Das „Tapering“ als „Win-Win Situation“
Vor knapp einem Monat, am 18. Dezember, lancierte die US-Notenbank die vieldiskutierte Reduktion der monatlichen langfristigen Anleihenkäufe. Zeitpunkt und Ausmass wirkten auf uns zwar etwas überraschend, die Marktreaktion entsprach jedoch insgesamt unseren Erwartungen. Wir hatten ja bereits vermutet, dass es sich beim „Tapering“ um eine „Win-Win-Situation“ handeln dürfte – weil es nur im Falle einer robusten Konjunktur und Anlegerstimmung kommen würde, oder eben nicht.
Kursfeuerwerke in praktisch allen traditionellen Märkten
Die Marktreaktionen auf diese Entscheidung der Federal Reserve bestätigen jedenfalls quer über alle Anlageklassen die generellen Trends, wie sie inzwischen seit einiger Zeit bestehen. Die westlichen Märkte haben seit dem 18. Dezember zwischen 3.3% (USA) und 6.4% (Euroraum, dank besonders starker Rallyes am Mittelmeer) zugelegt, gefolgt von den nicht zur Währungsunion zählenden europäischen Märkten mit 5.2% und Japan mit 2.9%.
Die Schwellenländer haben hingegen immer noch keinen richtigen Anschluss an die Hausse gefunden und zum Teil sogar Verluste verbucht. Was einen Monat nach dem Fed-Entscheid erneut auffällt, ist der Kontrast zwischen der Performance der traditionellen Industrieländer (einschliesslich der Mittelmeerstaaten) und der Schwellenländer (einschliesslich vieler asiatischer Märkte).
Vorteile der entwickelten Volkswirtschaften
Die entwickelten Märkte erfreuen sich in der aktuellen Zyklusphase neben anderen Vorzügen auch gewisser praktischer Vorteile gegenüber den Emerging Markets. Sie verfügen über gut vernetzte, offene, vielfältige Märkte und voll konvertierbare, liquide Währungen mit sehr tiefen Zinsen. Die Geldpolitik kann daher direkter und effektiver wirken – schon alleine deshalb, weil sich Anleger gegen mögliche unerwünschte Nebenwirkungen (z.B. Währungsschwankungen) günstiger und einfacher „absichern“ können. Dazu kommt das vergleichsweise robuste, verlässliche und konsistent unterschätzte Ertragswachstum der Unternehmen.
Schwellenländer in einer „Lose-Lose Situation“?
Die EM scheinen hingegen derzeit fast in einer „Lose-Lose-Situation“ zu stecken: Mit dem „Tapering“ wird ihnen möglicherweise weiter Kapital entzogen. Kein „Tapering“ wäre aber auch schlecht, denn das könnte bedeuten, dass die westlichen Exportmärkte weiter eingetrübt bleiben. Die relative Schwäche der Schwellenländer bestand ja auch in Zeiten, als die „quantitative Lockerung“ („QE“) noch auf „Vollgas“ lief, wenn auch in weniger ausgeprägtem Ausmass. Diese anhaltende Unterperformance erinnert uns daran, dass viele Schwellenländer mit ihren eigenen, selbstverursachten Problemen konfrontiert sind – seien es die Folgen langjähriger Kreditexzesse in China oder soziopolitische Turbulenzen wie in der Türkei oder Thailand.
Globale Industrieländer-Hausse intakt
Es sei auch angemerkt, dass diese relative Schwäche schon recht lange anhält (im Falle Chinas beispielsweise seit Herbst 2010) und die Aktienbewertungen daher zum Teil schon so weit gefallen sind, dass viele dieser zukünftigen Probleme bereits bekannt und anerkannt sind, was das weitere Verlustpotenzial der Emerging Markets in Grenzen hält. Zugleich sind die Bewertungen aber wahrscheinlich noch nicht tief genug gefallen, um eine nachhaltige Wende auszulösen. Dank solider Unternehmensleistungen und einer immer noch stimulierend wirkenden Geldpolitik dürfte die Industrieländer-Hausse aber indessen weiter intakt bleiben. Vor diesem Hintergrund haben wir entschieden, unsere taktische Aktienallokation u.a. durch Zukäufe in den USA und Europa ein Stück weiter zugunsten der entwickelten Märkte anzupassen.
Grundmuster des vergangenen Jahres hält an: Industrieländer überall im Aufwind
Die erste Grafik zeigt die Nettogesamtrendite der MSCI-Aktienindizes (Lokalwährung) seit die Federal Reserve am 18. Dezember beschloss, ihre Anleihenkäufe um 10 Mrd. US-Dollar auf 75 Mrd. US-Dollar monatlich zu reduzieren. Die Trends der letzten paar Jahre haben sich erneut bestätigt. Am besten liefen die Industrieländer, einschliesslich der Mittelmeerländer. Die meisten Emerging Markets waren vergleichsweise schwach und verbuchten sogar vielerorts Verluste. Wir haben es also weiter mit einer ausgeprägten Hausse zu tun, die sich auf die westlichen Länder und Japan fokussiert. Es sei auch angemerkt, dass Griechenland kürzlich von MSCI als Emerging Market klassifiziert wurde. Wir zeigen es dennoch weiterhin als Teil des Euroraums, weil der Markt schon seit längerer Zeit thematisch konsistent die Speerspitze der Erholung der Euro-Peripherie repräsentiert.
Anleihen und Rohstoffen: Euro-Peripherie weiter im Aufwind
Auch im Bereich der Anleihen und Rohstoffe fielen die Reaktionen ebenfalls erneut thematisch zugunsten der Industrieländer aus. Die Marktbewegungen seit dem „Tapering“ implizieren eine weiter anhaltende Stabilisierung der Euro-Peripherie (auch hier fällt Griechenland auf). Zugleich wird die Fed-Entscheidung nicht als eine potentiell verfrühte geldpolitische Straffung interpretiert – so haben auch Gold und inflationsgeschützte US-Staatsanleihen durchaus positiv reagiert, was auf steigende Inflationserwartungen hinweisen könnte. Diese Erwartungsverschiebungen sind jedoch insgesamt moderat und werden von den weiter fallenden Rohstoffpreisen stark relativiert. Die Märkte zeichnen also weiter das Bild einer relativ freundlichen Situation für die Developed Markets, mit ausreichendem Wachstum und nur moderaten Inflationsraten.
Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Management
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