Der Klimawandel verursacht neben der Erderwärmung und damit verbunden immer häufigeren Extremwetterereignissen auch finanzielle und ökonomischen Risiken. Manche dieser Risiken werden nicht vom Klimawandel direkt ausgelöst, sondern resultieren aus diesbezüglichen Reaktionen der Politik, der Unternehmen oder der Konsumentinnen und Konsumenten. Die so genannte Transition, also die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft, kann dazu führen, dass sich Preise von bestimmten Energieträgern oder anderen Gütern drastisch ändern und damit auch die Erträge von deren Produzenten. Wenn diese Unternehmen Kredite aufgenommen haben, die sie aufgrund der Transition nicht mehr bedienen können, erhöhen sich auch die Risiken des Bankensektors.
Notenbanken und Aufsichtsbehörden haben daher begonnen, diese Arten von Finanzrisiken genauer zu untersuchen. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hat in ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht eine Analyse veröffentlicht, in der erstmals das Ausmaß der Exponierung der österreichischen Banken gegenüber diesen Risiken berechnet wurde. Dabei wurden mit einer Methode der Professoren Stefano Battiston (Universität Zürich) und Irene Monasterolo (WU Wien) wirtschaftliche Aktivitäten identifiziert, die von einer Transition möglicherweise negativ betroffen sind. Diese klimapolitisch relevanten Sektoren (Climate Policy Relevant Sectors, CPRS) teilen sich in sechs Kategorien – „fossile Brennstoffe“, „Energieversorger“, „energieintensive Produktion“, „Gebäude“, „Verkehr“ und „Landwirtschaft“. Sonstige nicht-klimarelevante Aktivitäten, wie etwa die Bereiche Verwaltung, Bildung, Finanzen und Gesundheitswesen, werden in der Kategorie „Sonstige“ zusammengefasst. In weiterer Folge erfolgte eine Aggregation der Forderungen der Banken gegenüber den Unternehmen aus den jeweiligen Sektoren.
Die Untersuchung ergab, dass die Exponiertheit der Banken 2019 sowohl gegenüber Unternehmen in der Kategorie „fossile Brennstoffe“ relativ gering ist (8 Mrd EUR bzw. 0,92 % am Gesamtexposure der österreichischen Banken) wie auch gegenüber Energieversorgern (14 Mrd EUR bzw. 1,62 %). Das Exposure gegenüber energieintensiven Sektoren, das sind z. B. die Herstellung von Chemikalien oder Elektronik, und dem Transportwesen ist in etwa gleich hoch (30 Mrd EUR bzw. 3,45 %). Der Großteil des Exposures ergibt sich aus Immobilienkrediten, da die Transition zu höheren Energiestandards für Gebäude und damit zu erhöhtem Investitions- oder Abschreibungsbedarf in diesem traditionell großen Segment führen kann (142 Mrd EUR bzw. 16,40 %). Die Exponiertheit gegenüber Landwirtschaft fällt unter diesen Kategorien am geringsten aus (3 Mrd EUR bzw. 0,35 %).
Die Exponiertheit im Bankensektor war Ende 2019 (Stichtag für die Analyse) relativ gleichmäßig verteilt. Allerdings zeigt die Analyse, dass größere Banken ein höheres Exposure gegenüber fossilen Brennstoffen und energieintensiven Sektoren haben als kleine oder mittlere Banken und dass einige wenige, nicht systemisch relevante Spezialinstitute eine höhere Exposure-Konzentration aufweisen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 26 % (bzw. 228 Mrd EUR) der Aktiva österreichischer Banken über die klimapolitisch relevanten Sektoren dem Risiko des Klimawandels ausgesetzt sind. Verglichen mit verfügbaren Studien in anderen Ländern zeigt sich, dass die Risikoverteilung über die sechs Kategorien grundsätzlich sehr ähnlich ist. Jedoch weisen österreichische Banken speziell im Bereich der fossilen Brennstoffe eine geringere Exponiertheit auf. Generell muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit von Daten keine Detailanalysen der Bankportfolios möglich sind; dennoch gibt die Analyse eine erste Indikation über die Exponierung des österreichischen Bankensektors.
„Die Risken des Klimawandels und der daraus resultierenden Reaktionen der Wirtschaftspolitik müssen von den Kreditinstituten ausreichend gemessen, bewertet und gesteuert werden“, betont Vize-Gouverneur Gottfried Haber. Gouverneur Robert Holzmann hebt die hohe gesellschafts- und wirtschaftspolitische Bedeutung der Diskussion des Themas Klimawandel hervor: „Auch die Notenbanken und Aufseher sind sich der ökonomischen Herausforderungen des Klimawandels bewusst. Sie werden daher auch im Rahmen der Diskussion der geldpolitischen Strategie des Eurosystems mögliche Effekte des Klimawandels auf die Geldpolitik umfassend behandeln.“ Einige Notenbanken und Bankenaufsichtsbehörden haben weiters bereits angekündigt, in den kommenden Jahren die Effekte des Klimawandels auf den Banksektor auch in Klima-Stresstests abzubilden, um hier frühzeitig zu einer Einschätzung zu kommen. In der OeNB haben bereits die ersten Arbeiten zu einem Klima-Stresstest begonnen – Ergebnisse werden bis Ende 2021 erwartet. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird erstmals 2022 die Widerstandsfähigkeit der Banken im Euroraum gegenüber den Risiken des Klimawandels analysieren.
Die vollständige Studie finden interessierte LeserInnen hier als PDF-Dokument:
-) Austrian banks’ exposure to climate-related transition risk