Aktuelle Frage im Economics Forum:
„Welche konkreten (unkonventionellen) geldpolitischen Maßnahmen sind von der EZB in diesem Jahr noch zu erwarten und welche neuen Impulse könnten in diesem Zusammenhang nach den Europawahlen entstehen?“
Current question in the Economics Forum:
“Which concrete (unconventional) monetary policy measures can we expect from the ECB in the remaining course of this year and which new impacts and initiatives are to be expected after the European parliamentary election?”
"Der EZB-Rat scheint nicht mehr bereit zu sein, die Risiken einer langen Phase niedriger Inflation zu tolerieren, sodass die Würfel für eine Lockerung der Geldpolitik wohl bereits gefallen sind. Welche Instrumente dabei eingesetzt werden, hängt entscheidend davon ab, wo die EZB die wichtigsten Gründe für die anhaltend niedrige Inflation sieht. Zuletzt stellte sie die Stärke des Euro in den Vordergrund, was auf Leitzinssenkungen einschließlich eines negativen Einlagensatzes hindeutet. Um am Geldmarkt Volatilität herauszunehmen, kann die EZB Maßnahmen ergänzen wie neue Langfristtender oder die Aufgabe der Sterilisierung der bisherigen Anleihekäufe. Demgegenüber sprechen EZB-Kommentare zur wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone und zu den gut verankerten Inflationserwartungen zurzeit noch klar gegen eine quantitative Lockerung."
“Currently, the problem is less the level of interest rates than the fact that the credit channel is impaired. The ECB can cut the rate of required reserves and can also stop sterilizing what has been bought under the SMP to release further liquidity. A conditional LTRO may also been announced: similar schemes have been successful in other countries. However, a negative deposit rate remains unlikely as excess liquidity dropped heavily in 2013 and historical examples (Denmark, Sweden) did not prove particularly successful in terms of reviving banking credit. Direct bond purchases remain unlikely.”
The European parliamentary elections will not have dramatic economic consequences in the short run but the main political parties could be incentivized to push pro-integration propositions with the rise of anti-establishment parties. “
Harald Preißler, Chefvolkswirt des Anleihemanagers Bantleon (14.05.2014):
"Den letzten konventionellen Pfeil im Köcher wird die EZB wohl im Juni verschießen. Dann dürfte der Hauptrefinanzierungssatz auf (nahe) 0,00% sinken, der Einlagensatz sogar unter die Nulllinie (-0,15%) – ein absolutes Novum. Zurücklehnen kann sich die EZB dennoch nicht. Die Frühindikatoren beginnen auf breiter Front nach unten zu drehen und zeichnen damit eine konjunkturelle Abschwächung im weiteren Verlauf des Jahres vor. Aus diesem Grund wird die EZB im Herbst ein breit gefasstes Anleihenkaufprogramm (Quantitative Easing) nachlegen müssen. Für die Finanzmärkte sind das positive Aussichten. Die Aktienmärkte dürften von der Hoffnung auf die helfende Hand der EZB vor einem stärkeren Absturz bewahrt werden, an den Anleihenmärkten rechnen wir mittelfristig mit neuen Renditetiefstständen."
James McCann, European Economist bei Standard Life Investments (14.05.2014):
"The ECB is expected to implement a small refi rate cut in June with the deposit rate lowered into negative territory at the same time or shortly after. Thereafter we expect the central bank to continue to move slowly in order to gauge the outlook for growth and inflation, with quarterly staff forecasts forming key way stations for policy decisions. We think that a further deterioration in the ECB’s inflation outlook will warrant the introduction of a credit easing programme, consisting of private sector asset purchases, in either September or December. If a larger programme is required they could buy government bonds next year, but it is harder to predict if the economic environment will be sufficiently weak to meet the high bar for this politically and logistically difficult stimulus.”
