Die Zuspitzung der Ereignisse in der Ukraine und Russland am Wochenende und ihre möglichen wirtschaftlichen und geopolitischen Konsequenzen haben zu Beginn der Woche die internationalen Finanzmärkte belastet. Während sich die Volatilität an den meisten Aktien- und Anleihenmärkten (einschliesslich Länder der Euro-Peripherie) aber letztlich insgesamt in gewöhnlichen Grenzen hielt und die traditionellen, frei konvertierbaren Währungen tendenziell zur Stärke neigten (einschliesslich japanischer Yen), traf es den russischen Rubel besonders hart.
Kein «sicherer Hafen» unter den «aufstrebenden Währungen»
Inmitten westlicher Sanktionsdrohungen sank der Rubel gegenüber dem US-Dollar, Euro und anderen Währungen auf ein neues Rekordtief – obwohl die russische Notenbank bereits am Montag mit einer deutlichen Zinserhöhung reagierte, um den Kapitalfluss möglichst einzudämmen. Wie auch andere Schwellenländer-Währungen wertet der Rubel allerdings schon seit geraumer Zeit in Schüben stetig ab. Dazu kommt, dass auch der chinesische Yuan seit einigen Wochen zur Schwäche neigt, wenn vermutlich auch aus anderen (von Peking erwünschten) ordnungspolitischen Gründen. Dennoch ist damit auch der einzige de facto «sichere Hafen» unter den «aufstrebenden» Währungen nicht mehr über alle Zweifel erhaben. Anhand der bisherigen Entwicklungen zeichnen sich aus unserer Sicht jedenfalls folgende erste Schlussfolgerungen ab:
Sanktionen und Gegenreaktionen stellen neue Risiken dar
Die angedrohten Sanktionen gegenüber Russland im Falle einer weiteren Eskalation der Situation in der Ukraine stellen ein realwirtschaftliches Risiko dar – welches sich allerdings weitgehend auf Russland und gegebenenfalls die Ukraine und andere Länder des ehemaligen sowjetischen Raums beschränkt. Einerseits würden die Sanktionen Russland in einer ungünstigen Phase treffen, in der sich seine Wirtschaft ohnehin zyklisch im Abschwung befindet. Andererseits würden die wirtschaftspolitischen Reaktionen Moskaus ebenfalls konjunkturell kontraproduktiv wirken – die jüngste Zinserhöhung stellt ein erstes Beispiel dafür dar.
Ungünstige Markt- und Konjunkturphase für Schwellenländer
Zugleich sind viele andere Schwellenländer derzeit mit eigenen wirtschaftlichen Gegenwinden und geldpolitischen Straffungszyklen konfrontiert – darunter auch China, der potenziell wichtigste «alternative» Partner Russlands, sowohl wirtschaftlich, als auch politisch. Selbst wenn sich viele Länder also aus verschiedenen Gründen nicht (oder nur beschränkt) an den angedrohten Sanktionen beteiligen sollten, was denkbar ist, müssen wir mit zusätzlichen Schäden für Russland und möglicherweise anhaltenden Abflüssen aus «EM»-Finanzanlagen rechnen.
Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Management
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