USA: Unsicherheit noch nicht vom Tisch

"Selbst mit einer erfolgreichen Einigung ist die Unsicherheit über einen erneuten zukünftigen Streit zur Anhebung der US-Schuldengrenze nicht vom Tisch", so Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT in einem aktuellen Marktkommentar. Economics | 17.10.2013 01:00 Uhr
Trotz jüngstem Stillstand in Washington: "Der US-Haushalt ist auf dem Genesungspfad"
Trotz jüngstem Stillstand in Washington: "Der US-Haushalt ist auf dem Genesungspfad"
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Nichtanhebung der Schuldengrenze wäre potenziell katastrophal

Das globale Finanzmarktgeschehen wird seit einigen Wochen in hohem Masse von der parteipolitischen Spaltung in den USA rund um die Fiskal- und Gesundheitspolitik des Landes bestimmt. Es vergeht kein Tag ohne nationale und internationale Appelle an die amerikanische Politik, sich möglichst rasch – vorzugsweise vor dem 17. Oktober – auf die Anhebung der Schuldengrenze zu einigen. Ein Scheitern würde Washington zu scharfen Ausgabenkürzungen zwingen, womit auch ein gewisses Risiko von verzögerten Zins- und Kapitalrückzahlungen an die Halter von US-Staatsanleihen bestünde. Letzteres wäre potenziell katastrophal, weil es technisch gesehen als ein Staatsbankrott der USA angesehen werden könnte.

Ein fiskalpolitischer Kompromiss zeichnet sich ab

Dieses Schreckensszenario erachten wir weiterhin als unwahrscheinlich und den neuesten Meldungen nach scheint sich im US-Kongress inzwischen ein Kompromiss abzuzeichnen, mit dem die Schuldengrenze wieder für einige Monate angehoben werden soll. Selbst mit dem Abkommen wäre die Unsicherheit über einen erneuten zukünftigen Streit zu diesem Thema aber nicht vom Tisch. Grundsätzlich stellt die Schuldengrenze kein grosses Problem dar. Diese wird nämlich seit 1960 im Schnitt alle acht Monate erreicht und anschliessend zumeist ohne besondere politische Komplikationen angehoben (besonders oft unter republikanischen Präsidenten). Seit einigen Jahren leistet jedoch ein wichtiger Teil der Republikaner erbitterten Widerstand gegen die schuldenfinanzierte Wirtschaftspolitik der Administration von Präsident Barack Obama, insbesondere gegen den gesetzlich längst beschlossenen Ausbau des US-Gesundheitswesens.

Druck zugunsten ausgeglichener Staatshaushalte dürfte bleiben

Solange diese politische Strömung im Kongress repräsentiert ist, müssen wir wohl auch zukünftig mit ähnlichen – tendenziell irritierenden – politischen Konflikten rechnen. Doch diese legislativen Manöver zielen letztlich darauf ab, die Ausgaben des Staates in stärkeren Einklang mit seinen Einnahmen zu bringen. Das ist natürlich grundsätzlich sinnvoll und begrüssenswert, sofern es nicht in einer schlussendlich für alle Beteiligten kontraproduktiven Art durchgeführt wird. In der aktuellen Situation müsste im Extremfall einer Nichtanhebung der Schuldengrenze das US-Schatzamt nämlich seine Ausgaben sofort auf das Ausmass seiner Einnahmen reduzieren, was in der Praxis mit einer jährlichen Staatsausgabenkürzung um 4.2% des Bruttoinlandprodukts gleichkommen würde.

Zwangssparen würde Rezession verursachen, nicht mehr

Das grösste Risiko wäre daher nicht der erwähnte technische Bankrott, sondern der Rückfall in eine tiefe Rezession, als Folge des politisch erzwungenen Extremsparens in den USA. Angesichts der derzeit konstruktiven US-Haushaltssituation ergäbe ein solches Vorgehen aber kaum Sinn und fände höchstwahrscheinlich auch innerhalb der republikanischen Partei am Ende keine Mehrheit. Der US-Bundeshaushalt ist zwar noch deutlich defizitär, verbessert sich aber seit 2010 stetig und seit Anfang 2012 sogar rasant. Diese positive Entwicklung mit extremen Massnahmen zu gefährden ist ökonomisch nicht sinnvoll und wohl auch politisch suboptimal. Eine von einer relativ kleinen Abgeordnetengruppe politisch herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit – und wäre sie auch nur temporär – könnte zudem der Kreditwürdigkeit der USA signifikanten Schaden zufügen, was eine dominierende Mehrheit der Beteiligten sicher verhindern will. Der generelle politische Druck auf die Obama-Administration, einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben, ist aber grundsätzlich durchaus sinnvoll und kann insgesamt einen positiven Nebeneffekt haben – wie die Erfahrung von 2012 bereits suggeriert.

US-Bundeshaushalt auf dem Genesungspfad

Grafik 1 (PDF Seite 2) zeigt die zwölfmonatigen Durchschnittswerte der Einnahmen und Ausgaben der US-Bundesregierung (wir nehmen die gleitenden Durchschnitte, um den Trend zu veranschaulichen, weil die Werte von Monat zu Monat aus saisonalen und anderen Gründen extrem schwanken und den Blick auf das Gesamtbild trüben). Das US-Schatzamt nimmt derzeit im jährlichen Schnitt monatlich rund $220 Mrd. an Steuern und Abgaben ein, wobei die Tendenz dank der moderaten, aber bisher doch stabilen Konjunktur seit 2010 klar steigend ist. Die Ausgaben machen im jährlichen Schnitt rund $300 Mrd. aus, wobei hier die Tendenz seit 2009 nur sehr leicht steigt und seit 2012 sogar sinkt. Diese Kombination aus steigenden Einnahmen und stabilen bis leicht rückläufigen Ausgaben ist der Grund für den rasanten Rückgang des US-Budgetdefizits von rund 10% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im direkten Anschluss an die Finanzkrise von 2007-2008, auf zuletzt 4.2%.

US-Bundesdefizit sinkt seit 2012 mit zunehmendem Tempo

Die Nettozinszahlungen der US-Bundesregierung machen im Schnitt $21 Mrd. aus, derzeit also etwas weniger als ein Zehntel der Einnahmen. Den Schuldendienst können sich die USA also durchaus leisten, selbst wenn die gelegentlichen Rückzahlungen berücksichtigt werden. Für ihre Schulden muss die USA auch gemäss Verfassung geradestehen. Sollte der Kongress die Schuldengrenze nicht anheben, werden anderswo scharfe Kürzungen vorgenommen werden müssen, was der Volkswirtschaft monatlich rund $80 Mrd. pro Monat entziehen und ziemlich sicher eine Rezession verursachen würde. Zudem wäre der positive Trend in Richtung eines ausgeglichenen Haushalts höchstwahrscheinlich unterbrochen, weil mit der Rezession die Staatseinnahmen zunächst deutlich stärker als die Ausgaben einbrechen würden, was zu einer Ausweitung des Budgetdefizits führen würde.

Anhang:

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