Bedeutung und Ablauf eines ESG-Ratings für Regionalbanken
Vorab ein paar Worte zum den aktuellen Entwicklungen der vergangenen Monate: Laut dem am 28. Februar 2022 veröffentlichten IPCC (Integrated Pollution Prevention and Control) Report des UN-Weltklimarates ist bei den aktuell gesetzten Klimaschutzmaßnahmen mit einer Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur von 2,5-2,9 Grad zu rechnen. Im Jahr 2022 sind somit erste Schritte der Banken und Unternehmen in Richtung der Integration von Klima- und Umweltrisiken absolut notwendig, um mit dem zu erwartenden Tempo der weiteren Entwicklung Schritt halten zu können. So sind die Disclosure-Verordnung und die Taxonomie bereits für größere Unternehmen und Banken umzusetzen. Auch drängen die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) Großbanken zu mehr Tempo beim Thema Klimaschutz. Auch wird das Jahr 2022 gemäß EZB das Jahr sein, in dem Klima- und Umweltrisiken zu einem festen Bestandteil der täglichen Aufsichtsarbeit werden und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis alle Banken und Unternehmen in der Europäischen Union nachziehen müssen.
Mit dem Green Deal Ansatz verfolgt die EU das Ziel bis 2050 klimaneutral zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Transformation und Investitionen in allen Bereichen der Wirtschaft notwendig, unter anderem in umweltfreundliche Technologien, Unterstützung der Industrie bei Innovationen, bei der Einführung umweltfreundlicherer, kostengünstigerer und auch gesünderer Formen des privaten und öffentlichen Verkehrs, Dekarbonisierung des Energiesektors, Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden und vieles mehr.
Regionalbanken spielen bei der Herausforderung des Klimawandels eine zentrale Rolle Zum einen sind ihre detaillierten Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten unerlässlich für eine zielgerichtete Vergabe von Krediten, Fördermitteln und staatlichen Hilfen. Zum anderen soll der EU Green Deal dezentral, regional und auf lokaler Ebene umgesetzt werden. Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) als Kunden der Regionalbanken sind daher die Hauptakteure, um einerseits den Transformationsprozess zu begleiten und um andererseits davon zu profitieren.
Regionalbanken als potenzielle Kreditgeber grüner Projekte von KMU sind daher verpflichtet, die unternehmerischen Investitionsvorhaben ihrer Kunden sorgfältig auf Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele zu überprüfen. Der effizienteste Weg dazu erfolgt über ESG-Ratings.
Der Nutzen des ESG-Ratings für ein regionales Finanzinstitut
Eine ESG-Analyse ist ein sehr flexibles Instrument, das nicht nur für ein klassisches Nachhaltigkeitsrating verwendet werden kann, sondern auch für eine sogenannte Second Party Opinion (SPO), für Anleiheemissionen („Green Bonds“) und die ESG-Bewertung von Grünen Krediten („Green loans“) sowie als Vorbereitung für Grüne Sparbuch-Angebote als ESG-Beurteilung herangezogen werden kann. Unter einer SPO versteht man ein Gutachten für einen Green Bond oder Grünen Schuldschein. Dabei wird geprüft, ob die Auswahlprozesse und die Projekte, die über ein grünes Instrument finanziert werden, nachhaltigen Kriterien entsprechen. Anders als beim ESG-Rating analysiert die Agentur dabei nicht zwangsläufig das gesamte Unternehmen.
Aus Sicht einer Regionalbank dient ein ESG-Rating als Nachweis, dass das finanzierte Unternehmen, die Anleihe oder der Kredit nachhaltige Kriterien und Vorgaben berücksichtigt und diesen auch entspricht. Nachhaltigkeit muss aus Sicht der rfu die ökologischen, die sozialen und die Themen der Governance vollständig abdecken. Hilfreich für Regionalbanken ist auch ein Benchmarking, mit dem die individuelle Nachhaltigkeitsleistung der von den Regionalbanken finanzierten Unternehmen mit anderen Unternehmen verglichen werden kann. Dies dient einerseits dazu, um das Kreditportfolio der Regionalbank, das aus vielen Finanzierungen an Unternehmen und Kunden besteht, schlüssig als Ganzes beurteilen zu können, andererseits um Verbesserungen bei den Unternehmen zielgerichtet anstoßen zu können. Regionalbanken haben meist einen sehr engen Kontakt mit den von ihnen betreuten Unternehmen und Kunden. Daher kommt dem Diskurs der Regionalbank mit den Kunden über das Verbesserungspotenzial aus dem ESG-Rating eine besondere Bedeutung zu, da gerade hier ein enormer Hebel für Transformation der Region in Richtung Klima- und Umweltschutz besteht. Über ein Mapping sollte auch ein Vergleich mit ESG-Ratings anderer Anbieter möglich sein.
Vorteil und Nutzen von ESG-Ratings
In der Abwägung von Aufwand und Nutzen eines ESG-Ratings überwiegt eindeutig der Nutzen. Einerseits vertieft sich mit der Zeit im Unternehmen das Bewusstsein, wie Vorteile aus einem nachhaltigen Unternehmensansatz gezogen werden können. Andererseits gibt es starke Stakeholder-Interessen: Hier sollen die Vorteile eines ESG-Ratings und von SPOs von ESG-Anleihen und Krediten für drei Gruppen hervorgehoben werden:
- Für Investoren, die bevorzugt in nachhaltige Veranlagungen investieren, ist ein ESG-Rating des Emittenten und eine SPO der Emission unverzichtbar, um die Wirkung auf die Nachhaltigkeit beurteilen zu können. Anderenfalls ist ein Investment nicht möglich. Das gilt auch für die Eigenveranlagung von Banken im sogenannten A Depot. Auch wird die Vergabe von Krediten von Banken an Unternehmen zunehmend an die Existenz eines entsprechend guten ESG-Ratings des Unternehmens gebunden. Das verlangt wiederum, dass die Banken selbst ihr eigenes ESG-Rating und ihr ESG-Framework veröffentlichen. Das ESG-Framework der Regionalbank beschreibt, welche Projekte die Bank finanziert und nach welchen Positiv- und Negativkriterien die Auswahl der Projekte erfolgt.