Anton Brender, Chief Economist, Candriam Investors Group (14.05.2014):
"The ECB seems strongly committed to do whatever it can to fight “lowflation” in the euro area. It is not sure however that it can really do as much as many would wish. Of course, it can bring the deposit rate in negative territory and bring the risk free yield curve a notch lower, but that will not be of great help, unless it significantly weakens the euro. The unsolved transmission problem right now is not related to the level of the risk free yield curve not even – anymore – to that of the sovereign or corporate bonds spreads, but to the fact that borrowing conditions for SMEs are still very different across the euro area (i.e. much tighter in the periphery than in core countries). To address this problem the ECB would have to take very unconventional measures: directly buying loans from banks is technically quite difficult to implement, while buying securitized loans in the ABS market would not be much easier because of the very limited size of the market and its concentration in a few countries. What the ECB could try is to announce it plans to buy a significant amount of SME ABS’s over, say, the next two years, with the hope that this will induce banks to produce new loans in order to sell them at an attractive price. For this to work though, important institutional obstacles would have to quickly be lifted. This unfortunately doesn’t seem very likely!"
"Die Geldpolitik der EZB dürfte durch den Ausgang der Wahlen zum EU-Parlament nicht beeinflusst werden. Wir gehen davon aus, dass die Europäische Zentralbank noch im Juni einen Zinsschritt in Höhe von 10-15bp für den Repo sowie einen negativen Einlagenzins von -5 oder -10bp ankündigen könnte. Der Zinskorridor kann sich also leicht einengen. Die EZB hat darauf hingewiesen, dass sie immer noch mit dem niedrigen Inflationsniveau unzufrieden ist. Zudem verweist sie auf den seit Mitte 2012 erstarkenden Außenwert des Euro. Eine Zinssenkung könnte diesen Trend stoppen.
Mit einem Ankaufprogramm für Staatsanleihen rechnen wir nicht, sofern die Inflationserwartungen auf mittlere Frist stabil sind. Dass die EZB private Papiere wie ABS aufkauft scheint aufgrund der Enge des Marktes ebenfalls unwahrscheinlich. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass die EZB bereits in den kommenden Monaten die Sterilisierung der Käufe aus dem Securities Market Programme stoppt. Davon würden nur kurzfristige Liquiditätseffekte ausgehen, Banken hätten aber weiterhin vollen Zugang zu unbegrenzter EZB-Liquidität."
Gökhan Kula, Managing Partner & CIO, MYRA Capital (14.05.2014):
"Mit seiner jüngsten Ankündigung, bei der kommenden EZB Ratssitzung im Juni auf alle Fälle zu handeln, hat er die Marktteilnehmer überrascht. Wenig überraschend war es, dass die EZB im Vorfeld der Europawahlen bei seiner letzten Sitzung noch den Anschein der Normalität wahren wollte und keine Änderung der Notenbankpolitik beschlossen hat.
Auch wenn die konjunkturelle Erholung in der Eurozone voranschreitet, dominiert mittlerweile die Besorgnis der Ratsmitglieder über die Deflationsrisiken – die Entwicklung von Japan vor Augen. Der starke Euro und ein schwächeres globales Wirtschaftswachstum könnten die ohnehin bereits tiefe Inflation in der Eurozone weiter drücken.
Die entscheidende Frage ist, welche Handlungsoption die EZB im kommenden Monat ziehen wird – konventionell und/oder unkonventionell. Aus unserer Sicht wird die EZB vor Lancierung eines Anleiheaufkaufprogramms (Quantitative Easing) zunächst auf das traditionelle Instrument der Senkung der Leitzinsen setzen. Unkonventionelle Maßnahmen wie bedingte Langfristtender bzw. ein breit aufgestelltes Wertpapier-Ankaufprogramm werden wohl erst in Erwägung gezogen, falls die erfolgten Zinssenkungen ihre Wirkung nicht zeigen sollten – frühestens somit Ende Q3/2014 bzw. im letzten Quartal.
