Könnte es sein, dass wir vor einer Neuorientierung in der Anlagepolitik stehen? In der Vergangenheit gab es ein ständiges Hin und Her in der Bewertung von Aktien und Renten. Ursprünglich ging man davon aus, dass Aktien eine bessere Performance haben, dass sie dafür aber auch mit mehr Schwankungen verbunden sind. Sie waren also nur etwas für risikobereitere Investoren. Festverzinsliche Wertpapiere waren demgegenüber „langweiliger“. Sie brachten eine geringere Rendite, wiesen dafür aber auch eine nicht so hohe Volatilität auf.
Tatsächlich war das jedoch ein Vorurteil. Die Graphik zeigt, dass die Gesamtperformance der Renten bis vor einem Jahr nicht schlechter war als die der Aktien. Dafür waren die Schwankungen aber wesentlich geringer. Per Saldo waren Renten als Anlageklasse also besser als Aktien. Der Grund dafür war die dreißigjährige Zinssenkungsphase. Von 1980 bis 2013 haben sich die Renditen für langlaufende Bundesanleihen von über 10% bis auf fast 1% verringert. Das brachte den Anlegern außerordentliche Kursgewinne. Hinzu kam, dass die Kupons angesichts der vergleichsweise hohen Zinsen nicht unerheblich waren.
Jetzt gibt es eine neue Kehrtwende. Seit einem Jahr verharren die Zinsen mit kleinen Schwankungen auf einem niedrigen Niveau. Es gibt also keine Kurssteigerungen mehr. Die Kupons sind ohnehin gering. Per Saldo ist der REX im vergangenen Jahr nicht mehr gestiegen. Bei Aktien ergab sich demgegenüber ein erklecklicher Zuwachs von 26 %.
Das ist kein „Ausreißer“. Es ist zu vermuten, dass das so bleiben wird. Der dreißigjährige Zinssenkungszyklus ist zu Ende. Die Zinsen sind so niedrig, dass sie kaum weiter zurückgehen können. Sie werden in Zukunft entweder auf dem niedrigem Niveau verharren (dem Anleger also nur einen geringen Ertrag geben). Oder sie werden – was ich für wahrscheinlicher halte – wieder leicht ansteigen mit entsprechenden Kursverlusten für den Anleger. Hintergrund ist, dass sich die Zentralbanken über kurz oder lang von der ultralockeren Geldpolitik verabschieden werden. Darüber hinaus werden die Inflationsraten wieder größer werden. Beides ist Gift für langfristige Rentenanlagen.
Vielleicht stehen wir vor einer neuen dreißigjährigen Zinssteigerungs-Phase. So etwas hat es auch schon früher gegeben. Von 1950 bis 1980 haben sich die Renditen in den USA von 2 ½ auf 14% % erhöht. Wenn das wieder so kommt, kann man Rentenanlagen auf absehbare Zeit vergessen.
Das hat Konsequenzen für den Anleger. Auf der einen Seite werden Aktien attraktiver. Es wird mehr Geld in diese Anlageklasse fließen, weil die Konkurrenz der Renten fehlt. Da das Angebot an Dividendentiteln nicht steigt, stehen die Chancen gut, dass Aktien in Zukunft höhere Erträge aufweisen. Die Schwankungen werden freilich nicht geringer werden. Das bleibt der große Nachteil.
Umgekehrt verlieren Renten als Anlageklasse an Bedeutung. Sie sind von der Rendite nicht mehr so interessant. Das ist vor allem für deutsche Privatanleger bedauerlich, die die Renten immer „geliebt“ haben. Es wird aber auch für institutionelle Anleger wie Pensionskassen, Versicherungen, Stiftungen und ähnliche schwieriger. Auch sie hatten einen Schwerpunkt bei Renten. Sie schätzten die Sicherheit dieser Anlage und sie benötigten die laufenden Erträge für ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden.
Gebraucht wird also eine neue Anlageklasse, die an Stelle der Renten treten könnte. Nennen wir sie die „neuen Renten“. Sie müssen eine angemessene Rendite aufweisen. Sie wird nicht mehr so hoch sein wie die Bondsrendite der letzten fünfzig Jahre (knapp 7%) in Deutschland. 4 bis 5% müssten für die meisten Bondsanleger ausreichend sein. Gleichzeitig müssen die Schwankungen niedriger sein als bei Aktien und in etwa der Volatilität der bisherigen Bonds entsprechen.
Wie kann man die „neuen Renten“ darstellen? Das können beispielsweise spezielle Credit-Fonds sein, die sich gegen Zinssteigerungen absichern. Es können aber auch gemischte Fonds sein aus Aktien und Renten. Der Aktienteil soll dann die Rendite bringen. Der Rententeil soll für die Stabilität sorgen. Er könnte aus kurzlaufenden Renten mit geringen Kursrisiken bestehen. Es könnten aber auch Geldmarktpapiere beigemischt werden, wenn sich die Geldpolitik normalisiert und die kurzfristigen Zinsen wieder nach oben gehen. Aufgabe des Managements der Fonds ist es, bei der Auswahl der Aktientitel und bei der Steuerung des Fonds zu große Risiken zu vermeiden.
Für den Anleger: Ich vermute, dass wir vor einem Niedergang der Anlageklasse der traditionellen Renten stehen. Wer noch ältere Bestände hat, kann sich an den hohen Renditen freuen, die Kursgewinne realisieren oder sie noch bis Fälligkeit halten. Neuanlagen erscheinen angesichts der niedrigen Kupons und der Gefahr von Kursverlusten weniger ratsam. Aktien bleiben interessant, wenn man bereit ist, die Kursschwankungen in Kauf zu nehmen. Sie werden in diesem Jahr freilich höher sein. Schauen Sie sich in dieser Situation Alternativen zu den traditionellen Renten an. Es können Credit-Fonds sein. Es können aber auch gemischte Fonds aus Aktien und Renten mit geringer Volatilität sein. Sie werden eine Renaissance erleben und könnten die „neuen Renten“ werden mit einer angemessenen, aber stabilen Rendite.
Dr. Martin Hüfner
Volkswirtschaftlicher Berater
direktanlage.at
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