Der US-Arbeitsmarkt präsentierte sich im November deutlich robuster, als vorab erwartet worden war. So schrumpfte die Arbeitslosenquote von 7,3 im Vormonat auf 7,0 Prozent – auf den niedrigsten Stand seit 2008. Die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Notenbank Fed daher noch im Dezember ihre US-Anleihekäufe drosseln wird, ist somit wieder gestiegen. Noch kauft die Fed monatlich US-Anleihen und Hypothekenpapiere im Wert von 85 Milliarden US-Dollar auf.
Die Stimmen, die eine Anhebung des US-Leitzinses bereits 2014 für möglich halten, könnten ebenfalls recht zeitnah lauter werden. Schließlich hat die Fed mehrfach darauf hingewiesen, dass sie den Schlüsselzins anheben könnte, sobald die Arbeitslosenquote mindestens 6,5 Prozent beträgt.
Wie wahrscheinlich sind eine Drosselung der Anleihekäufe in diesem und eine Anhebung des Leitzinses im nächsten Jahr? Und welche Spuren würde eine möglicherweise restriktivere US-Geldpolitik an den Börsen hinterlassen? Renommierte Vermögensverwalter, Fondsmanager und Strategen geben Antworten.
„Tapering und Zinswende werden in homöopathischen Dosen stattfinden.“
Tilmann Galler, Kapitalmarktexperte bei J.P. Morgan Asset Management:
„Die Angst vor der Drosselung der Anleihenkäufe durch die Fed, die im Frühjahr dieses Jahres aufkam, hat sich mittlerweile relativiert. Die Investoren haben zwei Dinge realisiert: Der Ausstieg kommt nicht ganz so schnell und heftig wie zunächst angenommen, und die damit verbundene Zinswende wird auch noch auf sich warten lassen. Die US-Renditen haben sich jetzt am langen Ende zwischen 2,6 und 2,7 Prozent eingependelt. Das wird der mittelfristigen Zinsentwicklung sicherlich gerechter als die gesehenen 3 Prozent. Die Entscheidung für Janet Yellen als Nachfolgerin von Ben Bernanke als Fed-Chefin gibt einen klaren Hinweis darauf, wie die Notenbank in den nächsten Jahren agieren wird – nämlich eher interventionistisch. Yellen und ihre Gleichgesinnten haben weiterhin die absolute Mehrheit im Offenmarktausschuss. Daher werden Tapering und Zinswende in sehr langsamen, homöopathischen Dosen stattfinden.Wir setzen in diesem Zusammenhang weiterhin auf die Anlageklasse Aktie. Die defensiven, sicheren Anlageklassen sind derzeit etwas teuer.“
„Eine unmittelbare Reduktion der Anleihekäufe der Fed ist schwer vorstellbar, eine Leitzins-Anhebung ist noch unwahrscheinlicher.“
Philipp Dobbert, Chefvolkswirt der quirin bank
„Wir rechnen damit, dass die Fed nicht mehr dieses Jahr, sondern in der ersten Jahreshälfte 2014 den ersten Schritt in Richtung Reduktion der Anleihekäufe gehen wird. Die konjunkturellen Daten, insbesondere die Beschäftigungszahlen, in den USA sind zuletzt klar besser als erwartet ausgefallen. Die Fed hat als Orientierungsgröße für einen Beginn der Reduktionen mehrfach auf eine gute Beschäftigungslage hingewiesen. Allerdings ist die US-Volkswirtschaft von den notwendigen Schwellenwerten noch ein gutes Stück entfernt. Hinzu kommt, dass – trotz der sich jüngst abzeichnenden Einigung im Haushaltsstreit – nach wie vor eine Auseinandersetzung um die Schuldenobergrenze droht. Vor diesem Hintergrund ist ein unmittelbarer „Einstieg in den Ausstieg“ nur schwer vorstellbar.
Für noch unwahrscheinlicher halten wir aktuell eine Anhebung des Leitzinses durch die US-amerikanische Notenbank. Die Inflationsraten sind niedrig, die Konjunktur erholt sich. Sie ist aber längst noch nicht wirklich kräftig. Den nach wie vor enormen Schuldenstand der US-Regierung würde ein solcher Schritt – zusätzlich zum voraussichtlichen Beginn der Reduktion der Anleihekäufe – wahrscheinlich stark verteuern. Im Rahmen ihrer „forward guidance“ hat die Fed zudem deutlich gemacht, dass mit einem Anheben des Leitzinses im Grunde bis ins Jahr 2015 hinein nicht zu rechnen ist.
