Wirtschaftsperspektiven in Europa für das 5. Krisenjahr?

Nachdem das Epizentrum der Finanzkrise 2008 in den USA lag, hat Europa die Aufmerksamkeit der Finanzmarktteilnehmer durch die Euro-Schuldenkrise und ihre zahlreichen Rettungsaktionen auf sich gezogen. Die europäische Konjunktur befindet sich zwar nur in einer moderaten Rezession – es ist aber auch kein unmittelbares Ende in Sicht, analysiert Patrick Zeifel, Chief Economist bei Pictet Asset Management. Economics | 13.12.2012 10:44 Uhr
Patrick Zeifel, Chief Economist bei Pictet Asset Management
Patrick Zeifel, Chief Economist bei Pictet Asset Management
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

„Seit Bekanntwerden des übermässigen griechischen Haushaltsdefizits im Dezember 2009 zögern die europäischen Behörden immer wieder bei ihren Entscheidungen und konnten bisher nur Teillösungen für ein Problem finden, dass eine langfristig glaubwürdige Lösung benötigt. Die Staatsschulden in der Euro-Zone sind seit Ende 2007 um mehr als 20% des BIP gestiegen, die für die Rettung der Peripherieländer eingegangenen Verpflichtungen haben 450 Milliarden Euro überschritten, und die für die Überwindung der Schuldenkrise absolut notwendige Belebung der Wirtschaftstätigkeit, die sich immer noch unter dem Niveau von 20081 bewegt, lässt auf sich warten.

Die globale Entschuldung machte alles noch schlimmer: Dadurch wurde das Wachstumspotenzial der Region - das innerhalb von zehn Jahren von 2,6% auf 1,7% fiel - um rund einen Prozentpunkt reduziert, und infolge der haushaltspolitischen Sparmassnahmen steckt Europa seit einem Jahr in der Rezession. Ist eine Konjunkturerholung in Europa im kommenden Jahr möglich? Heute stellen sich mindestens drei Fragen:

  • Wie wird sich die Schuldenkrise und die Haushaltspolitik 2013 entwickeln?
  • Welche Auswirkungen werden die geldpolitischen Massnahmen haben, werden die lang erwarteten schweren Geschütze aufgefahren?
  • Mit welchen externen Bedingungen muss Europa rechnen?

Europäische Konjunktur: nur moderate Rezession, aber kein Ende in Sicht

Die Wirtschaft der Euro-Zone schrumpfte im dritten Quartal  um 0,2%2 und für das letzte Quartal 2012 dürfte sie eine ähnliche Verlangsamung verzeichnen. Im verarbeitenden Gewerbe hat sich das Vertrauen seit dem Tief im Juli zwar leicht verbessert3, allerdings ohne sichtbare Auswirkungen  auf die Realwirtschaft. Die Wirtschaftstätigkeit wird erst wieder zunehmen, wenn die Haushalte mehr Geld ausgeben. Derzeit ist das Konsumvertrauen auf einem 3-Jahres-Tief. Der seit Mai anhaltende Vertrauensschwund spiegelt insbesondere die schlechteren Bedingungen am Arbeitsmarkt wider. Die Situation variiert jedoch stark von Land zu Land. Unter den Kernländern bleibt Deutschland bei weitem das solideste Land mit einer deutlichen Festigung des Vertrauens sowohl der Haushalte als auch der Unternehmen. Frankreich weist dagegen Zeichen einer Konjunkturverlangsamung auf. In den Peripherieländern verzeichnet Griechenland das sechste Jahr in Folge eine Rezession und auch in Spanien, Portugal und in geringerem Masse in Italien bleibt die Wachstumsdynamik schlecht. Nur Irland scheint in einen positiveren Kreislauf einzutreten. Die Entwicklung für die kommenden Monate wird somit stark von einer Vertrauenszunahme des Privatsektors abhängen, die jedoch mit dem Verlauf der Krise und der verfolgten Haushaltspolitik zusammenhängt.

