Nachhaltigkeit der Pharmabranche

Nur wenige Branchen stehen weltweit so häufig in der Kritik wie die Pharmaindustrie. Negativschlagzeilen z.B. über zweifelhafte Marketingpraktiken finden sich häufig in der Medienberichterstattung. Die Bank Sarasin hat in einer Studie untersucht, inwieweit die Pharmabranche ihr Handeln an sozialen und ökologischen Kriterien ausrichtet. Research | 13.10.2005 10:24 Uhr
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Nicht erst seit den Skandalen um das vom Markt genommene Schmerzmittel Vioxx steht die Pharmaindustrie in der Kritik. Aggressive Marketing- und Vertriebspraktiken sowie Nebenwirkungen von Medikamenten haben zu einem großen Vertrauensverlust der Branche in der Gesellschaft geführt. Dies steht in starkem Kontrast zum großen sozialen Nutzen von Pharmaprodukten. Doch auch die Skepsis der Investoren gegenüber Pharmatiteln ist seither gewachsen. In ihrer Studie „Packungsbeilage für Investoren“ hat die Bank Sarasin & Cie AG, Basel, die weltweit größten Pharmaunternehmen auf ihre soziale und ökologische Verträglichkeit überprüft.

Die Bank bewertete die Unternehmen nach insgesamt 85 Kriterien. „Ausführlich haben wir den Zugang zu Medikamenten in Entwicklungsländern, die Marketingpraxis der Unternehmen sowie ökologische Faktoren in der Produktion und Arzneimittelrückstände in der Umwelt untersucht“, erklärt Andreas Holzer, Nachhaltigkeitsanalyst bei der Bank Sarasin und Autor der Studie.

Unternehmen berücksichtigen Entwicklungsländer stärker

Bislang verkauft die pharmazeutische Industrie rund 80 Prozent ihrer Produkte an nur ein Fünftel der Weltbevölkerung. Zudem haben die meisten Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern aus finanziellen Gründen keinen Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten. Laut Sarasin-Studie gibt es jedoch etliche positive Ansätze in der Branche: So bieten zum Beispiel die meisten Hersteller bei relevanten Medikamenten wie gegen HIV/Aids Preisreduktionen für Entwicklungsländer an. Darüber hinaus verzichten sie darauf, Patente in den am wenigsten entwickelten Staaten und der Subsahara durchzusetzen. Nach wie vor treiben die Pharmakonzerne vor allem die Entwicklung von Medikamenten gegen Krankheiten voran, die in industrialisierten Staaten vorkommen. Allerdings unterhalten einige Hersteller nicht gewinnorientierte Forschungsaktivitäten. Führend sind hierbei GlaxoSmithKline und sanofi-aventis, die eine breite Palette an Forschungsprojekten zu Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber finanzieren. Nachholbedarf haben unter anderem Eli Lilly und Pfizer. Obwohl eine bessere medizinische Versorgung auch stark von der Gesundheitsinfrastruktur im jeweiligen Land abhängt, sind die Bemühungen der Industrie wichtig. „Allerdings hat die Pharmaindustrie zu diesen Themen erst spät reagiert, nachdem der Druck von Nichtregierungsorganisationen bereits sehr groß war und die Reputation Schaden genommen hat“, erklärt Andreas Holzer.

Marketingpraxis verbesserungswürdig

Die Sarasin-Studie untersuchte ebenfalls, inwieweit die Unternehmen ethische Aspekte im Marketing berücksichtigen. Problematische Praktiken sind etwa die starke Vermarktung von verschreibungspflichtigen Medikamenten mit Hilfe von - in den USA erlaubter - Konsumentenwerbung, Geschenke an Ärzte, die unzulässige Ausdehnung der Anwendungsgebiete von Medikamenten und eine selektive Informationspolitik zu klinischen Versuchen. Als Beispiel nennt die Studie Merck & Co. und deren Marketingpraxis für das Schmerzmittel Vioxx. Der US-amerikanische Pharmahersteller hatte mit einem aggressiven Marketing versucht, die Patentlaufzeit des Medikaments besser zu nutzen. Als teilweise bedenklich bewertet die Bank Sarasin das Verhältnis von Marketing- zu Forschungsausgaben: So gibt Bristol-Myers Squibb beispielsweise mit rund 5 Milliarden Euro mehr als das Doppelte für Marketing und Administration wie für Forschung und Entwicklung aus. Die Marketingpraxis der Unternehmen Roche und Novo Nordisk schnitt am besten ab.

