Beginn der Katastrophe
Als am 11. September 2001 gegen 08:46 Ortszeit eine Boing 767 in den nördlichen Turm des World Trade Center in New York raste, änderte sich schlagartig das geopolitische und weltwirtschaftliche Umfeld.
Weniger als zwei Stunden später, als nicht nur der Nordturm sondern auch der Südturm des World Trade Center und Teile des Pentagon in Trümmern lagen, brach nicht nur unter Anlegern Panik aus. In den nächsten Tagen verloren Aktien weltweit stark an Wert: Im Zeitraum 11.-21.9.2001 fiel der S&P 500 Index 12,4 Prozent, globale Aktien mit 11 Prozent leicht weniger.
Wie schätzten damals die führenden Investmentexperten die Lage ein?
e-fundresearch.com hat im Archiv nachgeblättert und bringt ihnen in Auszügen die damaligen Reaktionen der wichtigsten Fondsgesellschaften der Welt auf die erschütternden Anschläge.
Schroders: Rohstoffe bevorzugt
Schroders-Chefökonom Keith Wade befürchtete damals Schlimmes: „Die furchtbaren Ereignisse in den USA könnten die Wirtschaft durchaus in eine Rezession treiben. Am stärksten dürften sich ein drastischer Rückgang des Verbrauchervertrauens und rückläufige Ausgaben der Haushalte auf die Wirtschaft auswirken. Angesichts der großen Bedeutung der Verbraucher für die amerikanische Konjunktur dürfte dies zu einem Rückgang des gesamten BIP führen“. Dadurch werde sich auch der Konjunkturabschwung in Europa und Asien verlängern. „Der Zeitpunkt für diesen Schock hätte angesichts der sehr fragilen Weltwirtschaft nicht ungünstiger sein können“, fasste er zusammen.
"Zwar dürfte die amerikanische Wirtschaft in den nächsten Monaten durch Aufbauarbeiten gestützt werden, doch es ist unwahrscheinlich, dass der Risikozuschlag rasch entfällt. Es könnte zu einer längeren Spannungsphase kommen, wodurch sich die Risikoscheu der Anleger erhöht, die liquide Anlagen bevorzugen und sich stärker als sonst auf Waren und Rohstoffe konzentrieren. In einem derartigen Umfeld dürften die Rohstoffpreise weiterhin hoch bleiben, während sich der Risikozuschlag auf risikoreiche Vermögenskategorien wie Aktien erhöht", analysierte Keith Wade (den gesamten Kommentar finden Sie hier).
Henderson rechnete mit gedämpften Einbrüchen
Auch die Experten von Henderson Global Investors erwarteten, dass harte Zeiten auf Anleger zukommen, wobei diese aber nicht ganz so dramatisch schlecht ausfallen sollten: „Denn die Aktienmärkte sind seit Ihren Hochs im Jahr 2000 bereits stark gefallen“, lautete das Fazit damals (den gesamten Kommentar finden Sie hier).
Gutmann: Risikotoleranz überprüfen
Noch positiver äußerten sich die Anlageexperten der Bank Gutmann: „Aufgrund der gestrigen Ereignisse ist eine synchrone Rezession in den USA, Japan und Europa um einiges wahrscheinlicher geworden. Eine international diversifizierte Kombination aus Aktien und Anleihen ist die sicherste Anlageform. Aufgrund dieser doppelten Krisensituation, ist über einen längeren Zeitraum (möglicherweise mehrere Jahre) mit großer Volatilität an den Aktienbörsen, im Corporate Bond-Bereich und an den Devisen-Märkten zu rechnen. Wir gehen aber davon aus, dass Amerika und seine Verbündeten diese Krise erfolgreich bewältigen werden, und dass die Triade (USA, Japan und Europa) politisch, militärisch und wirtschaftlich gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wird. Zudem empfehlen wir jedem Kunden und Kunden-Betreuer nochmals zu überprüfen, ob der Zeithorizont für die Veranlagung und die Risikotoleranz des Anlegers mit der gewählten Veranlagungsform übereinstimmt. Sollte das nicht der Fall ein, empfehlen wir, in die geeignete Veranlagungsform zurückzustufen“ (den gesamten Kommentar finden Sie hier).