Die Märkte haben zunächst sehr positiv auf die Ankündigung reagiert, die Aktienmärkte neue Höchststände in Angriff genommen. Auch der Anleihemarkt hat entsprechend positiv reagiert, die Rendite von 10-jährigen deutschen Staatsanleihen sank auf einen neuen zyklischen Tiefststand von 1,41% - noch positiver reagierten die Bondmärkte in der Peripherie. Kurzfristig hat die Ankündigung die Kapitalmärkte somit weitergetragen, aber trotzdem bleibt die Fragestellung nach dem „Exit“ in der Luft. Das so viele Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise und dem Start des Quantitative Easing seitens der FED noch immer über unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen gesprochen werden muss, ist ein Warnzeichen genug."
"Neben dem Leitzinssatz ist die Beeinflussung der Markterwartungen ein wichtiges Instrument einer Zentralbank. Auch die EZB nutzt die Forward Guidance. Im Juli 2012 hat Präsident Draghi mit der Aussage „to do whatever it takes to preserve to Euro” den Prozess fallender Risikoprämien für das Auseinanderbrechen des Euro eingeleitet. Vergangen Juli hat er mit der Aussage “key ECB interest rates to remain at present or lower levels for an extended period of time” erfolgreich versucht, die Zinserhöhungserwartungen des Marktes bzw. die Renditen niedrig zu halten. Im April dieses Jahres wurde mit dem „commitment to using also unconventional instruments” auch Quantitative Easing in den Werkzeugkasten aufgenommen. Last but not least hat Draghi auf der Pressekonferenz im Mai mit der Aussage „the Governing Council is comfortable with acting next time” de facto eine weiteren expansiven geldpolitischen Schritt für Juni angekündigt. Die EZB argumentiert damit, aufgrund des fallenden Kreditvolumens und des festen Euro Risiken dafür bestehen, das mittelfristige Inflationsziel von knapp unter 2% nicht erreichen zu können. Über die konkreten Maßnahmen kann nur spekuliert werden. Eine Leitzinssenkung gilt als sehr wahrscheinlich. Mittlerweile hat alleine die Ankündigung von weiteren Maßnahmen zu einer Abschwächung des Euro geführt."
Bart Van Craeynest, Makroökonom, Petercam (14.05.2014):
"At its May press conference, the ECB voiced its increasing concern about low inflation and the strength of the euro and strongly hinted that more stimulus is coming in June. Unless the euro weakens spectacularly before the next meeting, it will be very hard for the ECB not to do anything at the June meeting.
The most likely option is a new rate cut, including a move to a negative deposit rate (which was hinted at by NBB-president Coene). Other options for the remainder of the year would be a new LTRO and/or relaxation of collateral criteria are other possibilities.
Expectations for outright QE are still overdone. Given the political and practical hurdles linked to QE, it would take a further deterioration of the inflation/growth outlook before the ECB moves to such measures."
"Mit dem Hinweis auf mögliche konkrete Schritte hat sich EZB-Präsident Mario Draghi unnötig unter Zugzwang gesetzt. Angesichts der Tatsache, dass die Zinsen in der Peripherie auf neuen Tiefstständen liegen und sich die wirtschaftliche Situation in der Eurozone aufhellt, sind geldpolitische Massnahmen zurzeit nicht zwingend. Trotzdem erwarten die Marktteilnehmer nun entsprechende Ankündigungen im Juni. Um die Glaubwürdigkeit zu wahren, wird die EZB wohl nicht umhin kommen, den Refinanzierungssatz weiter zu senken, möglicherweise begleitet von einem negativen Einlagesatz. Beide Massnahmen sind aber vor allem symbolischer Natur und dürften die Markterwartungen enttäuschen. Vor allem in Bezug auf den negativen Einlagesatz ist zudem unklar, ob die gewünschte Wirkung einer stärkeren Kreditvergabe durch die Banken erzielt werden kann."