Hohes Umweltschutzbewusstsein - Arzneimittelrückstände stellen Risiko dar

Im Gegensatz zu kritikwürdigen sozialen Aspekten wie die Marketingpraxis ist das Bewusstsein für den Umweltschutz bei den Unternehmen groß. Auch die Pharmaindustrie trägt zum Treibhauseffekt, dem Ressourcenverbrauch und der Abfallproduktion bei. Die Produktion ist jedoch größtenteils möglichst ökoeffizient gestaltet und Umweltschutzmaßnahmen sind fest etabliert. Der Umgang mit Umweltrisiken hat generell ein hohes Niveau erreicht. Die Bank Sarasin prüfte darüber hinaus den Umgang der Branche mit Arzneimittelrückständen in der Umwelt. Denn allein in Deutschland setzt die Pharmaindustrie jährlich rund 31.000 Tonnen Humanpharmaka ab. Deren Rückstände gelangen vor allem durch Ausscheidungen in die Umwelt. Der deutsche „Bund/Länderausschuss für Chemikaliensicherheit“ hat 2003 in einer Studie in 44 von 89 untersuchten Oberflächengewässern Rückstände von Arzneimitteln nachgewiesen. Der Großteil der Pharmaunternehmen begegnet diesem Problem zurzeit mit Forschungsprojekten. Bislang gibt es wenig Hinweise auf kurzfristige substanzielle Umwelt- und Gesundheitsrisiken. Nach Einschätzung der Bank Sarasin könnte aber durch die Möglichkeit, in der Zukunft Wirkstoffe in größerer Anzahl und Konzentration in Grund- und Trinkwasser nachzuweisen, die Bedeutung des Themas - auch aus regulatorischer und juristischer Sicht - zunehmen. GlaxoSmithKline, Novartis und sanofi-aventis haben daher mit detaillierten Untersuchungen zur Ökotoxikologie ihrer Produkte begonnen.

Europäische Pharmatitel eignen sich für nachhaltiges Investment

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass vor allem die europäischen Pharmakonzerne in der Umwelt- und Sozialbewertung führend sind. Dabei schneidet der dänische Diabetes-Spezialist NovoNordisk mit dem bestmöglichen Rating ab. Die Schweizer Konzerne Novartis und Roche sowie der britische Pharmahersteller Glaxo-SmithKline und die französische sanofi-aventis erhalten eine überdurchschnittliche Bewertung. Investments in diese Unternehmen sind demnach durchaus mit Umwelt- und Sozialverträglichkeit vereinbar. Diese Unternehmen profitieren überdies von einer effizienteren Produktion, einer besseren Reputation und minimieren Risiken durch rechtliche Auseinandersetzungen.

Schlusslicht der Studie ist - trotz eines guten Preisreduktionsprogramms für HIV/Aids-Medikamente in Entwicklungs- und Schwellenländern - das US-Unternehmen Merck & Co. Hier fielen nicht nur die Risiken zu Produkthaftung und problematische Marketingmethoden ins Gewicht, sondern auch das unterdurchschnittliche Abschneiden in anderen Kriterien, insbesondere im ökologischen Bereich. „Auffällig ist, dass die Pharmaindustrie im Umweltschutz mittlerweile fast durchweg ein hohes Niveau erreicht hat. Dagegen schneidet sie im Sozialrating durch unethisches Marketingverhalten, die Fülle an Produkthaftungsverfahren und die bislang unzureichende Forschung für Krankheiten in Entwicklungsländern nicht besonders gut ab. Hier ist noch viel Raum für Verbesserungen“, fasst Andreas Holzer die Studienergebnisse zusammen.

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