Nordea sieht antizyklische Chance
Kim Asger Olsen, Leiter des Fondsmanagements bei Nordea, sah damals sogar eine antizyklische Kaufgelegenheit: „In den nächsten Tagen können Aktien sicher rund 10 Prozent verlieren. Man darf aber nicht vergessen, dass die Börsen seit Jahresmitte bereits stark korrigiert haben und eine mögliche Rezession bereits eingepreist ist“, war die Meinung von Kim Asger Olsen, wie Sie hier nachlesen können.
ADIG: Nur keine überhasteten Verkäufe!
„Eine Finanzkrise ist aufgrund des vorausschauenden Verhaltens der internationalen Notenbanken und des gesunden Weltfinanzsystems unwahrscheinlich. Eine Dollarkrise - ausgelöst durch einen Vertrauensverlust - steht auch nicht vor der Tür“, gab die ADIG damals Entwarnung. „Der Ölpreis sollte sich bei 28 Dollar pro Barrel stabilisieren, innerhalb des von der OPEC avisierten Preisbandes zwischen 22 und 28 US-Dollar. Ein Ölpreis in dieser Höhe stellt keine nachhaltige Gefahr für die Weltkonjunktur dar. Die Aktienmärkte Europas und Asiens haben auf die Ereignisse regieren können. Von überhasteten Verkäufen rät ADIG dringend ab, vor allem aufgrund der vorübergehend belastenden und zu Übertreibungen führenden markttechnischen Faktoren, auch ausgelöst durch Portfolioabsicherungen. Ohnehin waren die Risikoprämien für Aktien, also die relative Bewertung von Aktien gegenüber Renten, im Zuge der jüngsten Kursrückgänge und Zinssenkungen auf einem hohen Niveau. Durch den gestrigen Tag tendieren sie in Richtung Übertreibung“, so die Experten.
Denn die fundamentale Bewertung eröffne unverändert Potential für die Aktien, erhöht um die kurzfristigen negativen Übertreibungen. „Die Marktentwicklung eröffnet unseres Erachtens nach die Chance, die Portfolios mittelfristig auszurichten: ausgewählte zyklische Branchen zu verstärken und defensive Branchen in den kommenden Wochen unterzugewichten". Weitere Aussagen der ADIG-Experten zu den damaligen Ereignissen finden Sie hier.
JP Morgan: Verkaufszeitpunkt für Aktien ungünstig
Ebenso Martin Porter, damaliger Chief Investment Officer von JP Morgan Fleming: „Die Anschläge werden in der Geschichte als Auslöser einer Rezession in den USA dargestellt werden. Eine Erholung wird aber folgen und als Verkaufszeitpunkt für Aktien eignet sich dieser Moment nicht“. (den gesamten Kommentar finden Sie hier).
Raiffeisen: Kein Handlungsbedarf bei Aktienfonds
„Nach der monatelangen Abschwungphase erlebten die Aktienmärkte gestern einen Schock. In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass nach solchen Überreaktionen die Märkte in der Folge wieder ihre "alten" Trends aufgenommen haben. Das würde heißen, dass die aktuellen Kurse - so überhaupt erzielbar - keine generellen Verkaufskurse darstellen. Damit wäre auch die Rallye auf den Rentenmärkten (Staatsanleihen) beschränkt. Das Fondsmanagement der KAG hat gestern als unmittelbare Reaktion auf die dramatischen Ereignisse die Duration der Euroland-Fonds erhöht.
Im Rahmen der globalen Asset-Allocation wurde heute die Aktiengewichtung in Europa (mit Derivativen) auf neutral reduziert, und dadurch auch die globale Übergewichtung der Aktien verringert. In US-Aktien ist allerdings vorerst keine Handlungsmöglichkeit gegeben. Bei den internationalen Aktienfonds besteht kein Handlungsbedarf.
In Osteuropa ist aktienseitig ebenfalls kein Handlungsbedarf gegeben, die Fonds profitieren u.a. am steigenden Ölpreis; Europa-Wachstum ist bereits längerfristig maximal untergewichtet", so Raiffeisen damals in einer Aussendung, die sie hier nachlesen können.