- Kommunen, Unternehmen und andere Stakeholder benötigen vielfach ein ESG-Rating, um Aufträge vergeben zu können. Kommunen folgen bei der Vorbereitung einer Auftragsvergabe oft nachhaltigen Auftragskriterien. ESG-Ratings der Auftragsnehmer unterstützen den Auswahlprozess der Lieferanten-Due Diligence.
- Kunden, die ein stärkeres und spürbares Engagement für Umwelt und Klimaschutz bereits aktiv einfordern. So gehören Nachhaltige Fonds, Sparbücher und Kontoprodukte bereits zu den Top-Sellern von Banken und Fondsgesellschaften.
Wie läuft ein ESG-Rating nun konkret ab?
Mittelständische Unternehmen und Regionalbanken sind ja häufig der Meinung, sie wären zu klein für ein systematisches Management und Reporting der Nachhaltigkeit und für ein externes Nachhaltigkeits-Rating. Das ist aber ein Irrtum, denn gerade der Mittelstand ist aufgrund seiner regionalen Verankerung und seiner oft jahrzehntelangen Marktpräsenz ein wichtiger sogenannter „Corporate Citizen“. Darunter versteht man das bürgerschaftliche oder gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens in seiner Region als sogenannter „guter Bürger“ mit einer gemeinwohlorientierten Unternehmensstrategie.
Das rfu-Rating auf Basis des rfu-Nachhaltigkeitsmodells ist daher so gestaltet, dass auch die „gelebte“ Nachhaltigkeit identifiziert und gewürdigt werden kann. Konkret: anstatt eines hunderte Seiten dicken NH-Berichts sammeln wir über öffentliche verfügbare Daten hinaus, oft im direkten Dialog mit den Unternehmen – meist über Fragebogen und Interviews - quantitative und qualitative Informationen und gießen diese in ein ESG-Rating. Zu den Nachhaltigkeits-Kriterien zählen u.a. die Mitarbeiterpolitik, das Spektrum der angebotenen Produkte und Dienstleistungen, das Engagement in der Region, das Umweltmanagementsystem und die Produktökologie etc.
- Grundstruktur des rfu-Modells ist eine Matrix mit sechs Stakeholdergruppen und vier Management-Ebenen. Jeder Schnittpunkt dieser 6x4-Matrix bildet ein Bewertungsfeld, dem Kriterien zugeordnet sind. Insgesamt enthält das Nachhaltigkeitsmodell knapp 100 einzelne Kriterien, operationalisiert durch ca. 400 quantitative und qualitative Indikatoren. Die Kriterien werden nach Relevanz für das jeweilige Unternehmen gewichtet, insbesondere abhängig von der Branche und der Position in der Wertschöpfungskette. Z.B. hat die Beschaffung und der damit verbundene ökologische und soziale „Rucksack“ für einen Handelsbetrieb eine höhere Bedeutung als für einen integrierten Produzenten. Jedes Kriterium wird im Bereich von -10 bis +10 Punkten bewertet und geht mit seiner spezifischen Gewichtung in die Gesamtbewertung ein. Der aggregierte Punktewert wird in ein Rating auf einer neunstufigen Skala von A+ („innovativ“) bis C- („regressiv“) transformiert.
Abschließend kann gesagt werden, dass Banken durch ein ESG-Rating zum einen ihr eigenes Image als nachhaltiges Finanzinstitut mit entsprechend gutem Feedback von Kunden und Investoren verbessern, inklusive stärkerer Bindung in der Geschäftsbeziehung. Zum anderen sind die Kreditrisiken ESG-konformer Kreditnehmer, welche es mit entsprechendem ESG Rating ausweisen, tendenziell niedriger. So scheint es, dass die Risikokosten von Banken mit ESG-Fokus zum Teil deutlich unter dem Branchendurchschnitt liegen. Eine Chance, die gerade Regionalbanken aufgrund ihrer speziellen Position als Finanzierer einer Region einen Vorteil gegenüber größeren Banken bietet.
Georg Lehmann, Senior Consultant, rfu
Weitere Leistungen sind u.a. die Erstellung von Prüfgutachten nach dem Österreichischen Umweltzeichen sowie Second Party Opinions zur Emission von Green und Social Bonds. Weitere Informationen finden Sie auf www.rfu.at Über die Artikelserie "GOING GREEN":
Die rfu, mit Sitz in Wien, ist Österreichs Spezialistin für Nachhaltiges Investment und Management und unterstützt institutionelle Kunden mit Nachhaltigkeits-Research und der Konzeption von Investmentprodukten. „Technologisches Herz" sind die rfu Nachhaltigkeitsmodelle für Unternehmen, Länder und Rohstoffe.
GOING GREEN ist eine monatliche Kolumne auf e-fundresearch.com zu Entwicklungen und Hintergründen im nachhaltigen Investment, verfasst von Reinhard Friesenbichler und seinen Kolleginnen und Kollegen aus der rfu.