Zahlreiche internationale Unternehmen haben ihre Produktionsstätten nach China verlegt und so waren die ausländischen Direktinvestitionen 2003 mit insgesamt 53 Milliarden US-Dollar die höchsten weltweit. Doch spätestens seit den Protestaufrufen gegen große Sportartikelhersteller sind die China-Geschäfte internationaler Unternehmen in die Kritik geraten. In ihrer neuen Studie prüft die Bank Sarasin, inwiefern das wirtschaftliche Verhalten von Unternehmen in China mit ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung in Einklang gebracht werden kann. Es zeigte sich, dass es einige Beispiele einer „guten Praxis" gibt, jedoch bleibt die Sicherstellung angemessener Arbeitsbedingungen eine Herausforderung.
Aufgrund des ungebrochenen Investitionsflusses westlicher Unternehmen entwickelt sich China immer mehr zum globalen Spitzenreiter in der Produktion. So werden bereits mehr als zwei Drittel der Fotokopierer und Computer-Motherboards in China hergestellt. Allein in der ersten Hälfte des laufenden Jahres stiegen die Exporte um 36 Prozent und der Börsenindex kletterte in den vergangenen drei Jahren um 150 Prozent. Die Kehrseite des wirtschaftlichen Aufstiegs sind die erheblichen sozialen Probleme und Umweltrisiken des Landes. Der Energieverbrauch Chinas steigt rapide an – bis 2025 wird das Land seinen CO2-Ausstoß verdoppeln – und durch immer neue Fabrikanlagen nimmt die Luft- und Wasserverschmutzung stetig zu.
Unter den zehn Metropolen mit der weltweit höchsten Schwefeldioxid-Konzentration finden sich gleich sieben aus dem Reich der Mitte. Besonders gravierend und damit zentraler Aspekt der Sarasin- Studie sind die sozialen Probleme des wirtschaftlichen Aufschwungs: So leiden die Menschen unter schlechten Arbeitsbedingungen und sehr niedrigen Löhnen, die oft unter 60 US-Dollar im Monat liegen. Das zentralistische Regierungssystem schränkt zudem Arbeitnehmerrechte wie die Bildung unabhängiger Interessenvertretungen in Betrieben ein.
Da immer mehr Unternehmen in China produzieren, müssen sich nachhaltige Anleger mit diesen ökologischen und sozialen Konsequenzen auseinandersetzen. Die auf nachhaltige Kapitalanlagen spezialisierte Bank Sarasin & Cie AG, Basel, untersuchte in der Studie „Made in China" anhand von Unternehmensbeispielen, inwiefern es für Unternehmen in China möglich ist, sozial und ökologisch verantwortlich zu handeln. Die 15 Beispielunternehmen zeichnen sich insgesamt durch ein relativ hohes Engagement in Bezug auf Umwelt- und Sozialthemen aus und decken ein breites Spektrum unterschiedlicher Branchen (Handel, Bekleidung, Maschinenbau, Elektronik) und Länder (Europa, USA und Japan) ab. „Die so gefundenen Beispiele einer ‚guten Praxis’ können als Messlatte für die Beurteilung anderer Unternehmen mit China-Aktivitäten dienen", erläutert Andreas Knörzer, Leiter Sustainable Investment bei der Bank Sarasin. „Diese Unternehmen belegen zugleich, dass selbst unter den gegebenen politischen Bedingungen in China eine Annäherung an soziale wie ökologische Mindeststandards möglich ist."
Reputationsrisiken für internationale Unternehmen
Diese ökologischen und sozialen Spannungsfelder, in denen sich die Unternehmen bewegen, stehen immer häufiger im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. So kann unzureichendes nachhaltiges Wirtschaften neben betrieblichen und gesetzlichen Risiken zu gravierenden Reputationsproblemen für die Unternehmen führen. Da die lokalen Zulieferer im Zentrum der Kritik stehen, ist es kaum verwunderlich, dass insbesondere Konsumgüterhersteller, die in China produzieren lassen, in der Vergangenheit mit negativen Schlagzeilen über ihre ethisch zweifelhaften Aktivitäten in Fernost konfrontiert wurden. Denn sie sind stärker betroffen als Konzerne mit eigenen Produktionsstandorten in China, da lokale Zulieferer in der Regel schlechter kontrolliert und beeinflusst werden können. Unternehmen wie die deutsche Adidas-Salomon AG oder Handelsketten wie die britischen B&Q und Marks & Spencer müssen sich daher am intensivsten mit den Risiken bei China-Investitionen auseinander setzen. Die Studie zeigt aber auch, dass genau diese Unternehmen führend in der Erfüllung nachhaltiger Kriterien sind.