Baring: Niedrige Preise, trotzdem keine Kaufgelegenheit
„Im Zuge der Anschläge auf New York City und Washington DC, möchten wir Sie, obwohl uns allen der Sinn momentan sicherlich nach Anderem steht, kurz über die momentane Liquiditätslage an den Aktien, Renten und Währungsmärkten informieren“, eröffnete Baring Asset Management damals seine Aussendung (den gesamten Text können Sie hier nachlesen).
"Es ist möglich, dass sich das Konsumentenverhalten in den USA aufgrund des Anschlags verändern kann. Niedrige Preise nach der Wiedereröffnung der amerikanischen Börsen müssen nicht unbedingt eine gute Kaufgelegenheit sein“, betonen die Baring Experten.
Capital Invest: Ruhe bewahren
„Insgesamt sind die letzten Auswirkungen der Ereignisse aus heutiger Sicht zweifellos noch nicht abzusehen, aber prinzipiell ist Panik immer ein schlechter Ratgeber. Wir empfehlen daher, Ruhe zu bewahren und nicht in die erratischen Kursbewegungen hinein zu verkaufen. Mittelfristig erscheint es uns überlegenswert, die Strategie vielleicht etwas defensiver auszurichten", berichteten die Experten der Capital Invest. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
UBS: Nachfrage nach Technologie wird angeheizt
Sogar sehr optimistisch zeigte sich Jim Hansel, damals Technologieaktienfondsmanager bei der UBS, in einem Interview gegenüber e-fundresearch.com: „Die amerikanische Bevölkerung tut im Moment alles, um trotz dieser Angriffe positiv eingestellt zu sein. Die Tatsache, dass Mobiltelefone und das Internet sich in dieser Krise als so nützlich erwiesen haben, wird die Nachfrage nach moderner Technologie von Seiten der Konsumenten und Unternehmen nur verstärken. Die neue Version von Windows, Windows XP, wird sehr wahrscheinlich einen neuen Nachfrageschub für PCs im Konsumentenbereich auslösen. Außerdem sorgt die übertriebene negative Marktstimmung, nicht nur aufgrund des Terroranschlages, derzeit für ein sehr vernünftiges Preisniveau". Das gesamte Interview finden Sie hier.
INVESCO: Keine weitere Ausweitung der Aktienquote
Abwartender gab sich dagegen INVESCO: „Nachdem sich unsere Hauptindikatoren in den letzten Tagen deutlich zum positiven gedreht hatten, begannen wir Ende letzter Woche, die Aktienquoten in Richtung einer Übergewichtung zu erhöhen. Da solche Maßnahmen in mehreren Etappen umgesetzt werden, waren wir per Dienstag bei einer mehr oder weniger neutralen Aktienquote angelangt. Aufgrund der derzeit schwer abschätzbaren militärischen Folgen dieser Ereignisse, halten wir es für angebracht, weitere Schritte in Richtung Ausweitung der Aktienquote vorerst auszusetzen. Wir beabsichtigen, die Wiedereröffnung der US-Märkte und eine klarere Abschätzbarkeit der Situation abzuwarten, bevor wir die dargestellte Markteinschätzung überdenken und eine allfällige Neupositionierung vornehmen“ meinten die Experten von Invesco, wie sie hier nachlesen können.
Sarasin: Aktieninvestitionen erfordern einen langfristigen Anlagehorizont
Die Experten von Sarasin versuchten damals das Thema statistisch zu beurteilen: „Der durchschnittliche Kursverlust während der letzten 26 Krisen betrug 8,1 Prozent, wobei sich der 87er Crash mit über 34 Prozent am stärksten niederschlug. Die Geschichte zeigt, dass sich die US-Börse nach solchen Rückschlägen in der Regel relativ rasch erholt hat. Nach rund einem Monat betrug der durchschnittliche Kursgewinn 4,5 Prozent und nach knapp einem halben Jahr 12,9 Prozent. Für andere Weltbörsen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Meist boten Rückschläge längerfristig die Basis für eine beträchtliche Erholung. Kurzfristig ist allerdings weiterhin mit einer großen Volatilität zu rechnen. Doch diese Geschehnisse machen einmal mehr deutlich, dass Aktieninvestitionen einen langfristigen Anlagehorizont erfordern. Trotz allem bleiben wir vorsichtig optimistisch“, meinten die Sarasin-Analysten in diesem Bericht.
Die gesamte Übersicht über alle Beiträge auf e-fundresearch.com im September 2001 finden Sie hier.
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