Indonesien, Indien und Brasilien am stärksten betroffen
Durch die Ankündigung, ihre Anleihenkäufe in der näheren Zukunft zu reduzieren und mittelfristig die Zinsen zu erhöhen, hat die US-Notenbank die kürzlich starke Abwertung der EM-Währungen ausgelöst. Angesichts steigender Zinsen und einem potentiellen Liquiditätsengpass reagierten die Finanzmärkte äusserst sensibel, sodass Investoren ihr Engagement in vielen EMs zurückgefahren haben. Vor allem Indien, Indonesien und Brasilien waren vom neuesten Ausverkauf besonders betroffen. Seit Bernankes Rede im Mai hat die indische Rupie 18% gegenüber dem US Dollar verloren, die indonesische Rupiah 11% und der brasilianische Real 16%. Nebst anderen Ländern mussten auch Südafrika und die Türkei beachtliche Verluste hinnehmen. Der offensichtlichste Zusammenhang zwischen diesen Ländern ist wohl das beträchtliche Leistungsbilanzdefizit. Im Gegensatz dazu ist in Ländern wie Thailand eher das hohe Kreditwachstum problematisch, da es den ökonomisch nachhaltigen Wachstumspfad gefährdet. Wiederholt ist in jüngster Zeit die Sorge aufgekommen, dass der starke EM-Währungszerfall den Beginn einer neuen Währungskrise ähnlich zu jener in Asien in den Jahren 1997/98 darstellt. Allerdings sind die betroffenen Länder heute in wesentlich besserer Verfassung als damals. In Anbetracht der Fundamentaldaten scheint eine Wiederholung daher unwahrscheinlich.
Fundamentaldaten erzählen eine andere Geschichte
Seit der Asienkrise in den Jahren 1997/98 haben viele Emerging Markets ihre Schuldenlast in ausländischer Währung signifikant reduziert und sind nun primär in Lokalwährung verschuldet. Während einer Phase der Währungsabwertung schützt dies die Schuldner vor Währungsschwankungen und exponiert sie weniger zu äusseren Einflüssen. In ähnlicher Weise begrenzen tiefe Aus-landschulden den Einfluss von äusseren Stimmungsfaktoren. Insgesamt konnten EMs ihre Auslandschulden auf 24.6% des BIP von 34.3% in 1997 und 40.8% in 1999 senken. Zusätzlich haben EMs auch ihre Währungsreserven massiv aufgestockt. Brasilien zum Beispiel häufte FX-Polster von USD 369.6 Mrd. an, verglichen mit USD 50.8 Mrd. im Jahre 1997. Auch Indien konnte seine Währungsreserven deutlich erhöhen (um USD 245.9 Mrd. auf USD 270.6 Mrd.), und die Philippinen haben ihre Reserven gar um das Zehnfache (von ursprünglich USD 7.3 Mrd. in 1997 auf USD 73.5 Mrd. in 2012) aufgestockt. Währungsreserven fungieren als Sicherheitspuffer im Falle von umfangreichen Kapitalabflüssen und verringern die Abhängigkeit von ausländischen Finanzierungsquellen, um ein Defizit in der Leistungsbilanz decken zu können. Ausserdem haben EMs verstärkt Währungskontrollen gelockert, sodass der Abwertungsdruck während Zeiten massiver Kapitalabflüsse reduziert werden konnte. Weiter konnte die Glaubwürdigkeit und Transparenz der Geldpolitik allmählich erhöht werden, was im Kampf gegen den Währungszerfall unterstützend wirkt. Dies begrenzt die Wahrscheinlichkeit plötzlicher Überraschungen.
Divergenz innerhalb der EMs aufgrund struktureller Schwachstellen
Während viele der Problemländer während der Asienkrise unter massiven Leistungsbilanzdefiziten litten, profitieren diese mittlerweile zum Teil von ordentlichen Überschüssen. Malaysia und die Philippinen beispielsweise wiesen Defizite von -5.9% und -4.7% vom BIP aus, erzielten jedoch Überschüsse von 6.4% und 2.9% in 2012. Vor 1997 wurden Leistungsbilanzdefizite hauptsächlich durch ausländisches Kapital finanziert. Eine Umkehr der Kapitalflüsse verursachte einen massiven Liquiditätsengpass und die Dollarknappheit stürzte die Region in eine Krise. Auch wenn in der Zwischenzeit Fortschritte verzeichnet werden konnten, leiden einige Länder immer noch unter einer tiefen Wettbewerbsfähigkeit im Exportsektor, die besonders die Leistungsbilanz belastet. Dies stellt vor allem ein Problem in Indien, der Türkei und Südafrika sowie zu einem gewissen Grade in Indonesien und Brasilien dar.
Marina Zech
Financial Economist, LGT Capital Management