Trotz des recht deutlichen Anstiegs der Zinsen in diesem Jahr rechnen wir daher auch weiterhin mit einem niedrigen, aber durchaus zunehmend volatilen Zinsniveaus.“
„Es spricht im Moment wenig dafür den Leitzins anzuheben.“
Christoph Leichtweiß, Finanzplaner bei der YPOS Consulting GmbH:
„Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die US-Notenbank das Volumen der Anleihekäufe in 2014 drosselt und den Leitzins anheben wird, liegt bei 50 zu 50. Einerseits könnten das schrumpfende Haushaltsdefizit und der geringere Neuverschuldungsbedarf der USA für eine geringere Intervention am Anleihenmarkt sprechen, andererseits weiß die Notenbank, dass die gesunkene Arbeitslosenquote nicht zuletzt durch die gefallene Partizipationsquote erreicht wurde. Dementsprechend ist die Qualität der aktuell bei sieben Prozent liegenden Arbeitslosenquote nicht mit der von vor der Krise vergleichbar. Da von Inflationstendenzen bei den Konsumentenpreisen nichts zu sehen ist, gibt es wenig Grund, den Leitzins anzuheben. Symbolische Maßnahmen sind allerdings möglich. Das ändert aber nichts an einer grundsätzlich überdurchschnittlich expansiven Geldpolitik.
Eine restriktivere Geldpolitik würde sicher temporär für Schwankungen an den Märkten sorgen. Ein Drama erwarte ich allerdings nicht. Das Thema wurde so oft und intensiv diskutiert, dass sich viele Investoren bereits entsprechend positioniert haben. Die Auswirkungen auf ein global und über verschiedene Vermögensklassen und Strategien diversifiziertes Portfolio sollten also überschaubar bleiben. Teilsegmente wie etwa Schwellenländer mit Zahlungsbilanzdefiziten oder Kreditmärkte mit extrem niedrigen absoluten Renditen könnten allerdings kurzfristig unter die Räder kommen. Das größte Risiko sehe ich aber bei sehr einseitig auf „sichere“ Renditen fokussierten Investoren. Die ganze Diskussion sollte also zum Anlass genommen werden, das Depot auf Klumpenrisiken im Sinne steigender Renditen hin zu überprüfen und nicht über Wahrscheinlichkeiten zu philosophieren.“
„Die Fed wird ihr Anleihekaufprogramm so bald wie möglich drosseln.“
Allan Valentiner, Leiter Portfolio Management, AMF Capital
„Während es in letzter Zeit Hinweise gegeben hat, dass die US-Konjunktur endlich an Schwung gewinnt, hat der Chef der Federal Reserve Bank erst kürzlich wieder deutlich gemacht, dass die US-Notenbank auch weiterhin an der ultralockeren Geldpolitik festhalten will. Wir rechnen nach wie vor damit, dass der US-Leitzins noch für geraume Zeit bei seinem derzeitig niedrigen Niveau verharren wird. Die weiterhin sinkende Inflationsrate bestätigt die Fed bei ihrer Entscheidung, den Leitzins bei 0 bis 0,25 Prozent zu belassen. Gleichzeitig jedoch wird die Fed sobald wie möglich versuchen, die überschüssige Liquidität an den Kapitalmärkten zurückzuführen, indem sie ihr Anleihekaufprogramm drosselt. Dieses könnte schon zu Beginn des neuen Jahres stattfinden. Die US-Notenbank ist sich jedoch bewusst, dass die Drosselung zu kräftigen Korrekturen an den Kapitalmärkten führen kann. Viele Asset-Preise sind aufgrund der von den Notenbanken geschaffenen Liquiditätsschwemme überteuert. Wir rechnen zunächst damit, dass sich die Zinsstrukturkurve versteilen wird, d.h. die Renditen am langen Ende der Zinskurve steigen werden, während die kurzen Zinsen konstant bleiben. Eine sinkende Liquidität kann aber auch zu kräftigen Korrekturen bei anderen Asset-Klassen, wie zum Beispiel Aktien führen, da der Anlagedruck bei den Investoren abnehmen wird.“