Dieter Guffens, Senior Economist bei KBC Asset Management (14.05.2014):
"In der Pressekonferenz dieses Monats teilte EZB-Präsident Draghi mit, dass die EZB bereit ist, im Juni weitere Schritte bei der Lockerung ihrer Geldpolitik zu machen. Welche das konkret sein werden steht noch nicht fest. Einiges wird auch davon abhängen, wie die EZB-Volkswirte im Juni die Inflationsentwicklung in den nächsten Jahren einschätzen. Wenn der Ausblick vom März spürbar nach unten korrigiert wird, wird die Reaktion der Zentralbank entsprechend stärker ausfallen.
Es ist quasi sicher, dass die EZB im Juni ihren Leitzins weiter senken wird auf etwa 10 Basispunkte. Um ihren Zinskorridor unangetastet zu lassen, wird der Zins der Einlagefazilität wohl auch gesenkt und damit leicht negativ. Um das Liquiditätswachstum in der Eurozone weiter zu stimulieren, denkt die EZB auch an neue längerfristige Refinanzierungsgeschäfte und eventuell auch daran, die Liquidität, die durch das SMP-Programm geschaffen wurde, nicht mehr permanent wieder aus dem Markt zu nehmen.
All diese Massnahmen sind jedoch eher gering im Umfang und hätten daher eher einen psychologischen Effekt auf den Markt. Wenn die erwartete Inflationsrate für die nächsten Jahre sich tatsächlich weiter vom Inflationsziel der EZB (2%) entfernt, müsste die Zentralbank daher eine eigene Form des „Quantitative Easing“ einführen. Am ehesten denkt die EZB hierbei an den Kauf sogenannter Asset Backed Securities, also Anleihen die zum Beispiel durch Kredite verbrieft sind. Das Problem besteht jedoch darin, dass dieser ABS-Markt in Europa im Moment einen zu geringen Umfang hat um für die Geldpolitik eine wirklich relevante Rolle zu spielen. Um das Geldmengenwachstum nachhaltig zu steigern und dadurch mittelfristig auch die Inflationsrate wieder zu erhöhen, müsste die EZB sich also früher oder später dazu entschliessen, auch europäische Staatsanleihen zu kaufen. Da dies aber unvermeidlich zu einer politische Diskussion über eine monetäre Staatsfinanzierung führen würde, wird die EZB dieses Mittel ihrer Politik nur im äussersten Notfall einsetzen."
"Die EZB wird alles tun, um den Eindruck zu erwecken, sie hätte noch ausreichend geldpolitisch expansive Instrumente. Doch tatsächlich ist der Spielraum eher begrenzt. Staatsanleihenkäufe wie in UK oder den USA sind juristisch aufgrund des Verbots der Staatsfinanzierung angreifbar und in der Wirkung in der Eurozone ungleich wenig eindeutig wie im anglo-amerikanischen Raum. Der Ankauf von privaten Assets wie Kreditportfolios scheitert an der mangelnden Marktgröße. So verbleibt die Vergabe von lang laufenden günstigen Krediten an den Bankensektor - eventuell mit der Verpflichtung, diese Mittel für das Neukreditgeschäft zu verwenden. Gleichzeitig führt der regulatorische Druck auf die Banken, die Eigenmittelquoten zu erhöhen dazu, dass Banken bei der Kreditvergabe sehr zurückhaltend sind. Unserer Einschätzung nach, wird die EZB das wenige Pulver, das sie zu verschießen hat, möglichst langsam verbrauchen, um bei den wirtschaftspolitischen Akteuren eine Anmutung der Tatkraft zu erzeugen. Und tatsächlich stehen die Chancen nicht schlecht, dass mit einer sich stabilisierenden Konjunktur in der Eurozone dies auch gelingt."
Economics Forum: Investment Strategen und Ökonomen antworten
Auf monatlicher Basis stellt e-fundresearch.com eine aktuelle Frage mit Bezug zu volkswirtschaftlichen Zusammenhängen und Entwicklungen auf den Kapitalmärkten an eine Gruppe renommierter Ökonomen und Kapitalmarktstrategen. Die Antworten werden im ECONOMICS Channel dargestellt (seit Mai 2011).