Es gilt als eines der größten Experimente der Finanzgeschichte: die Quantitative Easing-Programme. Für eine abschließende Beurteilung über deren Erfolg oder Nicht-Erfolg ist es noch zu früh. Doch aufgrund ihrer hohen Bedeutung und den bisherigen Auswirkungen auf die Volkswirtschaften einzelner Staaten nahm sich I-CV in der Länderstudie 2015 diesem Faktor intensiv an. "Die verschiedenen QE-Programme zur Ankurbelung der Kreditvergabe (USA, China, Japan, EU und UK) bewirkten, dass die globale Verschuldung weiter zunimmt und seit der Finanzkrise im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung weiter angestiegen ist. Im Banne des günstigen Geldes wird die Haushaltsdisziplin schlicht und ergreifend vertagt. Die fortgesetzte Verschuldung erschwert, dass strukturelle Mängel in zahlreichen Ländern konsequent angepackt werden. Weil die hoch verschuldeten Staaten aber ihre Ausgaben drosseln müssen, soll der Privatsektor durch schuldenfinanzierte Ausgaben das Wachstum ankurbeln. Dies verursacht vielerorts eine erneute Blasenbildung", so René Hermann, Lead-Autor der I-CV-Länderstudie.
Überproportionales Kreditwachstum
Die künstlich tief gehaltenen Zinsen führen zu einem überproportionalen Kreditwachstum. So gehen in den Schwellenländern viele Kredite an private und staatsnahe Unternehmen sowie Privathaushalte (Konsumkredite). Doch das starke Kreditwachstum ist nicht nur in den Emerging Markets ein ernstzunehmendes Warnsignal. Zahlreiche Kredite fließen insbesondere in westlichen Industrienationen weiterhin in Immobilien. Dies führt nicht zu höherem Wachstum, sondern zu höheren Häuserpreisen und einem Wohlstandseffekt. Daher zeichnen sich klare Anzeichen einer Blasenbildung in den Häusermärkten von Norwegen, Belgien, Finnland, Schweden, Kanada und der Schweiz ab. "Die Kreditvergabe mündet immer weniger in produktive Anlagen, weshalb die Schuldenlast nicht abgetragen werden kann und es mehr Schulden braucht, um das Wachstum zu halten. Diese Entwicklung ist aber nicht nachhaltig. Eine weitere Folge der globalen Vorgänge in den Finanzsystemen ist, dass sich die Qualität der Zentralbankbilanzen weiter verschlechtert und in Zukunft die Steuerzahler nicht unerheblich belasten wird", meint Hermann.
Diese und viele weitere Erkenntnisse der I-CV-Länderstudie inklusive der Bonitätseinstufung von 50 Staaten resultieren aus dem stetig weiterentwickelten 4-Phasen Sovereign-Modell. Aufgrund von mehr als 50 Bewertungsfaktoren wird zuerst die fundamentale Stärke der Staaten evaluiert. "Hier misst unser quantitatives Modell die Bonitätsstärke respektive -schwäche aufgrund aktueller Daten und Prognosen (IWF, OECD, etc.). Im Anschluss an Phase 1 unterziehen wir die individuellen Staatsbilanzen einem Deleveraging Szenario. Die Resultate werden in den I-CV Risk Score überführt. Die Ergebnisse aus Phase 1 und Phase 2 konsolidieren wir zu einem I-CV Rating. Und in Phase 4 untersuchen wir wichtige Trends und Entwicklungen, welche die Ratings zukünftig beeinflussen können. Schlussendlich dienen die Erkenntnisse bei der Umsetzung der Ratings in Relative Value Vorschläge", sagt Hermann.
Fünf Upgrades stehen sechs Downgrades gegenüber
Im I-CV Ratinguniversum stehen nach den jüngsten Untersuchungen fünf Upgrades sechs Downgrades gegenüber. Dazu Hermann: "Die Upgrades sind durch Fortschritte in der Konsolidierung des Haushalts, der Rückkehr zum Wachstum und der Umsetzung von Strukturreformen begründet. Die Downgrades führen wir in erster Linie auf die Korrektur der Rohstoffpreise sowie politische Unsicherheitsfaktoren zurück. Generell beurteilen wir die Bonität der Länder gesamthaft weiterhin differenzierter als der Markt und die offiziellen Agenturen. Promineste Upgrade-Nation sind die USA, welche wir aktuell mit AA einstufen. Auch Polen, Irland, Belgien und Dänemark benoten wir aktuell besser als vor einem Jahr. Niedriger eingestuft aber unverändert im vorderen Drittel der Gesamtliste platziert, sind Chile, Finnland und Hong-Kong. Von den deutschsprachigen Ländern erhält einzig die Schweiz die Bestnote AAA vor Deutschland und etwas abgeschlagen Österreich. Auch Norwegen und Schweden bleiben top geratetet, während Kasachstan, Südafrika, Russland und Portugal mit Ratings im Non-Investment Grade auf den hinteren Rängen landen."
Mit den Studienergebnissen, die neben den reinen Bonitätsbeurteilungen umfassende volkswirtschaftliche Analysen beinhalten, ergeben sich interessante Aufschlüsse für Bondinvestoren und Risikomanager, die sie in ihre künftigen Anlageentscheidungen und Marktbeurteilungen integrieren können. Dazu meint der Studienautor abschließend: "Zu den Erkenntnissen zählt unter anderem, dass die expansive Geldpolitik die Risikowahrnehmung verzerrt und Investoren in risikoreichere Anlageklassen drängt, die eigentlich nicht mit ihrem Risikoprofil konform sind. Zudem dürfen die künstlich tiefen Renditen und Spreads nicht über die fundamentalen und strukturellen Probleme einiger vermeintlich starker Länder hinwegtäuschen. Selektive Schwellenländer bieten immer noch Opportunitäten; eine vorsichtige Auswahl nach fundamentalen Kriterien und eine laufende Überwachung bleibt jedoch oberstes Gebot. Vorsicht ist bei exotischen Emittenten mit schlechter Transparenz und unregelmäßiger Berichterstattung angesagt. Alles in allem bleibt das Umfeld für Investoren sehr anspruchsvoll und es gilt mehr denn je, Anlageoptionen intensiv zu durchleuchten."