Ausgangspunkt der, von Markowitz ins Leben gerufenen, Theorie war die Lösung des Anlageproblems für Investoren, welche aus dem Universum der gehandelten Assets gemäß den Kriterien erwartete Rendite und Standardabweichung eine optimale Aufteilung ihres Vermögens anstreben.
Im Rahmen des Portfoliomanagements wurden die Anlageentscheidungen später in eine strategische und taktische Asset Allokation unterschieden. Letztere führte in Hinblicke auf die Anlagepolitik zu einer dynamischen Betrachtung, wo auf Grund neuer Informationen eine laufende Anpassung des Portfolios erfolgt. Vorraussetzung dafür ist, dass für die im Portfolio sich befindlichen Assets liquide Märkte existieren (wenn schon nicht für die Kassa Positionen zumindest für entsprechende Derivate zur synthetischen Herstellung von Positionen). So ist es nicht verwunderlich, dass in der praktischen Umsetzung einer an der Portfoliotheorie orientierten taktischen Asset Allokation Wertpapiere wie Aktien und Bonds dominieren.
Assetklasse "Kredit" wird immer liquider
Kreditportfolios wurden selbst in den die Kredite vergebenden Institutionen wie Banken hauptsächlich über das Neugeschäft gesteuert, in den Anlageentscheidungen der Investoren spielten sie als Assetklasse keine Rolle. Dies lag daran, dass für Kredite kein liquider Sekundärmarkt existierte. Hier deutet sich in den letzten Jahre ein dramatischer Wechsel an. Kreditderivate und CDO`s (Collaterized Debt Obligations) führen dazu, dass auch die Assetklasse Kredit immer liquidere Strukturen aufweist. Erste Kreditbörsen sind bereits entstanden (siehe z. B. http://www.decrebo.de), wo Unternehmenskredite gehandelt werden können.
Die Frage stellt sich, inwieweit die Portfoliotheorie in ihrer traditionellen Form modifiziert werden muss, damit sie auf eine Assetklasse wie Kredite angewendet werden kann. Hier gilt es zunächst bezüglich der Anlageentscheidung innerhalb der Assetklasse und zwischen den Assetklassen zu unterscheiden.
Welches Risikomaß passt auf die Assetklasse "Kredit"?
Innerhalb der Assetklasse werfen Kreditportfolios zunächst das Problem auf, dass sie nicht normalverteilt sind. Die Normalverteilung ist aber die Grundlage dafür, dass das Entscheidungsproblem der Investoren sich auf die zwei Parameter Erwartungswert/Standardabweichung reduzieren lässt. Bei nichtnormalverteilten Renditen wäre nur bei einer quadratischen Nutzenfunktion (von der nicht ausgegangen werden kann) eine solche Vorgehensweise zulässig.
Für die Assetklasse Kredit müssen andere Risikomaße als die Standardabweichung gefunden werden. Welche das sind, hängt letztendlich von den Risikoeinstellungen der Investoren ab, in der Literatur wurden mehrere Varianten diskutiert. So könnte man neben der Standardabweichung weitere Momente der Verteilung wie Skewness und/oder Kurtosis heranziehen, oder die Standardabweichung durch die Semi-Varianz, den Value at Risk oder den Expected Shortfall substituieren. Unabhängig davon, welches Risikomaß man im konkreten verwendet, gilt folgendes:
- Es lässt sich wieder eine Efficient Frontier ableiten, welche nun angibt, was bei einem gegebenen Niveau des Risikomaßes die maximale erwartete Rendite beträgt, z. B. bei einem gegebenen Value at Risk die maximale erwartete Rendite.
- Die Berechnung der Efficient Frontier ist wesentlich aufwendiger, da zum einen die zu berechnenden Parameter für die Einzelkredite aufwendiger zu schätzen sind und andererseits, vorausgesetzt die entsprechenden Schätzungen für die Einzelkredite sind erfolgt, die Efficient Frontier in der Regel nicht analytisch bestimmt werden kann, sondern aufwendige numerische Verfahren notwendig sind.
Integriert man die Assetklasse Kredit in eine Gesamtportfolioverteilung so gilt es, die gemeinsame Verteilung zwischen der Assetklasse Kredit und den anderen Assetklassen zu schätzen. Da die Assetklasse Kredit nicht normalverteilt ist, muss nun das Gesamtrisiko (wie auch immer gemessen) über verschieden verteilte Assetklassen ermittelt werden, was ein schwieriges Problem darstellt.
Risikomanagement-Modelle
Im Rahmen des Risikomanagements werden im Augenblick bei Banken und Versicherungen Modelle entwickelt, um verschiedene Risikoarten zu aggregieren. Die dabei verwendeten Methoden können auch richtungsweisend für die Weiterentwicklung der Portfoliotheorie sein. Möglicherweise rücken die beiden Gebiete Risikomanagement bei Finanzintermediären und Portfoliomanagement enger zusammen.
Der Autor Prof. (FH) Dipl.Vw. Michael Jeckle ist mitverantwortlich für das Lehrgangsmanagement „MBA Risk Management“ an der
Fachhochschule des bfi Wien, www.fh-vie.ac.at
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