Was wäre, wenn nicht Tore, sondern die ESG-Performance die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 entscheiden würden?
Angesichts der hochpeinlichen Häufung an Skandalen rund um die Vorbereitung und Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar, scheint es nahliegend sich einmal die Performance der Endrunden-Teilnehmer am ökologischen und sozialen Spielfeld näher anzusehen. Wer sind die Großmächte der Nachhaltigkeit? Zu diesem Zweck verwenden wir zwar den realen WM-Spielplan, jedoch bestimmen sich die Resultate aus dem Nachhaltigkeits-Rating des rfu Ländermodells.
Konkret verwenden wir die rfu Nachhaltigkeits-Scores auf der Skala von -10 bis +10. Um die Ergebnisse der einzelnen Spiele zu „prognostizieren“, werden diese Scores halbiert und auf die nächste ganze Zahl gerundet (in den nachstehenden Tabellen als „WM Score“ bezeichnet). In den jeweiligen Paarungen werden die WM Scores in Tore umgerechnet. (Da es keine negativen Tore gibt, werden negative Werte auf 0 gesetzt und positive Werte im selben Ausmaß angepasst.)
Gruppenphase mit 32 Teams
Die 32 qualifizierten Teams aus allen Regionen der Welt sind acht Gruppen (A bis H) zugelost worden. In Gruppe A findet sich der Gastgeber Katar und verliert im Eröffnungsspiel am 20.11. mit 0:2 gegen Ecuador. Katar gehört, mit einem ESG-Rating von c bzw. einem Score von -4,2, zu den vier schlechtesten Ländern im Teilnehmerfeld. Hierzu tragen sowohl der hohe Energieverbrauch als auch die kaum entwickelten demokratischen Strukturen und die oft prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen der zahlreichen Gastarbeiter bei. Klarer ESG-Gruppensieger sind die Niederlande, die sich damit, ebenso wie das zweitplatzierte Ecuador, für die K.O.-Phase des Turniers qualifizieren.
Aus Gruppe B kommen England und Wales – über das ESG Rating von Großbritannien – in die nächste Runde weiter. Das politische Schlagerspiel USA gegen Iran entscheiden die USA nur mit einem knappen 1:0 für sich.
In Gruppe C tritt Saudi Arabien an, das Land mit dem niedrigsten ESG Rating aller Teilnehmer und beendet mit 0 Punkten und einer Tordifferenz von -12 das Turnier. Glückliche Aufsteiger in dieser insgesamt schwächsten Gruppe sind Argentinien und Polen.
In Gruppe D erlangt Dänemark knapp vor Frankreich den Sieg. Hier kommt die Regel zu tragen, dass bei Gleichstand im WM-Score, der höhere ursprüngliche ESG Score den Ausschlag gibt.
Gruppe E ist die insgesamt stärkste, in der Deutschland – mit B+ eigentlich gut geratet - scheitert. Als Aufsteiger gehen Costa Rica und Spanien hervor.
Belgien und Kroatien sind die Aufsteiger der eher schwachen Gruppe F.
G ist wohl jene Gruppe mit dem größten Gegensatz zwischen fußballerischer und öko-sozialer Performance. Der fünffache Weltmeister Brasilien erreicht im ESG-Ranking, trotz überwiegend schwacher Gegner, nur Platz 3. Die Schweiz kommt als klarer Sieger in die nächste Runde.
Das kleine Uruguay, immer für Überraschungen gut, gewinnt vor Portugal die Gruppe H.
In der K.O.-Phase ist verlieren verboten
16 Nationen sind noch im Turnier und treten nach einem vordefinierten Spielplan gegeneinander an. Die Teams mit schwächeren ESG-Bewertungen scheiden jetzt aus dem Bewerb aus, aber auch starke Länder wie die Niederlande, Portugal, Belgien und der regierende Vize-Fußball-Weltmeister Kroatien scheitern knapp.
Aus dem Viertel- und dem Halbfinale gehen letztlich die Schweiz und Uruguay als Finalisten hervor, wogegen Frankreich - der Fußball-Weltmeister 2018 - und Dänemark das Spiel um Platz 3 bestreiten.
Und der ESG-(Fußball)-Weltmeister 2022 heißt …
… Uruguay! Bereits 1930 und 1950 Fußball-Weltmeister, entscheidet Uruguay die ESG-Weltmeisterschaft 2022 mit einem knappen 3:2 gegen die Schweiz für sich. Was macht das nur 3,5 Millionen Einwohner zählende südamerikanische Land so nachhaltig? Uruguay ist ein demokratischer Rechtsstaat und weist eine positive Bilanz hinsichtlich der Wahrung politischer Rechte und ziviler Freiheiten auf. Das Land gehört zu den stabilsten, wohlhabendsten und sichersten der Region. Im Rating der sozialen Dimension liegt Uruguay auch global im obersten Zehntel, aber ohne, wie viele Länder Mittel- und Westeuropas, diesen Vorsprung im Umwelt-Rating wieder weitgehend einzubüßen. Trotz ökologischer Schwachpunkte wie z.B. Biodiversitätsverlust positioniert sich Uruguay noch im globalen Mittelfeld. Gesamtergebnis ist eine ausgewogene ESG-Performance, die nur von ganz wenigen Staaten wie z.B. Schweden übertroffen wird. Deren Pech ist nur: Sie haben die WM-Qualifikation nicht geschafft.
Von Mag. Reinhard Friesenbichler, Managing Director und Ariane Kober, Senior Analyst, rfu
Weitere Leistungen sind u.a. die Erstellung von Prüfgutachten nach dem Österreichischen Umweltzeichen sowie Second Party Opinions zur Emission von Green und Social Bonds. Weitere Informationen finden Sie auf www.rfu.at Über die Artikelserie "GOING GREEN":
Die rfu, mit Sitz in Wien, ist Österreichs Spezialistin für Nachhaltiges Investment und Management und unterstützt institutionelle Kunden mit Nachhaltigkeits-Research und der Konzeption von Investmentprodukten. „Technologisches Herz" sind die rfu Nachhaltigkeitsmodelle für Unternehmen, Länder und Rohstoffe.
GOING GREEN ist eine monatliche Kolumne auf e-fundresearch.com zu Entwicklungen und Hintergründen im nachhaltigen Investment, verfasst von Reinhard Friesenbichler und seinen Kolleginnen und Kollegen aus der rfu.