Home Bias: Gutes Argument oder beschränkte Sichtweise?

Es ist nahezu überall die Praxis: Die Anlagen im Heimatland übersteigen den Anteil des heimischen Marktes an den weltweiten Aktienmärkten. Philip Garcia von T. Rowe Price Global Investment Services über den Home Bias bei Anlegern. Research | 18.05.2005 14:31 Uhr
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Die Vorliebe für Heimisches ist ein wohlbekanntes Phänomen. Wie oft haben Sie schon beim Fußball oder anderen Sportarten auf der Tribüne oder vor dem Fernseher gesessen und Ihre Nationalmannschaft angefeuert? Dies ist eine durchaus natürliche Reaktion. Aber ruht der Glaube an ein erfolgreiches Abschneiden der eigenen Mannschaft auf einer vernünftigen Schlussfolgerung oder einfach nur auf der Hoffnung auf einen Sieg?


Weshalb wurden und werden heimische Aktien bevorzugt?

Die meisten Pensionsfonds messen die Wertentwicklung ihrer Anlage an einer Peergroup anderer Pensionsfonds. Peergroupstrukturen verändern sich nur sehr langsam, und die Angst vor einer unterdurchschnittlichen Wertentwicklung engt den erträglichen Rahmen für Änderungen ein.

Es gibt viele andere Gründe für die Bevorzugung heimischer Aktien; hauptsächlich folgende:

  • In der Vergangenheit bestanden erhebliche Beschränkungen der zugelassenen Beträge, die in ausländische Aktien investiert werden konnten.
  • Die Trägheit der Investoren und die Tatsache, dass Pensionsfonds nur ungern Ihren Anlagemix stark verändern, hat dazu geführt, dass die Bevorzugung von einheimischen Aktien selbst nach Aufhebung der Beschränkungen beibehalten wurde.
  • Man nahm an, dass eine Kongruenz zwischen inländischen Aktien und inländischen Passiva bestehen müsse.
  • Man wollte Währungsrisiken aus im Ausland notierten Aktien vermeiden. Die Absicherung von Währungsrisiken war komplexer und teurer als es heute der Fall ist.
  • Es existieren Steuervorteile für Holdings in heimischen Anlagen.

 

Diagramm 1 (Quelle: UBS Pension Fund Indicators 2004) zeigt, dass die Bevorzugung heimischer Aktien ein weltweites Phänomen ist. Das Ausmaß der Ausrichtung auf heimische Aktien ist offensichtlich auf vielen verschiedenen Märkten ähnlich.

 


Warum sollte man sich von der Bevorzugung heimischer Aktien abkehren?

Obgleich noch immer eine starke Ausrichtung auf heimische Titel besteht, haben einige Fonds damit schon Schluss gemacht oder sind dabei davon abzukehren. Zu den Hauptgründen gehört die Tatsache, dass sie von der stärkeren Diversifizierung auf dem weltweiten Markt profitieren wollen.

Die inländischen Märkte können sehr stark konzentriert sein. Nehmen wir zum Beispiel Großbritannien. Dort entfallen etwa 50 % des Marktes auf nur ein Dutzend Aktien, wobei der größte Titel nahezu 10 % des gesamten Marktes ausmacht. Diese Aktiengruppe wird zudem von nur zwei Branchen stark dominiert: Erdöl und Banken. Andere inländische Märkte weisen sogar eine noch stärkere Konzentration auf. Andererseits muss man auf dem weltweiten Markt mehr als 150 Aktien halten, um eine fünfzigprozentige Abdeckung des Marktes zu erreichen, wobei auf den größten Titel weniger als 2 % des Marktes entfallen.

Diagramm 2 (Quelle: FTSE) vergleicht den Anteil des von den 50 größten britischen Aktien vertretenen inländischen Marktes mit dem Anteil des durch die 50 größten weltweiten Aktien vertretenen weltweiten Marktes. Es verdeutlicht ganz klar die erheblich geringere Konzentration auf dem weltweiten Markt.


Wenn man aus einer größeren und bunter gemischten Gesamtheit von Aktien auswählen kann, kann man ein effizienteres Portfolio aufbauen. Das heißt, man kann eine vergleichbare voraussichtliche Rendite bei einem geringeren Risiko erzielen. Alternativ kann man bei gleichem Risiko eine höhere voraussichtliche Rendite erreichen. Dies ist ein triftiger Grund, die Ausrichtung auf heimische Titel zu verringern.

Ein weiteres überzeugendes Argument gegen die Bevorzugung heimischer Titel ist, dass es in einer zunehmend globalen Welt immer weniger von Bedeutung ist, in welchem Land eine Aktie notiert ist als vielmehr in welchem Gebiet das Unternehmen geschäftlich tätig ist.

In Diagramm 3 (Quelle: Jahresbericht von BP für das Geschäftsjahr 2003) ist zum Beispiel die relative Größe der weltweiten Geschäftsbereiche von British Petroleum laut dem aktuellen veröffentlichten Jahresbericht des Unternehmens dargestellt. Trotz des Namens des Unternehmens entfallen weniger als 20 % des Umsatzes und der Mitarbeiterzahl auf Großbritannien. Die BP-Geschäftsbereiche sind wahrhaft global, aber das Unternehmen ist in Großbritannien notiert. An und für sich mögen britische Pensionsfonds mit einer Ausrichtung auf heimische Aktien normalerweise ein viel größeres Engagement in BP haben als in anderen globalen Erdölgesellschaften, die außerhalb Großbritanniens notiert sind, auch wenn es keinen fundamentalen Grund dafür gibt, BP gegenüber anderen Unternehmen zu bevorzugen.


Gibt es irgendwelche Gründe für das Festhalten an der Bevorzugung heimischer Aktien?


Ungeachtet der überzeugenden Argumente gegen eine Bevorzugung heimischer Aktien könnte es Gründe geben, warum eine Anlage in heimische Titel effizienter als eine Anlage in ausländische Titel sein könnte, und zu einer gewissen Bevorzugung heimischer Aktien führen könnte. Insbesondere:

  • Es könnte sein, dass auf ausländische Anlagen zusätzliche Steuern zu zahlen sind.
  • Für Positionen, wie Anlageverwaltung, Verwahrung und Handel, könnten höhere Kosten anfallen, insbesondere bei kleineren Märkten.
  • Es würden Kosten für die Absicherung ungewollter Währungsrisiken entstehen. Obwohl diese Kosten bei den Hauptwährungen recht niedrig ausfallen, würde dies dennoch die Wertentwicklung belasten.

Diese Positionen rechtfertigen nur unwahrscheinlich die derzeit bestehende starke Ausrichtung auf heimische Aktien und wir rechnen daher damit, dass heimische Aktien immer weniger, wenn nicht sogar überhaupt nicht mehr bevorzugt werden.



Der Autor Philip Garcia ist Vice President, Institutional Client Service bei T. Rowe Price Global Investment Services. Der Unternehmensgruppe T. Rowe Price gehören an: T. Rowe Price International, Inc, T Rowe Price Global Investment Services Limited, T. Rowe Price Associates, Inc. T. Rowe Price Global Asset Management Limited und T. Rowe Price Stable Asset Management, Inc., www.troweprice.com


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