Erholung wird weiter - wenn auch weniger stark - durch haushaltspolitische Sparmassnahmen gebremst

Die wichtigste seit Beginn der Krise getroffene Massnahme war die Reduktion der Haushaltsdefizite. Gemessen am BIP sollte das öffentliche Defizit der Euro-Zone von 6,4% im Jahr 2009 auf weniger als 3% im Jahr 2013 reduziert werden. Die Straffung der Haushaltspolitik wirkte sich 2011 und 2012 mit rund 1 Prozentpunkt pro Jahr auf das Wachstum aus.  Nächstes Jahr dürfte die Auswirkung der Austeritätsmassnahmen mit rund 0,6 Prozentpunkten nur halb so stark sein. Diese relativ gute Nachricht, d.h. weniger Sparmassnahmen, hat vor allem zwei Gründe: Erstens wurden in den letzten drei Jahren bereits grosse haushaltspolitische Anstrengungen unternommen und zweitens wird dem Haushaltsausgleich wieder mehr Bedeutung beigemessen als dem Sparen um jeden Preis, was sich günstiger auf das kurzfristige Wachstum auswirken wird. Die regionalen Unterschiede bleiben auch hier bestehen: Griechenland und Spanien erleiden die grössten Haushaltsschocks mit negativen Folgen für das Wachstum in Höhe von 3% bzw. 1%, während Deutschland einen solchen nicht erleben dürfte.

Unbegrenzte geldpolitische Lockerung - die erwarteten schweren Geschütze?


Die wichtigste Entwicklung der letzten beiden Monate war das Engagement der EZB in Bezug auf zwei Punkte: erstens der Willen, alles für die Rettung des Euro zu tun, und zweitens der unbegrenzte Kauf von Anleihen von Staaten, die einen formellen Antrag auf Finanzhilfe gestellt haben. Dabei handelt es sich zwar nicht um die erhofften schweren Geschütze, doch haben diese mehrere positive Folgen. Die wichtigste ist, die notwendige Zeit für die Umsetzung und den reibungslosen Ablauf der Strukturreformen zu erkaufen: nationale Arbeitsmarktreform, Fiskalintegration, Bankenunion und politische Union. Diese vier Dimensionen der Strukturreformen sind entscheidend, um langfristig wieder ein höheres Wachstumspotenzial zu erreichen, aber ihre Auswirkungen werden noch auf sich warten lassen. Die Zinsen, zu denen sich Regierungen und Unternehmen Geld ausleihen, sind aber bereits deutlich gesunken, weil sich die Risikoprämie für den Zerfall des Euro einerseits und den Zahlungsausfall eines Staates andererseits dank der Engagements der EZB spürbar vermindert hat. Dieser Zinsrückgang hat noch nicht zu einer Krediterholung geführt, lässt aber eine schrittweise Verbesserung der privaten Kreditnachfrage in den nächsten zwei Quartalen erwarten.

Somit sehen unsere Wachstumsprognosen für die Euro-Zone eine ganz leichten Erholung in der zweiten Hälfte des Jahres 2013 vor, die hauptsächlich auf zwei Motoren basieren wird: einer guten Konjunktur in Deutschland, gestützt durch einen dynamischen Immobiliensektor, und einer Nachfragebelebung in den Schwellenländern. Die in diesen Ländern erwartete Wachstumszunahme von 1% könnte die Euro-Zone aus ihrer langen Rezessionsphase befreien. Der definitive Weg aus der Krise ist noch lang, aber die politische und wirtschaftliche Entwicklung der letzten Monate gibt Grund zur Hoffnung.“



1
2,4% unter dem Hoch vom ersten Quartal 2008
2
Im Vergleich zum Vorquartal, annualisiert
3
Der PMI für das produzierende Gewerbe stieg im November von 44,0 auf    46,2
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