„Gute Praxis" fördert soziale Nachhaltigkeit
Um die „China-Risiken" möglichst gering zu halten, achten die Unternehmen darauf, angemessene Umwelt- und Sozialstandards in ihrer Lieferkette einzuhalten. Positive Beispiele aus der Konsumgüter und –elektronikbranche sind Adidas-Salomon, Hewlett-Packard und Marks & Spencer. Sie achten auf soziale Mindestanforderungen bei den Lieferanten und setzen zur langfristigen Verbesserung der sozialen Verhältnisse unterstützende Maßnahmen wie Schulung und Beratung sowie Brancheninitiativen ein. So verfügt Marks & Spencer beispielsweise über ein formelles Auditing- Programm für seine Zulieferer, in dem Arbeitsbedingungen wie Überstunden, Arbeitssicherheit und Arbeitnehmervertretungen überprüft werden. Adidas-Salomon kündigte im vergangenen Jahr sogar die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner, weil dieser gegen die sozialen Anforderungen des Unternehmens verstieß. Die untersuchten Firmen mit eigenen Produktionsstandorten in China haben fast immer ein konzernweites Umweltmanagement. Ein Beispiel ist das japanische Unternehmen Canon, das im Reich der Mitte mit fast 20.000 Mitarbeitern Kameras, Bürogeräte und Zubehör produziert. Es hat für seine Werke spezifische Umweltprogramme mit strengen Richtlinien entwickelt, die weit über den gesetzlichen Vorgaben liegen. Die meisten Unternehmen gaben zudem an, Grundlöhne oberhalb des gesetzlichen Minimums zu zahlen und Sozialleistungen mindestens im Rahmen der gesetzlichen Mindestanforderungen anzubieten. Dagegen hapert es bei lokalen Unternehmen meist bei der Umsetzung der bestehenden Umwelt- und Sozialgesetze. Auch die Unternehmen, denen die Bank Sarasin eine „gute Praxis" bescheinigt, konnten einige Probleme nicht zufriedenstellend lösen. Aufgrund des Verbots unabhängiger Gewerkschaften sind insbesondere die Arbeitnehmerrechte nur unzureichend gewahrt. Zwar verpflichten sich viele Unternehmen zur Einhaltung der Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, die u.a. unabhängige Mitarbeitervertretungen vorsehen, aber nur wenige haben versucht, die Arbeitnehmerrechte für ihre Mitarbeiter aktiv zu verbessern. Dies gilt sowohl für die eigenen Fabriken als auch für ihre Lieferanten. Adidas-Salomon hat z.B. in dessen Werken und bei Zulieferbetrieben Arbeitnehmerausschüsse gebildet, die als Ansprechpartner für Arbeitssicherheit und Gesundheit dienen.
„Made in China" bietet Chancen für nachhaltige Investments
Bei der nachhaltigen Bewertung eines Unternehmens sind die Risiken des China-Geschäfts nur ein Teilaspekt neben Themen wie Produktsicherheit, Umweltfreundlichkeit der Produkte oder Corporate Governance. Im Ratingsystem der Sarasin Sustainability Matrix stellt die Beurteilung der China- Investitionen daher nur einen Teil der gesamten Nachhaltigkeitsbewertung dar. Nachhaltige Investoren sollten wegen der bestehenden Probleme insbesondere im Bereich der Arbeitnehmerrechte Konzernen mit signifikantem China-Geschäft generell mit Vorsicht begegnen. Die verschiedenen Beispiele in der Sarasin-Studie „Made in China" zeigen jedoch auch, dass einige Unternehmen den Kriterien nachhaltiger Investments gerecht werden. Allen voran sind das Unternehmen aus der unlängst stark kritisierten Handels- und Konsumgüterbranche. In diesem Sinne sind bei Investitionen in Unternehmen mit Fernost-Engagement finanzielle Erfolge durchaus mit Umwelt- und Sozialverträglichkeit vereinbar. „Der Kontakt mit den betroffenen Unternehmen im Rahmen der Nachhaltigkeitsanalyse trägt dazu bei, das Bewusstsein für die spezifische Problematik in China zu erhöhen", erklärt Dr. Eckhard Plinke, Leiter des Sustainability Research bei Sarasin. So können nachhaltige Investoren durch ein aktives Investment in Unternehmen, die im Sinne einer „guten Praxis" in China wirtschaften, zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung beitragen.