondsgesellschaften möglich
Auch hier könnten die Anleger gute Chancen haben, sich ihr Geld zurückzuholen. Voraussetzung: Das Urteil bleibt bestehen. Darüber wird nun wohl in zweiter Instanz entschieden. Doch immerhin ist die 21. Kammer am LG Frankfurt, die in erster Instanz das Urteil fällte, spezialisiert auf Bank- und Börsenrecht. "So eine Entscheidung hat einiges Gewicht", sagt denn auch Anwalt Klaus Nieding.
Risikofaktor Kosten
Das Risiko bei einem Gang vors Gericht sind die Kosten. Sollte ein Anleger später in zweiter Instanz verlieren, so muss er die gesamten Kosten für beide Instanzen tragen. Bei einem Streitwert von 100000 Euro sind das immerhin etwa 18000 Euro.
Verjährung droht
Aber: Die Zeit drängt. Die wenigsten Anleger dürften das Ende des Jack-White-Verfahrens abwarten können, da die Verjährung droht. Mögliche Ansprüche verfallen drei Jahre nach dem Kauf und sechs Monate, nachdem der Anleger von dem fehlerhaften Prospekt erfahren hat. Deswegen sollten Anleger die Verkaufsprospekte von Fonds, die (auch) am Neuen Markt investiert haben, unter die Lupe nehmen und einen Anwalt konsultieren, der ihre Chancen beurteilt. Dann werden vielleicht auch noch die Felle anderer Bären verteilt.
Fonds mit unklaren Prospekten
Name (WKN): Wertentwicklung seit 1.1.01
DAC Kontrast Universal (849069): -87,2 %
KJW-Universal-Fonds (976748): -79,7 %
Nordinvest EuropeGrowth (979204): -61,6 %
VMR Strategie Quadrat (987581): -81,7 %
Anmerkung: Der VMR Strategie Quadrat ist seit 9.8.2002 in den VMR Balanced (WKN 939936) integriert. Die Wertentwicklung des VMR Strategie Quadrat datiert daher bis zum 9.8.2002.